Warum nicht mehr Herdenschutzhunde?

  • Nebenher bemerkt, zum Thema Akzeptanz: Was hab ich hier - auf dem Land und mit reichlich Gehmöglichkeiten in der Nähe - Leute schon wettern hören, wenn eine gängige Gassirunde auf einmal wg. Schafen abgesperrt war. Und auch Wanderschäfer greifen unter Umständen zu HSH, wenn ihnen immer wieder unangeleinte Hunde die Herde aufmischen.


    Die immer weiter ausgebaute Infrastruktur erschwert es. Als Fulltimejob hast Du umgerechnet einen Stundenlohn, der jeder Mindestlohndebatte Hohn spricht. Witterungsverhältnisse wie dieses Jahr können schnell die Existenz vernichten ...


    Und das nur, damit man sich in artgerecht bewirtschafteten Gegenden nicht mit der Anwesenheit von HSH auseinandersetzen muss? Ich verstehs nicht.

  • Wenn dieser Thread hier auch gleich noch etwas Aufklärung über HSH im Einsatz betreibt, hier mal noch 2 Videos von meinen - das benötigte Kennwort ist Kangal, Ton etwas lauter bei dem Treckervideo und auf Vollbild stellen, sonst erkennt man nix.


    Da sieht man ganz gut die grundsätzliche Arbeitsweise von HSH. Landmaschinen, die bei der Feldbearbeitung parallel zum Zaun arbeiten, interessieren die Jungs nicht sonderlich, aber in den Momenten, in denen die Höllenmaschine frontal auf den Zaun zukommt dann schon. Man sieht das rasche Umschalten vom Agier-Modus auf den Beobachtungsmodus, wenn das Ding sich wieder in die richtige Richtung bewegt und man sieht auch, wie sie quasi gelangweilt wegschlendern, als der Trecker wieder weit genug weg ist und keinen Blödsinn mehr macht. Wie Topfschlagen - und so ist das bei nahezu allen üblichen Umfeldreizen auch.


    [Externes Medium: https://vimeo.com/290876027]


    Der Landwirt kennt die Hunde und versteht die Arbeitsweise, deshalb hat er da kein Problem mit
    .


    Und hier noch ein "Hundetest".
    Ich laufe da mit einem Papier-Malerkittel und Sturmhaube verkleidet und
    mit dem berühmten Raumspray von anno tuc eingenebelt einfach den Zaun
    lang, schaue nicht auf die Hunde sondern vorwärts-abwärts auf den Weg.
    Die Kamera halte ich seitlich.
    Kennwort Kangal.


    [Externes Medium: https://vimeo.com/291345310]


    Man sieht ein paar Gesten, die zeigen, dass sie das etwas merkwürdig finden, das Gähnen, das Wegschauen zwischendurch, aber so sieht es grundsätzlich aus, wenn jemand einfach da vorbeigeht, sich neutral bis freundlich verhält (manche sprechen auch mit den Hunden), keine Anspannung (Angst oder vorm "Angriff") zeigt und keine merkwürdigen Aktionen macht.
    Und auch da sieht man wieder das rasche Umschalten zur Äktschn und das rasche wieder runterfahren, wenn ich mich wieder normal benehme.


    Mit Begleithund sieht das gänzlich anders aus - da reagieren sie vehement. Wir haben hier aber auch nicht viele Hundespaziergänger, manchmal sehen sie mehrere Wochen am Stück keinen Fremdhund.
    Als einmal ein alter tüdeliger Hundeopi in die mit Glattdraht eingezäunte Fläche eingedrungen ist, haben sie ihn gestellt, nicht weiter auf die Fläche gelassen und ihn ziehen lassen, als er wieder durch den Zaun rausgeschlüpft ist.


    Das sind keine Killer, keine Bestien, sondern Hunde mit klarem Auftrag und sehr gutem Differenzierungsvermögen.


    LG, Chris

  • Äh ist wer dabei Irish Terrier ein Rucksäckchen und einen Schlafsack und natürlich ne Powerbank zu sponsern, wenn sie dafür die nächsten sechs Monate mit nen paar Schafen wandern geht? =) Und danach reden wir nochmal über Theorie und Wirklichkeit?

    nein, das sollen doch die anderen machen :lachtot:

  • Ich kann den Zwiespalt zwischen (Wander-/Alpen-)Tourismus und Herdenschutz da ein bisschen verstehen - für mich sind Gebiete, in denen HSH frei an Herden laufen und das Mitführen eines eigenen Hundes beim Wandern verboten ist (oder wo stark davon abgeraten wird), als Urlaubsziel auch gegessen. Ganz platt gesagt: Ich fahr' nicht mit meinen sparsam bemessenen Urlaubstagen irgendwohin, um meinen Hund dann in der Ferienwohnung sitzen lassen zu müssen, während ich wandern gehe. Dass es da Spannungen gibt und z.B. Tourismusverbände aus diesem und anderen Gründen da auch skeptisch mit Herdenschutz-Maßnahmen sind, kann ich vom Grundgedanken her schon verstehen.


    Aber auf der anderen Seite sehe ich mit zunehmendem Wolfsaufkommen da auch einfach keine tierfreundlichen Alternativen zu genau solchen Maßnahmen. Ich will beispielsweise Fleisch und andere tierische Produkte aus artgerechter Haltung und nicht aus Massentierhaltungshallen kaufen - dann müssen diese Schafe, Kühe, etc. aber auch irgendwo draußen stehen - und entsprechend geschützt werden.


    Und für mich heißt das dann konsequenterweise eben, dass ich mich informiere, wie ich mich mit meinem Hund beim Spaziergang richtig verhalte, wenn auf den Flächen hier in der Umgebung HSH im Einsatz sind. (Jetzt hab' ich das Glück, dass wir in Nds. ja keine frei agierenden HSH vergleichbar mit so einer Alm haben und die "Einschränkung" meinerseits ja wirklich nur aus der Beachtung von ein paar vernünftigen Verhaltensregeln besteht, man aber die Wanderwege z.B. ganz normal weiter nutzen kann.)


    Aber, wie gesagt, auch wenn ich Skepsis ggü. HSH verstehen kann - langfristig sehe ich da einfach keine Alternative und die Menschen werden lernen müssen damit umzugehen und ihr Verhalten (hoffentlich) entsprechend anpassen müssen. Wenn's nur noch kommerzielle Tierhaltung in (wolfssicheren, weil dauerhaft 'indoor') Massenbetrieben und Hobbyhaltung gar nicht mehr gäbe, fände ich das wirklich übel.

  • Ja, möchte ist und ist als Tierwirt in der Schäferei auch nicht unüblich. Davon mal ganz ab wird genau dies auch stattlich unterstützt da man in den Bereich der Landschaftspflege geht.


    Bedeutet allerdings auch, dass man dann seine Komfortzone verlässt.

    schade das Du so auf diesen Standpunkt beharrst und alle, durchaus schlüssigen Argumente, abprallen lässt. Fällt es Dir so schwer nachzuvollziehen warum „Wanderhirt“ zu sein im Heute keinen Sinn mehr macht? Warum es eine Abkehr von diesem Beruf gab?
    Geht es Dir nur darum zu sagen „lalalalala mir doch egal was ihr erzählt, es ist so wie ich es sage“ ?


    Du kommst hier mit gefährlichen Halbwissen und ignorierst völlig, dass hier Nutztierhalter unter uns sind die das täglich leben - aber Du bist schlauer und die Nutztierhalter nur bequem?
    Du meinst also Nutztierhalter X, der einen Schafbetrieb (ich nenn das mal so) hat sollte morgen zu seiner Frau und drei Kleinkindern sagen „der Papa ist dann mal paar Wochen weg, Schafe hüten. Ihr macht den Hof, ne!?“


    Du bist wirklich fernab jeder Realität diesbezüglich.

  • Ganz ehrlich... ich würde mir ziemlich in die Hose machen...

    Warum?


    Deine Antwort hilft ja vielleicht, die Aufklärung noch zu optimieren.




    Hier mal noch eine ganz andere Facette von HSH im Einsatz - die Bindungsarbeit mit ihren Herdentieren, wahlweise auch "Szenen einer Ehe mit schlechtgelaunter Kuh" :lol: - sowas nimmt der normale Wanderer gar nicht wahr, das ist aber ein essentieller Teil der Arbeit mit HSH.



    Auch Bindungsverhalten - Kennwort Kangal:

    [Externes Medium: https://vimeo.com/259307924]


    Beide Tierarten leisten da ganz Enormes - ihre Kommunikation ist vollkommen verschieden, Rinder kennen kein "sich ergeben", der Unterlegene muss weichen - die HSH haben die empathischen Fähigkeiten, "Fremdsprachen" zu lernen, quasi mit eingebaut, Rinder jetzt nicht so, für die ist das noch viel schwieriger.
    Sich überhaupt fremdschützen zu lassen, ist für ein Rind eine enorme Leistung.


    So etwas sehen Aussenstehende gar nicht, deshalb fehlt so oft einfach die Wertschätzung für das, was die Hunde alles leisten.


    LG, Chris

  • Das Problem ist doch, dass man heutzutage von einer Schafherde erst ab ein paar hundert Tieren leben kann. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein sehr sehr großer Anteil der Schafe und auch der Landschaftspflege im Nebenerwerb oder als Hoby gehalten werden.


    Ich habe über den Sommer ca. 50 Schafe. Das ist Hobby! Geld bringt es mir deffinitiv nicht.
    Also arbeite ich 45 Std/Woche, versorge meine Hunde und bin zusätzlich tgl 1 Std damit beschäftigt die Schafgruppen zu kontrollieren, Wasser aufzufüllen und Zäune weiterzustecken. Am Wochenende werden dann Klauen geschnitten, Lämmer entwurmt, Schafe sortiert etc. alles was eben dauert.


    Halter wie ich müssten ihre Schafe schlichtweg abschaffen, wenn man sie durchs Hüten satt bekommen sollte. Man muss den Schafen 6-8 Stunden am Tag Zeit geben zu fressen. Das heißt jeden verdammten Tag 6-8 Stunden draußen stehen. Wenn sie dann nachts in den Stall müssen (weil ich ja auch mal schlafen muss), kommt dazu der Triebweg zur Weide und zurück, also eher 7-9 Stunden.
    Koppelschafhaltung aus Bequemlichkeit??? Nein, bestimmt nicht. Es geht einfach nicht anders. Früher gab es für die Kleinhalter im Dorf den "Geißenpeter", da wurden alle Schafe und Ziegen morgens eingesammelt und abends zurück auf die Höfe verteilt.
    Vielleicht wäre das ja ein Job für @Irish Terrier ? Ich glaube aber nicht, dass man in dem Job viel verdient - aber hey, nur nicht so bequem.

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