Rüde dreht total durch

  • Hallo zusammen,


    ich habe seit ein paar Wochen ein Problem mit meinem Rüden.
    Dieser ist ca. 4 Jahre alt und hatte, als wir ihn bekommen haben, einen Hormonchip.
    Diesen hat er noch bei seinem Vorbesitzer gesetzt bekommen.


    Soweit war alles in Ordnung, aber seit ein paar Wochen treibt er mich in den Wahnsinn. Ich vermute, dass irgendwo eine Hündin läufig ist bzw. der Chip nun einfach aufgehört hat zu wirken.


    Wenn wir an belebten Wegen spazieren gehen, ist er völlig abwesend. Er rennt nur von Grashalm zu Grashalm, leckt diese ab und ist teilweise dann auch überhaupt nicht mehr abrufbar. Er ist dann in einer komplett anderen Welt.


    Sieht er andere Hunde, auch wenn diese noch 100 Meter entfernt sind, flippt er völlig aus. Er fiept, bellt und springt in die Leine. Dabei lässt er sich auch nicht mehr beruhigen. Selbst wenn ich dann in die entgegengesetze Richtung gehe, beruhigt er sich nicht. Kreuzen wir dann irgendwann den Weg, auf dem er vorher einen Hund gesehen hat, rennt er wieder total abwesend von Grashalm zu Grashalm, leckt diese ab und markiert.
    Das Ganze geht dann so weit, dass er teilweise vergisst, sein "großes" Geschäft zu machen.
    In dieser Situation habe ich ihn heute dann an die kurze Leine genommen, weil er so abwesend war, dass ich wirklich Angst hatte, er rennt mir weg.


    Zu Hause ist er ziemlich unruhig, jault teilweise wie ein Wolf und hat mittlerweile auch schon sein Futter stehen lassen.


    Die Frage ist jetzt, was soll ich tun? Was habt ihr mit euren Rüden in dieser Situation gemacht?
    Hilft ein besonders intensives Training?
    Wie soll ich mich in Zukunft verhalten? War es richtig, ihn an die kurze Leine zu nehmen (Wobei ich mir nicht sicher bin, dass er verstanden hat, warum ich das gemacht habe)?


    Hilft es, wenn ich ihn in Zukunft sein Futter wieder draußen erarbeiten lasse? Wahrscheinlich sind die Hormone stärker, oder?


    Oder hilft doch nur noch eine Kastration? Wobei das für mich wirklich der allerletzte Ausweg wäre. Aber so, wie es zur Zeit ist, kann es nicht mehr weiter gehen :( :

  • Hallo,


    ich sage gleich zu Anfang, dass ich bisher keine Erfahrung mit liebestollen Rüden habe. Meiner ist erst 6 Monate. ;) Aber ich glaube, es könnte helfen, wenn du schaust, dass du ihn in einen ruhigen und gelassenen Gemütszustand bringst. Bei Newton geht das sehr gut mit Einschränkung des Aktionsradius und warten. Ich nehme ihn dann immer zu mir, halte ihn am Halsband locker aber bestimmt fest und lasse ihn nicht weg.
    Vllt hilft das? Kastration wäre für mich auch das allerletzte Mittel.


    Lg,
    Rafaela

  • Hallo Rafaela,
    danke für den Tipp.
    Das heißt du würdest, wenn er draußen so austickt (sei es jetzt beim Schnüffeln oder wenn er einen anderen Hund sieht) einfach stehen bleiben und warten, bis er sich wieder beruhigt, und dann erst weiter gehen? Wenn er dann wieder anfängt, von Grashalm zu Grashalm zu rennen, wieder stehen bleiben?


    Ich werde es gleich heute mal versuchen, aber ich muss mir dann wohl viel Zeit für den Spaziergang einbauen :D


    Ich werde auf jeden Fall berichten.


    Hat sonst noch jemand einen Tipp? Oder Erfahrungen?

  • Auf jeden Fall an der Leine verhindern, dass er sich überhaupt an jedem Grashalm fest schnüffeln kann. Ansonsten einfach zügig weiter gehen.


    Das erst mal als erste Maßnahme direkt IN der Situation.


    Zuhause würde ich dann ein gutes Abbruchsignal aufbauen und im Bereich der Frustrationstoleranz viel üben, also erst mal Geduld und Abwarten beibringen.


    Zusätzlich würde es sicher helfen, wenn der Hund eine Aufgabe bekommt bzw. gearbeitet wird, so dass ich sich dort seine Glückshormone holen kann.


    Insgesamt ist es manchmal auch hilfreich, Zuhause erst mal grundlegende Hausstandsregeln zu etablieren und den Hund deutlich mehr zu strukturieren.


    Ich bin durchaus der Meinung, dass man Rüden auch im Sexualverhalten beeinflussen und führen kann. Ist halt einiges an Arbeit.


    Eine Kastration würde ich nur in Betracht ziehen, wenn er abnormales Sexualverhalten zeigt.

  • Moin,


    Du siehst ja jetzt den Unterschied zu vorher/nachher deutlich. Ich gehe mal davon aus, das der Vorbesitzer sich mit dem Setzen des Chips durchaus etwas gedacht hat?


    Klar, vieles kann man durch Training in den Griff bekommen.... manches nicht. Da gibt es Hunde, bei denen ist echt Dauerstress angesagt. Mein Diego war so einer, war hier in der Nachbarschaft eine Hündin läufig, sag er von morgens 4 Uhr bis nachts 23 Uhr schmutzige Lieder und mein Althund (der damit immer gut umgehen konnte) sang mit, ich bin schier durchgedreht - da half nichts. Jede offene Tür wurde zum Fluchtpunkt, jede sich vielleicht öffnende Tür zum Anbetungswürdigen Gegenstand.


    Draußen nur sabben und jeder andere Rüde war ein potentieller Feind, Diego war da sehr speziell und ich hab den Chip setzen lassen um zu sehen, wie er sich verändert - durchweg positiv. Denn Ansprechen ging auch kaum mehr...... wir haben uns aus diesem Grund für eine Kastra entschieden, uns hat es gut getan, Diega war danach der gleiche, freundliche, quirlige Hund, aber entstresst - deutlich entstresst. Jetzt wollte er spielen, nicht pöbeln. Das war entspannend.


    Und als mein Althund dann Dement wurde und nur noch sexuell orientiert durch die Gegend rannte, hat auch er noch einen Chip bekommen, einfach weil sein Stresspotential derartig hoch war, das man ihm anmerkte, das es ihm nicht gut ging. Konnt kaum mehr denken, wollte aber auf alles drauf, egal was, ein Schaf hätte er auch noch genommen. :headbash:


    Kannst Du den Vorbesitzer mal fragen? Es wird ja eine Entscheidung dazu geben? Ich würde, wenn mein Hund nicht mehr frisst und seien Geschäftchen erledigt, vor lauter Anspannung und Stress, ernsthaft darüber nachdenken.


    Sundri


  • Ja. Also das geht natürlich nur an der kurzen Leine. Wobei meiner zum Beispiel an der kurzen Leine gar nicht schnuppern darf. Er darf sich einmal am Anfang des Spaziergangs auf seiner "Pipi-Wiese" lösen und dann wird nur noch bei Fuß gelaufen. Und zwar ausnahmslos für den gesamten Rest des Spaziergangs. Kein Schnuppern, kein Markieren, kein Kontakt zu anderen Hunden oder Menschen. Das mag sich jetzt ein bisschen streng anhören, aber unsere Spaziergänge sind so total entspannt und Gelegenheit zum Schnuppern etc. bekommt er ja auch einmal täglich im ausgiebigen Freilauf-Spaziergang. Ich achte zum Beispiel auch drauf, dass schon die Vorbereitung des Spaziergangs ruhig abläuft, also dass er nicht in helle Aufregung gerät, wenn ich mir die Schuhe anziehe, die Leine nehme, etc. Und bei mir heißt "Tür auf" auch nicht "Juhu, los geht's, ich stürme raus." "Tür auf" heißt einfach nur "Tür ist auf." Raus darf er erst, wenn ich es erlaube.



    In deinem Fall würde ich jetzt vllt erstmal auf Freilauf verzichten und nur noch an der kurzen Leine gehen, bis er sich allgemein ein bisschen runtergefahren hat. Wenn er vorprescht, stehen bleiben und warten bis er sich beruhigt hat und erst wenn er dich anschaut, geht es weiter. Dabei würde ich darauf achten, dass du dich beim Stehenbleiben nicht bewegst. Der Blick muss aktiv von ihm kommen und darf keine Reaktion auf eine Bewegung deinerseits sein. Am Anfang kann es durchaus sein, dass es lange dauert bis der Blick kommt. Ich stand schon 10 Minuten in den Reben... Wichtig noch: Wenn der Blick kommt, loben und eventuell ein zwei Schritte rückwärts machen, dass er sich wieder auf dich zu bewegt.


    Viel Erfolg beim Training.

  • Hm, entweder er gehört zu den hypersexuellen Hunden und bekam deshalb den Chip, oder er hatte die ganze Zeit einen Chip und muss erst lernen mit dem Hormonchaos umzugehen. Verspätete Pubertät sozusagen.
    Nur Vermutungen.

  • Ich hatte das gleiche Problem mit meinem Rüden: Draußen nicht ansprechbar, drinnen sehr unruhig, ausrasten bei Hundesichtungen und außerdem hat er auch wie verrückt alles gerammelt, was ihm in die Quere kam. Dieser Hormonoverkill ist für einen Rüden sehr unangenehm und stressig. Meiner hat in zwei Monaten knapp ein Kilo abgenommen (von 5,6 kg auf 4,7 kg) und er war nur noch ein jaulendes, sabberndes, markierendes Häufchen Elend. Ich habe mich dann auch für diesen Chip entschieden und siehe da: Mein Hund hat wieder zugenommen, er ist wieder ansprechbar draußen und hat endlich wieder Lebensfreude. Verabschiede dich von dem Gedanken, dass du gegen die Natur antrainieren kannst und setze dich mit dem Thema Kastration auseinander. Ich wollte meinen eigentlich auch nie kastrieren lassen, doch nachdem ich gesehen habe, wie es ihm diesen Sommer ging ist Kastration glaube ich noch das kleinere Übel.

  • Über den Chip muß man wissen, daß am Anfang der Wirkung die eigenen Geschlechtshormone des Hundes plus die künstlichen des Chips zusammen wirken und für einige Wochen eine doppelte Wirkung entfalten, solange bis die Produktion der eigenen Hormone eingestellt wird und der Chip seine beruhigende Wirkung entfaltet. In diesen Anfangswochen ist der Rüde sozusagen doppelt hormongeflutet und damit doppelt anstrengend.


    Bei einigen Hunden geschieht dasselbe beim Abklingen des Chips. Der jetzige Zustand ist also höchstwahrscheinlich nicht das Bild, das der Rüde im unkastrierten Zustand bieten würde. Es kann durchaus 4 bis 6 Wochen dauern, bis der eigentliche Normalzustand wieder da ist. Erst dann solltest du entscheiden, wie du weiter vorgehen willst. Bis dahin ist einfach Management angebracht, und eine Beratung beim TA ist sicher nicht verkehrt. Bei kleineren Hunden und je nach dem Ausmaß der eigenen Hormonproduktion kann die Wirkungsdauer des Chips und die Dauer des Abklingens sehr variieren.


    Dagmar & Cara

  • Ich kenne das auch von meinem Mr Pieps. Ich hab ihn schnell kastrieren lassen, ich konnt nicht zusehen, wie er so leidet. 2 Wochen nach der Kastration war er ein ganz normaler fröhlicher Hund.


    Es gibt Rüden, die sind vom Grundcharakter her "souverän", es gibt Rüden, die lassen sich super erziehen und können lernen, mit ihrem Hormon-Chaos umzugehen, aber es gibt eben auch die, die dann alles ausblenden, nicht mehr fressen wollen und derart neben sich stehen, dass ein normaler Alltag unmöglich ist... Für solche Hunde ist eine Kastration dann wohl eher ein Gefallen und langfristig in Bezug auf den Stress (Stress kann sehr belastend sein, auf Dauer auch krank machen) würde ich in diesem Fall sogar sagen, dass die Kastration gesundheitlich begründet ist.

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