Nabend aus Hamburg.
Wir haben seit Januar einen heute ca. 8-9 Monate alten Mischlingsrüden aus Bosnien bei uns in Hamburg. Ich wollte schon lange einen eigenen Hund und als wir die Bitte um eine Pflegestelle sahen, haben wir uns angeboten und nun ist er seit dem 18.01. hier. Zu seiner Geschichte, bzw. dem was bekannt ist. Er und sein Bruder (könnten beide teilweise vom Posavatz abstammen, haben zumindest deutliche Anleihen) sind mit ca. 2 Monaten in einer Ruine in Mostar gefunden worden. Danach waren beide bis zu ihrer Ausreise in einem privaten Haushalt zur Obhut, anders als die anderen Hunde des Vermittlungsvereins, der dort ein Zwingerdorf hat. Er sollte mit seinem Bruder ausreisen, der nun ebenfalls in Hamburg ist. Zum Zeitpunkt als wir uns entschieden haben, war der schon fest vermittelt.
Als wir ihn übergeben bekommen haben, sah man ihm schon an, dass er sehr ängstlich war, aber ich beginne mal mit dem Positivem. Anfangs war ihm die Treppe im Haus nicht geheuer, aber kurze Zeit später ging das schon. Auch mit mir zur Arbeit zu gehen, war schnell ok und dort hat er sich problemlos akklimatisiert, auch wenn ich mal nicht im Raum war. Was deutlich und wenig überraschend war, war seine Angst vor den Geräuschen der Stadt, vor Kinderwägen, dunklen Silhouetten, Radfahrern und Menschen, die hinter im Laufen oder plötzlich aus Türen kommen. Auch im Büro hat er gerne mal vor Kollegen (männlich) Reissaus hinter den Tisch genommen, sich aber dann meist schnell dran gewöhnt. Durchfall und Tierarztcheck haben wir auch schon durch. Essen ist nicht seine Stärke. Mal haut er es weg, mal schnuppert er und lässt es liegen. Mal findet er ein Leckerli geil, beim nächsten Mal nicht. Ganz generell könnte man ihm draussen einen Teller Pansen hinstellen, das würde er in manchen Situationen nicht anrühren.
Wie gings weiter? Zuhause liegt er fast nonstop in seinem Bett. Per Ruf zum Spiel oder kuscheln, no chance. Grundsätzlich agiles Spielen zuhause, no chance. Das einzige Mal, wenn er aktiv mit rauswill ist morgens nach dem Pennen. Und manchmal auch so ein richtiger Wegdreher, der dann im Bett mit dem Rücken zum Raum schläft. Nun versuche ich seit mehreren Wochen auch kleine Trainings mit ihm zu machen. Sitz geht schon sehr gut, Platz nur zuhause mit Leckerli (wenn er Hunger hat). Seit einigen Wochen aber (Pubertät) läuft er viel mit ausgefahrenen Penis rum, bellt Leute im Park an, die auf ner Parkbank sitzen (aber von weit entfernt und seine Angst nimmt nochmal zu. Wenn man sich im Park auf die Wiese setzt wo viele andere Leute sitzen, dann zittert er selbst mit 3-4 Abstand wie Espenlaub und ist sich nur am Umschauen, wer sich wie wo bewegt und ob er reissaus nehmen muss. Genauso, wenn Männer aus irgendwelchen Haustüren kommen und in seine Richtung gehen. Dann dreht er sich ins Geschirr und zerrt zurück. Wenn ich ruhig den Bürgersteig entlang laufe, geht es meistens, auch wenn er anfangs immer sehr lange braucht, um erstmal alles abzuchecken. Ich weiss natürlich, dass das alles echt viel neues für den Kerl ist. Wenn ich um 8 in den Park gehe, sind immer die gleichen 8 Hunde da, mit denen er immer mal rennt und dann wieder neben dran sitzt und einen Ast kaut. Auf die Besitzer geht er auch schon freundlich zu. Licht und Schatten also. Die wahnsinnige Angst und das (für uns) irrationale Verhalten rund ums Essen und Rausgehen (morgens ja, mittags und abends eher nein). Man muss ihn praktisch anheben - ich weiss, ist nicht richtig.
Im Park oder Wald aber total entspannt. Kann ich auch ohne Leine laufen lassen, orientiert sich an mir und wenn er nicht hört (was er praktisch nicht tut) und ich in die andere Richtung gehe, dann kommt er zumindest manchmal. An die Leine bekomme ich ihn immer wieder problemlos, es sei denn irgendwas passiert (andere Hunde zoffen sich oder irgendwelche Leute, die ihm nicht geheuer sind tauchen auf, dann zieht er riesige Kreise und man muss ihn erstmal in Ruhe lassen).
Das ist so der Schnelldurchlauf. Es ist echt schwierig für uns. Wir haben eine 6-jährige Tochter, die Tiere und Hunde liebt und wir hatten uns (vielleicht naiverweise) auf einen echten Gefährten für uns und sie gefreut und momentan ist die Frustration hoch. Bei mir, weil das Abrufen nicht klappen will, bei meiner Frau, weil er mit ihr kaum laufen will und meine Tochter kann wenig bis gar nicht mit ihm interagieren oder spielen, weil er wenig Emotionen zeigt (wahrscheinlich nachvollziehbar). Wir fragen uns ernsthaft, ob wir die richtigen für ihn sind. Die Arbeit mit einem Hund scheuen wir ganz und gar nicht, aber in der Tat merken wir, dass da etwas fehlt, was wir uns gewünscht hätten, aber vielleicht auch noch kommt und wir einfach viel mehr Geduld haben müssen. Vielleicht reicht morgens der Spaziergang in den Park zu seinen Buddies und den Rest des Tages nur noch zum Pippi machen? Vielleicht müssen wir ihn in der Wohnung einfach mal ignorieren und pennen lassen, bis er von selbst kommt und aktiv den Kontakt sucht? Es ist sehr ungewohnt, dass da so wenig kommt, das muss ich sagen, aber vielleicht total normal für den Hund, der sich nun hier an alles gewöhnen muss. Vielleicht muss in der Küche der Napf voll stehen, bis er selber isst und feste Zeiten sind (noch) nichts für ihn....i don't know. Oder morgens einfach den Napf hinstellen und wenn er nix isst, dann wieder weg? Wir haben noch jede Menge kleine Fragezeichen und ein sehr grosses.....
So, jetzt habe ich mal viel als Intro geschrieben und bin mal gespannt, was ihr so sagt, bzw. fragt bitte auch gerne. Danke schon mal vorab.
VG