Hundehaltung gestern und heute

  • Guten Morgen,


    nachdem ich ja gestern wieder mit einem veraltetem oder sogar nie aktuellen Hundeklischee aufgefallen bin, würde ich mich gerne mal hier austauschen zum Thema was war vor 20-30 Jahren noch normaler Standard im Bereich Hundehaltung, Erziehung und Ernährung und ist heute längst überholt?


    Sowas wie Der Hund darf nicht ins Bett weil er sich dann für den Chef hält, der Hund muss immer hinter dem Halter laufen, weil er sich sonst für den Chef hält, der Hund darf keine Gewürze weil er die nicht verträgt/sie giftig für ihn sind.


    Was fällt euch an solchen Dingen ein?

  • In vielem steckt ja ein Körnchen Wahrheit. Nur leider neigt der Mensch zum Absolutismus und macht damit viel verkehrt. Mit so Sätzen wie:


    Was man mit dem Hund einmal falsch gemacht hat, prägt sich für immer ein ...


    Der Hund muss in seinen ersten Lebenswochen alles Kennenlernen ... Bzw. was der Hund als Welpe nicht lernt lernt er nie mehr


    Ein einmal gegebenes Verbot muss immer durchgesetzt werden ...


    Die regeln da schon unter sich (wobei: Ja, tun sie. Es gibt nur keine Garantie, dass Mensch das Ergebnis gefällt) ...


    Und wie corrier sagte: So ganz viele Theorien und Markise Sätze rund ums Thema Rudelführerschaft

  • Ich erinnere mich dass es damals bei uns keine Hundeschulen gab, nur diesen fürchterlichen Schäferhund Platz der nach den Methoden arbeitete die heute Gott sei Dank verpönt sind.

    Hunde ins Bett gab es nicht, Stachler und Würger waren an der Tagesordnung. Hunde mussten damals mehr funktionieren als heute und ein eigener Wille wurde ihnen nicht wirklich zugestanden.


    Für mich persönlich hat sich das mit Rütter und Konsorten geändert, das waren die ersten die gezeigt haben dass man auch nett zu Hunden sein kann wenn man sie erzieht.

    Der Rudel Blödsinn ist ja heute leider auch noch verbreitet, genau wie die Dominanztheorie. Sieht man ja selbst hier immer wieder, bei uns auf dem Dorf sind sie da auch noch etwas zurück.

  • Ich bin erst 30 und daher kenne ich Hudnehaltung von Früher nur aus Erzählungen meiner Familie.
    Mein Papa ist auf dem Dorf aufgewachsen, jeder hatte einen Hund im Zwinger/auf dem Gelände.

    Meine Mutter, aufgewachsen im Plattenbau, hatte mit Hunden nie sonderlich viel zu tun.
    Meine Großeltern sagen, dass im ganzen Plattenbau (11 Haustüren, 5 stockwerke, auf jeder Etage 2 Familien)

    Nicht ein Hund gelebt hat - das galt für viele Blöcke.
    Ich wohne heute 2 Blöcke weiter und es hat sich komplett geändert.
    Allein in meinem Aufgang leben 3 Hunde.

    Auch das find ich interessant - die Generation meiner Mutti - die dort gelebt hat - ist quasi komplett ohne Hunde im Stadtbild aufgewachsen.


    Das erklärt vielleicht auch, weshalb eine ganze Generation, so ganz ohne "Feeling" aufgewachsen ist.
    Auf Paps Dorf musste niemand sagen "Fass den fremden Hund nicht an." - das wussten die Menschen (auch Kinder).

    Die wussten auch, wenn man den Hund bedrängt und ärgert, dass er sich auch mal wehrt.


    Ich befürworte die Hundehaltung auf dem Dorf damals nicht (fast nur im Zwinger, 1 mal die Woche spazieren ...)

    Aber der sonstige Umgang - so scheint mir - war oft ein "natürlicherer". Bzw dem Verhalten des Hundes angepasst.
    Kein Hausbesitzer kam auf die Idee sich einen Jagdhund zum bewachen zu halten. Es gab dort fast nur Dorf-Schäferhunde


    Mein Papa erzählt auch, dass sein Hund nie irgendwie trainiert oder erzogen wurde (vermutlich kann er sich nicht dran erinnern)

    Die liefen halt so mit.


    Ansonsten fällt mir noch ein:

    - Kein Hund braucht einen Mantel, denn er hat ja Fell.

    - Mischlinge sind gesünder als rassehunde

    - eine Hündin muss mindestens einmal im Leben Welpen bekommen haben


    Ich glaube, das hauptsächliche Rudelgedöns kam eher von den Hundeplätzen von Hunde ausgebildet wurden.

    Beim otto-Normal-Hundebesitzer aufm Dorf - der den Hund nur zum bewachen des Hauses/Hofes hatte - war das denke ich gar nicht so Thema.
    Also weder meinen Papa noch seine Geschwister, noch deren Eltern habe ich mal irgendwas in die Richtung "Rudelführer-Regeln" sagen hören. Sowas kam dann eher von meiner Mutter - die ja nun gar nicht mit Hunden aufgewachsen ist, das wohl aber irgendwo mal gehört hat.

  • Bei uns gab es fast nur Schäferhunde, meistens Arschkrampen weil sie entweder über Wehrtrieb gearbeitet wurden oder gar nicht gearbeitet wurden und dann allen Hunden in den Hintern bissen die an ihrem Hof vorbei liefen wenn sie sich denn mal von ihrer Kette befreien konnten.


    Deswegen mag ich die heute auch noch nicht. Können die gar nichts für, aber sowas prägt.

    An einen Bernhardiner kann ich mich noch erinnern, der wurde aber auch nicht alt. Der war auch nicht ohne.

    Wir hatten einen kleinen Mischling vom Vermehrer, den Sie zum Glück irgendwann ein paar Jahre später hops genommen haben. Auslands Tierschutz Hunde gab es damals noch nicht, das Internet auch nicht. Himmel bin ich alt.

  • Erzählung einer Freundin, deren Familie vor etwa 30 Jahren einen Hund (Irish Setter) hatte: Junghund knurrt, als Freundin am fressenden Hund vorbei läuft. Rat von erfahrenen Hundlern (Schäferhund-Verein): das geht gar nicht, Hund muss "gebrochen" werden. Beim nächsten Knurr-Vorfall wurde Hund in den Garten geführt, an einen Baum gebunden, mit der Zeitung geschlagen und ne Viertel Stunde draußen gelassen. loudly-crying-dog-face


    Zum Glück hat sich die Familie mit dieser Erziehungsform schlecht gefühlt und so etwas danach unterlassen.

  • So extrem war der Unterschied in München zu heute nicht, auf die breite Masse gesehen. Stachelhalsband war schon damals, vor 30 Jahren, nicht gern gesehen unter uns Hundlern, daß sie auf dem SV oder Boxerclub häufig verwendet wurden, heißt nicht, daß sie der Durchschnittsmensch verwendet hat.

    Es gab auch schon Hundepensionen, mindestens 2 davon gibt es immer noch, es gab ca 5 Hundeschulen, die mit positiver Bestärkung gearbeitet haben und draußen auf der Straße war außer der Hunde- und allgemeinen Bevölkerungsdichte kein großer Unterschied.


    Extreme gab es schon immer, damals durfte man das Wort Alpha noch verwenden, es bedeutet ja nicht automatisch, daß man gewaltsam mit seinem Hund umgeht, heute darf man Alpha auf gar keinen Fall mehr verwenden und man verbiegt so manches im Umgang mit dem Hund so gekünstelt, daß es dem Hund mMn auch nicht mehr gerecht wird.

    In der MItte liegt die Wahrheit denke ich.

    Meine Hunde zB sind zu Hause untereinander nicht gleichwertig, Bonnie hat die Hosen an, und ist ganz einfach dominant über Chilly. Es gibt halt unter Hunden und auch in der Hund-Mensch-Beziehung HIerarchien, auch wenn der heutige Hundemensch das gerne leugnet.


    Ich fand den Umgang damals noch intuitiver und normaler. Weil es noch keine Hundeforen gab, nicht drölftausend Hundeschulen und nicht jeder Hinz und Kunz nannte sich Hundeprofi.


    Aber ich kenne auch viele, die haben schon damals getüddelt und gehätschelt und sich Gedanken gemacht.

    Was heute teuer als Barf verkauft wird, war früher oft die gängige Fütterung, man ist zum Metzger, in München ist man zum Schlachthof, hat sich die Reste, gekauft, das mit Gemüse und Kram gemischt und dem Hund gegeben.


    Man mußte noch in Läden rumfahren, wenn man gute Geschirre haben wollte oder einen Hundemantel für einen großen Hund, der Austausch untereinander fand auf der Straße statt und nicht unpersönlich im Internet

  • Die Zeitung ist ja noch harmlos.

    Am Stachler aufhängen und mit einem Knüppel verprügeln habe ich schon gesehen, und das ist erst 15-20 Jahre her.


    Spurte der Hund auf dem SV Platz nicht ging man 10 Minuten im Wald "spazieren", in der zweiten Einheit horchte der dann.


    Wohnungshunde gab es bei uns im Dorf nicht, die hatten alle einen Zwinger und spazieren gingen die Familien ohne den Hund. Der sollte ja auf das Grundstück aufpassen.



    Überhaupt wurde dem Hund in meinem Umfeld überhaupt keine Empfindungen zugestanden und von Lerntheorie hatte keiner einen Plan. Wenn der Köter nicht gehorchte wollte er den HF nur ärgern und musste einfach mehr Respekt lernen.



    Futterbelohnung war selbstverständlich ein absolutes No-Go, der Hund sollte um des Gehorchens Willen hören.

  • Ahja, da kann ich mich auch erinnern:


    Wenn der Hund in die Wohnung macht, musst man ihn mit der Nase in die Pfütze stecken


    Die gute gerollte Zeitung als Erziehungsmittel


    Ein großer Hund muss am Stachler und mit Peitsche (dicker, mehrlagiger Kurzführer aus steifem Leder) geführt werden


    Der Hund hat Kadavergehorsam zu zeigen und niemals nicht aufzumucken. Wenn der Hund beißt, muss man sofort zurück beißen. Wenn der Hund knurrt den berühmten Alphawurf (hieß nur nie so)

    Oh und unbedingt am Nackenfell Schütteln, macht die Hündin ja auch so


    Der Umgang mit dem Hund ist allgemein ruhiger, freundlicher, Partnerschaftlicher geworden. Es wird viel weniger über Gewalt gearbeitet.

    Aber: der Umgang ist auch verkopfter geworden, vieles wird kaputt gedacht, weniger intuitiv gehandelt.

    Hat alles seine positiven und negativen Seiten.

    Vor 30 Jahren hätte niemand einen Bernhardiner in der Großstadt im Wohnblock im 4. Stock in einer 2-Zimmer Wohnung gehalten. Aber ebenso hat sich niemand groß darum geschert, was in welchem Futter enthalten ist. Getreide? Fleischanteil? Steht Hund drauf, wird schon passen

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