Hallo,
das meiste ist zwar schon geschrieben - aber ich möchte nochmal auf das Thema "Streß beim Hund" eingehen.
Dein Hund, noch dazu einer eh schon für besondere Sensibilität berühmte Rasse, hat ein mächtiges Programm jeden Tag. Das Argument "er bräuchte ja nicht, wenn er nicht wollte" bei seinem Hundebetreuer zählt für mich nicht - denn es ist doch klar, dass sich ein junger, temperamentvoller Hund einfach mitreissen läßt, wenn die anderen Hunde gerade mächtig Spaß haben. Und nicht auf seine imaginäre Armbanduhr schaut und sich total vernünftig erstmal ne Stunde ausruht. Ich kenne keinen Hund, der das tun würde, wenn gerade eine seiner Lieblingsbeschäftigungen angeboten wird.
Ich glaube noch nicht mal, dass der Trainer irgendetwas bösartiges oder zu hartes mit dem Kerle veranstaltet, sondern ich kann mir vorstellen, dass Dein Hund durch das Ganztagsprogramm mit für ihn allesamt tollen Aktionen (Spiel, Spaß, gut aufgebaute Arbeit mit Dir) einfach hoffnungslos überdreht und sich durch manche Verhaltensweisen einfach ein Ventil sucht, dem übersprungsartigen Luftschnappen, z. B.. Auch das Schnappen nach dem Trainer beim Cafe-Besuch ist mit großer Wahrscheinlichkeit einfach nur ein Signal der gut gemeinten Überforderung - da HAT er endlich mal dagelegen und sich ausgeruht und wird dann durch noch so nett gemeintes Streicheln "gestört", die Signale des Hundes sind sehr wahrscheinlich nicht bemerkt worden, weil ihr ins Gespräch vertieft ward, und irgendwann platzt dann jedem Hund der Kragen. In Eurem Fall ist das Knurren sicher keine Aggression, sondern einfach ein fast schon "verzweifelter" Kommunikationsversuch eines Hundes, der zuviel an Input hat.
"Streß" entsteht nicht nur durch "schlechte" Dinge - Streß ist einfach ein Zuviel an äußeren Reizen, die auf einen Hund einwirken und die er mangels ausgiebiger Ruhephasen nicht mehr verarbeiten kann. Bisher scheint Dein Hund diesen aufkumulierten Streß gar nicht so nach "außen" getragen zu haben - das ist oft so bei sehr feinfühligen, sensiblen Hunden (mit sensibel mein ich nicht "memmig", sondern einfach empfänglich für allerkleinste Aussenreize, durchaus angenehme Hunde, die oft, so wie Deiner sehr führig sind, weil sie einfach alles mitbekommen, was wir an Signalen aussenden), deshalb würde ich es als für den Hund mittlerweile fast unerträglichen Streß-Pegel werten, wenn er jetzt damit anfängt, in allen möglichen Situationen "über-zu reagieren".
Nimm das als ernsthaftes Warnsignal, dass Dein Hund schon seit einiger Zeit überfordert war.
Auch Dauer-Party mit den besten Kumpels kann irgendwann Streß verursachen.
Wenn Ihr jetzt an vermeinticher Aggression arbeitet - ändert Ihr nichts an den Ursachen.
Auch, wenn Du es nicht so recht glauben magst, dass Dein Hund sich derzeit auf einem durchgehend erhöhten Streßlevel befindet, mach mal für einige Zeit einen Versuch, indem Du das Programm Deines Hundes deutlich reduzierst - ganz viel Ruhe statt noch weiterer Auslastung am Nachmittag/Abend. Dazu gehören ruhige Spaziergänge mit ruhiger, gleichförmiger Bewegung ohne große Kopfarbeit, aber ganz besonders gemeinsames Faulenzen/Kontaktliegen, auch das genüßliche Zerlegen eines Knochens kann herrlich entspannend wirken. Die Hundebetreuung wirst Du ja nicht aussetzen können, deshalb bleibt Dir nur das eigene Programm, wo Du ein wenig runterfahren kannst.
Ein Hund, der maximalem Streß für etwa einen Tag ausgesetzt war, braucht über den Daumen gepeilt EINE WOCHE, bis die im Körper schwirrenden Streß-Hormone abgebaut sind. Wenn Dein Hund schon länger am großen Programm zu knapsen hatte, musst Du dementsprechend noch etwas mehr Zeit draufrechnen, bis man durch ein etwas verschmälertes Programm eine Besserung sehen kann.
Deine Beschreibung von Deinem Hund - ein junger, mitarbeitender, begeisterungsfähiger, sensibler, führiger Hund, der dank Deiner Ausbildung wirklich gut erzogen ist, läßt einem regelrecht das Wasser im Mund zusammenlaufen - aber es verführt auch dazu, ihn - gutgemeint - im Endeffekt doch zu überfordern, weil er selbst natürlcih die Grenzen seiner Belastbarkeit nicht kennt, das ist Dein Job.
Gönn ihm mal versuchsweise eine relative Auszeit und ich kann mir vorstellen, dass er dann erst recht der absolute Traumhund sein kann, der so offensichtlich in ihm steckt.
LG, Chris