Es tut mir leid, Rocky.

  • Hallo liebes Forum.


    Es ist 6.00 früh und ich weiß nicht, wem ich all das erzählen soll, was in meinem Kopf herumspukt.


    Ich hoffe, es ist okay, euch meine Gedanken mitzuteilen.


    Ich habe das Gefühl, meine Schuldgefühle und Trauer nicht ertragen zu können. Gestern habe ich meinen Rocky gehen lassen und ich weiß im Moment nicht, wie ich gleich auf Arbeit gehen und weitermachen soll. Ich mache mir im Hinblick auf seinen Tod solche Vorwürfe, dass ich glaube, ich verdiene es nicht, nochmal einen Hund aufzunehmen.


    Am 04. Januar adoptierten wir den 14-jährigen Rauhaardackel Rocky aus dem Tierheim zu unserer 7-jährigen Mischlingshündin. Es war schon immer mein Wunsch, alte Hunde aus dem Tierheim zu holen und es war absolut die richtige Entscheidung. Rocky galt als unnahbarer Hund und als nicht ganz unproblematisch.

    Von dem Moment an, als er in meine Wohnung marschierte (ganz dackellike), war ich in ihn verliebt. Er war ein Dackel wie er im Buche steht und er hat uns die schönsten drei Rudelmonate überhaupt gegeben. Er blühte auf, war verkuschelt und stellte seine stereotypen Verhalten aus dem Tierheim (stundenlanges Deckebeißen und Rammeln) ein.


    Nach einer Woche bei uns gingen wir mit ihm zum Hundefriseur für eine nötige "Grundreinigung". Dort bemerkten wir, als er nass war, eine Beule an seinem Oberkiefer sowie einen vergrößerten Ballen am Hinterfuß. Wir gingen gleich zum Tierarzt. Die folgende Diagnose war doch niederschmetternd:

    Bösartiger Tumor im Oberkiefer (erstreckte sich schon über den Gaumen und die linke Seite des Oberkiefers),

    Tumor im Nacken,

    Bluteinlauf im Ballen (konnte leider nicht entfernt werden, da sofort Blut nachschoss)

    und Herzinsuffizienz. Ich habe lange mit dem Arzt geredet und mir wurde erklärt, dass eine weitere Narkose für ihn sehr riskant wäre und es keine Möglichkeit gäbe, die Tumore so zu entfernen, dass es ein Erfolg werden könnte.

    Er bekam Schmerzmittel und Antibiotika (der Tumor entzündete sich leicht) und wir beschlossen, ihm die verbleibende Zeit so schön zu machen, wie wir nur konnten.


    Wir haben wirklich alles für den kleinen Mann getan. Ausflüge, die für ihn nicht zu anstrengend waren, wir haben ihn mit Liebe überschüttet und haben wirklich jeden Tag genutzt. In dieser Hinsicht haben wir alles richtig gemacht und ich würde es jeder Zeit wieder so machen.


    In den letzten Wochen bemerkten wir, wie er immer langsamer wurde. Er schlief den ganzen Tag und trottelte draußen mehr vor sich hin. Ab und an "rannte" er mal ein Stück, das aber eher, wenn er glaubte, den Anschluss zu verlieren. In letzter Zeit habe ich immer ihn das Tempo bestimmen lassen, und da blieb er in seinem Opatrott (was ja auch okay ist!).

    Er hob nur noch selten den Kopf wenn ich seinen Namen sagte, aber wenn er Futter gerochen hat, war er da.

    Der Tumor in seinem Maul wurde immens groß. Er erstreckte sich durch die gesamte linke Seite seines Mauls und war so vereitert, dass er eine grün/gelb/blaue Farbe hatte.

    Der Tumor in seinem Nacken hatte locker Golfballgröße.

    Seine Lymphknoten am Hals schwollen ebenfalls enorm hart und groß an.

    Ich dachte schon längere Zeit, dass er so müde schaut und das Damoklesschwert hing schon lange über uns und wir überlegten schon seit ca. zwei Wochen hin und her, was das beste für unseren kleinen Mann wäre. Ich weinte viel und dachte früh bis spät an nichts anderes.


    Letzte Woche bemerkte ich, dass er Nachts schnell und angestrengt atmete und nachts ab und an hustete. Er kam schlecht zur Ruhe. Ich vermutete sofort das Herz und Wasser in der Lunge und stand am Freitag beim Tierarzt auf der Matte. Rocky wurde dort gründlich untersucht und meine Vermutung bestätigte sich leider.

    Es wurde auch nochmal die enorme Größe der Tumore festgestellt und dass er nicht mehr in der Lage war zuzunehmen und nur noch aus Knochen bestand.

    Die Ärztin war sehr empathisch und teilte mir mit, dass es zu diesem Zeitpunkt ebenso richtig wäre ihn gehen zu lassen wie es nochmal mit Entwässerungstabletten zu probieren. Diese würden uns - wenn überhaupt - nur noch eine kurze Zeit dazuschenken.

    In Anbetracht dessen, dass mein Rocky noch gefressen hat wie ein Scheunendrescher, draußen etwas lief und sonst eben auch ein lebenssturer alter Dackel war, beschloss ich, die Tabletten zu probieren.


    Die erste Nacht schlugen sie an - er schlief durch.

    Ab dann ging es ihm wieder schlechter. In der Nacht von Sonntag zu Montag hat er - und ich auch - erst gegen 4.00 Uhr nachts Ruhe gefunden. Er hustete ab und an, immer präsent war aber so ein Niesartiges Schiefen und er warf sich ächzend hin und her. Er schmatzte dabei fast die ganze Zeit.

    Gestern Morgen lag er völlig fertig in seinem Körbchen und als er aufstand, kam ein Schwall Eiter aus seiner Nase. Dies hörte auch nicht auf. Es war die Seite direkt über dem Tumor.

    Er lief mit eingezogenem Schwanz und - meiner Meinung nach - krummen Rücken.


    Ich fuhr zum Tierarzt und lies ihn gehen. Die Erfahrung war schrecklich. Ich wollte ihn zu Hause gehen lassen aber aufgrund der aktuellen Corona Problematik war das nicht möglich. Außerdem wollte ich ihm schnell helfen, denn das Eiter aus seiner Nase beängstigte mich sehr. Der Tierarzt erklärte mir die Prozedur und es war einfach nur schrecklich. Es wurde im Behandlungsraum nicht nochmal darüber geredet ob es richtig war oder nicht. Es wurde schnell über die Bühne gebracht und mein Partner durfte nicht mit dabei sein. In diesem Moment konnte ich nicht weinen. Ich habe nur meinem Rocky für diese wunderschöne Zeit gedankt und habe schon den Anflug meines schlechten Gewissens gemerkt.


    Seitdem bin ich nicht mehr ich selbst. Ich weiß, dass ich trauern muss, aber ich habe die schlimmsten Schuldgefühle die man sich machen kann.


    Überall lese ich, die Leute erlösen ihren Hund, wenn er nicht mehr frisst. Mein Dackel hat aber trotzdem immer gefressen! Er bekam drei große Portionen am Tag, er konnte nur nicht mehr zunehmen und magerte immer mehr ab. Aber er hat noch gefressen! Wie er das mit seinem Tumor machte, weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber es ging.

    Wenn Gassizeit war, ist er - wenn auch sehr schleppend - trotzdem mitgekommen und konnte ab und an sogar noch hoppeln!

    Er hat immer gewedelt wenn er mich gesehen hat.

    Wenn man ihm einen Ball gezeigt hat, ist er so abgegangen, dass man ihn stoppen musste, weil er sich sonst den Tumor aufgebissen hat.


    Ich komme mir vor wie ein Mörder und glaube, ich habe es nicht verdient, je wieder einen Hund zu mir zu nehmen. Ich glaube ich geh kaputt.


    Auf der einen Seite riet mir der Tierarzt schon vor dem Wochenende zur Erlösung, auf der anderen Seite war da Rockys ungebrochener Willen.

    Und ich habe ihn gebrochen.

    Ich werde mir das nie verzeihen können.

    Gestern war ich noch so überzeugt, das richtige zu tun. Aber danach ging es los. Ich habe wirklich das Gefühl, mich zerreißt es. Rocky könnte noch hier sein.


    Ich weiß, dass seine Krankheit rasch fortschritt und keine Besserung in Sicht war. Ich weiß, dass er abmagerte. Ich weiß auch, dass er Luftprobleme hatte.


    Aber er war noch nicht komplett weg. Er war noch da, er war noch stur und er hat mich geliebt und es mir gezeigt. Und ich habe ihn so hintergangen. Vielleicht wollte er noch mehr Zeit mit mir.


    Ich dachte immer ich bin stark und wollte schon immer die Seniorenhunde aus dem Heim zu mir nehmen. Das alles stürzt jetzt gerade zusammen und ich fühle mich, als hätte ich meinen Rocky verraten und mit ihm alle Menschen, die sich in seinem Leben um ihn gekümmert haben.



  • :streichel:

    Mein Beileid für deinen Verlust.


    Du hast Rocky nicht verraten. Wie auch? Du hast dich immer um ihn gekümmert, stets nur das Beste für ihn vor Augen gehabt und gerade dann, als "die" Frage im Raume stand, hast du die richtige Entscheidung getroffen. Du hast ihn gehen lassen. Und das war richtig so. Rocky war ja todkrank - Wasser in der Lunge, ein bösartiger Tumor, der weder operabel noch anderweitig heilbar gewesen wäre.


    Du hast alles mögliche versucht. Ihr habt alle sinnvollen Möglichkeiten ausgeschöpft - und als alle ausgeschöpft waren, habt ihr ihn gehen lassen. Das ist okay so.


    Der Schmerz und die Schuldgefühle werden dich noch eine ganze Weile begleiten. Aber Rocky wird dich auch immer begleiten, auch wenn du ihn nicht siehst. Irgendwann werden die Schuldgefühle und der Schmerz verblassen. Das dauert bei jedem unterschiedlich lange, jeder trauert auf seine Art und Weise. Nimm dir alle Zeit der Welt, aber behalte vor Augen, dass du nicht schuld bist. Du hast FÜR Rocky entschieden - wie kann man da als liebender Hundehalter schuldig an irgendetwas sein? :streichel:

  • Du hast Rocky nicht „gebrochen“, du hast ihm schlimme Schmerzen und einen qualvollen Tod erspart.

    Ich weiß, dass man trotzdem zweifelt.

    Es ist eine der schwersten Entscheidungen, die man als Hundehalter treffen muss.

    Aber FÜR den Hund zu entscheiden, heißt manchmal, ihn gehen zu lassen.


    Mein Beileid.

  • Es tut nir so leid.


    Ich weiß nicht, ob das hilfreich ist, aber ich finde deine Schuldgefühle irrational. Ich würde einen Hund eher eine Woche zu früh einschläfern lassen, als einen Tag zu spät. Und den richtigen Zeitpunkt nur anhand des Fressverhaltens herausfinden zu wollen, funktioniert nunmal nicht immer. Weshalb muss ein unheilbar krankes Tier erst so höllische Schmerzen und Unwohlseinszustände haben, dass es sogar das Fressen einstellt? Weshalb sollte es nicht zu einem Zeitpunkt gehen dürfen, wo es noch schöne letzte Momente hatte, noch Freudensgefühle.


    Ich hab meinen Großvater als Kind im Krankenhaus darum betteln gehört, dass man ihn doch bitte sterben lassen solle, weil keine Schmerzmedikamente mehr geholfen haben. Das ist Grausamkeit, das ist ein unwürdiger Abgang. Ein Hund kann nur nicht um seinen Tod betteln.


    Deinem Tier rann der Eiter aus der Nase, der wäre vielleicht elendig dran verreckt, hättest du ihm das nicht erspart. Das Gefühl von: Vielleicht wär er noch hier, wenn ich nur.... kann ich ich nachvollziehen, aber ich denke nicht, dass es tatsächlich noch weiter gegangen wäre. Ein Tumor, der so riesig ist, erlaubt nicht unbegrenzt weitere Tage. Du hast ihn nicht zu früh einschläfern lassen, ganz bestimmt nicht.


    Das hat schon alles seine Richtigkeit so, kein Abschied ist jemals schön. Rocky wird glücklich gewesen sein, dass das Tierheim nicht seine letzte Station war. Ich finde es wundervoll, dass du ihm den Dienst erwiesen hast, ihn aufzunehmen und ihn gehen zu lassen.

  • Es tut mir leid, dass Du Rocky loslassen musstest.


    Schuldgefühle sind nicht schön und auch nicht angebracht.


    Rocky war alt und krank, er durfte noch in eine liebende Familie.


    Zweifel, ob zu früh oder zu spät, kennen wohl die meisten Tierhalter, wenn der Zeitpunkt kommt.


    Er ist jetzt im Regenbogenland und wird dort auf euch warten.


    :streichel:

  • Erstmal find ichs ganz toll, dass du nem alten Knochen noch nen schönen Lebensabend geschenkt hast. Und ich drück dich ganz fest :streichel:


    Ich denk nicht, dass du ihn zu früh hast gehen lassen. Wenn er nimmer schlafen kann und auch nicht mehr richtig Luft bekommt ist das doch schlimmer als wenn er nimmer frisst.

    Meine Jessy hatte damals Lymphdrüsenkrebs und als die Tumore langsam so groß wurden, dass sie ihr Nachts auf die Luftröhre drückten wurde mir klar, dass ich sie gehen lassen muss, auch wenn sie noch fraß und noch mit mir Gassi ging. Ich wollte mir nicht ausmalen wie es wäre, wenns irgendwann so schlimm wird, dass sie des Nächtens echt nach Atem ringt oder mir sogar jämmerlich erstickt, weil die nächste TK 30 Min. Fahrt entfernt liegt.


    Ich denk es fühlt sich für dich so fragwürdig an, weil es so eine Hauruck Aktion war.

  • Mein tiefstes Mitgefühl. Mach Dir doch nicht so schlimme Gedanken! Du hast alles richtig gemacht - von dem Tag an, wo Du dem alten Herrn nochmal ein tolles Zuhause gegeben hast. Wir sind nicht allwissend und können immer nur hoffen, dass der Zeitpunkt richtig ist, einen lieben Gefährten über die Brücke zu schicken. Und im Nachhinein ist der Zeitpunkt immer richtig. Manche Hunde können und wollen nicht loslassen und verstecken ihre schlimmen Krankheiten. Fakt ist - er hatte es toll bei Dir und nun hat er keine Schmerzen mehr und tobt fröhlich über die Traumwiese. Und wartet auf Dich.

  • Es ist so schwer, Abschied zu nehmen, Entscheidungen zu treffen.. Auch wenn die Diagnose und die Aussichten eigentlich eine deutliche Sprache sprechen..

    Mach dir bitte keine Vorwürfe..

    Was hättest Du denn anders machen sollen? Ihm lief der Eiter aus der Nase, die Tumore haben in ihm gewütet, seine Atmung war schwer..

    Ja, vielleicht hätte er noch ein paar Tage gemacht, etwas gefressen und wäre paar Schritte vor die Tür gegangen - aber wäre das ein Gewinn für ihn gewesen?

    Vielleicht wäre er dann allein gestorben, während du gerade den Müll rausbringst oder einkaufen bist - ohne Hilfe, ohne gehalten zu werden - man kann nicht

    jede Sekunde dabei sein.

    Sei dankbar, für die gemeinsame Zeit - und auch dafür, dass Du ihm einen leichten Wechsel der Welt ermöglichen konntest, so schmerzhaft es für dich

    auch ist - ihm hast Du damit viel erspart.


    Hab ähnliches letztes Jahr mit meinem Senior erlebt, auch Krebs (Nase, Maul, Körper). Die letzte Entscheidung war richtig, nicht aufzuschieben -

    und trotzdem habe ich manchmal Zweifel. Glaube, damit müssen die meisten Hundehalter leben am Ende des gemeinsamen Weges.

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