Frust und Liebe - Leben mit schwierigem Hund?

  • Hallo zusammen,


    ich bin neu hier im Forum und bin hier gelandet, weil ich Rat suche. Mein Hund Neo wohnt seit 4 Jahren bei mir, er kommt aus dem Ausland und kam mit seinen drei Geschwistern nach Deutschland, wo ich ihn aus dem Tierheim adoptiert habe. Er wurde dort aber schon von seinen Geschwistern getrennt, weil diese ihn gemobbt haben und naja, es ist mein erster Hund (außer Familienhunde) und ich war sehr überfordert und wollte alles richtig machen. Wir waren in der Hundeschule und haben als die Probleme angefangen haben einen Hundetrainer hinzugezogen. Die größten Probleme waren Unsicherheit und Hyperaktivität. Er hatte wirklich vor allem Angst. Mülltüten die an einem Gartenzaun hingen, Tetrapack-Packungen am Wegesrand, Geräusch aller Art, Autofahren und und und. Das meiste haben wir in den Griff bekommen. Ich habe mich viel mit Körpersprache und Kommunikation bei Hunden auseinander gesetzt und ihn immer besser verstanden und an Dinge ran geführt. Mittlerweile können wir gut Spazieren gehen ohne, dass er Angst hat. Lediglich Hundebegegnungen sind schwierig, Hunde die er kennt liebt er, aber fremde Hunde sind ihm sehr unangenehm. Wenn wir gut im Training sind und keinen Rückfall hatten, was eigentlich 95% der Zeit so ist, dann bellt er andere Hunde bei Sichtung nicht an, was schonmal ein großer Erfolg für uns ist. Was aber noch gar nicht geht und was mir wirklich am meisten Sorgen macht, ist, dass er einfach total Angst in manchen Situationen vor mir hat. Er macht dann auch immer unter sich, weshalb ich ihn nirgends mit hin nehmen kann. Manchmal wenn ich nach Haus komme - oh ja Alleinsein mussten wir auch montatelang üben, klappt jetzt aber gut - dann freut er sich dass ich da bin, wedelt und freut sich richtig und wenn ich ihn anschaue (nur schauen, kein drüber-bücken oder sonstiges), dann duckt er sich weg und macht unter sich. Keine 30sec später läuft er wieder freudig durch die Gegend und ist glücklich, dass ich da bin, wenn ich ihn dann wieder anschaue wiederholt sich das Spiel. Das verletzt mich wirklich sehr. Wir haben eigentlich eine tolle Bindung, er hört auf mich, bleibt in meiner Nähe, kommt zu mir, wenn er Angst hat usw. aber manchmal scheine ich ihm richtig Panik zu machen. Da könnte ich weinen und aufgeben. Das ist unser eines und größtes Problem. Das zweite ist, dass er sehr nervös ist und - glaube ich - alles kontrollieren und im Griff haben will. Sind wir 5 Minuten an einem Ort, meldet er alles und bellt, wenn er was "auffälliges" sieht. Wenn ich mal gemütlich an See zum baden gehen will, muss ich meinen Hund zu hause lassen :( Er scheint irgendwie nicht zu glaube, dass ich das schaffe oder ist er einfach territorial? Auch zu Haus bellt er dauernd, wenn er was hört. Er glaubt immer sich um alles kümmern zu müssen.


    Das tragische ist wirklich, dass er zu mir eine tolle Bindung hat (oder kontrolliert er nur?) und ich ihn auch abgöttisch liebe, aber es ist seit ich ihn habe glaube ich noch kein Monat vergangen an dem ich nicht wegen ihm geweint hätte. Ich bin überfordert und weiß nicht weiter. Habe mich viel mit Hundeverhalten auseinandergesetzt, kenne seine Sprache, weiß was die Bindung stärkt (wir tun viel Kontaktliegen und Spielen usw.) und ich bin ich immer vorausschauend um ihm zu zeigen, dass ich alles im Griff habe.


    Naja in letzter Zeit mache ich kaum mehr was mit ihm außer Gassi. Früher haben wir oft getrickst, aber es macht mich einfach so traurig, wenn er Panik bekommt. Ich kann gar nicht richtig mit ihm üben - zumindest in der Wohnung - weil wenn er merkt, dass er was falsch macht oder nicht versteht was ich von ihm will, dann ist er sofort total unterwürfig und duckt sich weg. Klickern funktioniert oft ganz gut, aber da dreht er dann irgendwann so hoch, dass das auch nicht geht.


    Ich weiß, dass ich vermutlich hier was falsch mache, ist ja bei Problemhunden immer so, vermutlich gebe ich ihm zu wenig Führung oder so? Er gibt klare Regeln bei uns und die versteht er auch und führt sie auch aus. Habe das auch immer positiv aufgebaut und bin auch immer deutlich, bestimmt und konsequent. Mal so und mal so gibt es bei uns nicht, da mir schon klar ist, das ein Hund das nicht verstehen kann. Ich bin einfach nur total traurig, dass ich ihm scheinbar kein glückliches Leben ermöglichen kann und auch, weil ich mir das total anders mit Hund vorgestellt habe. Es war immer mein großer Wunsch einen Hund zu haben und jetzt ist es so ganz anders als erwartet. Vor kurzem hat sich ein Freund einen Hund geholt - zwei Jahre alt aus dem Tierheim - und der ist immer entspannt, hat bisher vielleicht zwei Mal gebellt und ist nach zwei Wochen stubenrein gewesen. Da kommen mir einfach die Tränen und ich frage mich was ich falsch gemacht habe. Das wünsche ich mir einfach auch so sehr. Aber ich liebe meinen Hund und ihn abzugeben um es mit einem neuen zu "versuchen" kommt auch nicht in Frage, ich verstehe ich ja schon als Teil der Familie und liebe ihn, aber irgendwie habe ich nur Frust und bin traurig.


    Weiß gar nicht so recht was meine Frage ist. Was würdet ihr tun? Hattet ihr mal eine ähnliche Situation mit einem Hund und wie habt ihr sie aufgelöst?


    Liebe Grüße,
    Nelke

  • Die größten Probleme waren Unsicherheit und Hyperaktivität.

    Zuerst einmal ein großes Lob, dass du dir einen Hund aus dem Tierheim angeschafft hast um ihm ein zu Hause zu geben. Aber ich wäre jetzt nicht so streng mit dir. Beachte, dass der Hund schon vor dir vermutlich Dinge erlebt hat, die ihn zu dem gemacht haben die er sind. Sie sind nicht wegen dir entstanden. Mein Freund, bzw seine Mutter hat auch einen Hund aus dem Tierheim geholt, und obwohl er meinen Freund gut kennt, ergreift ihn auch die Angst manchmal wenn er ihn sieht. Spontan, aus dem Nichts. Dieser Hund wurde vermutlich auch misshandelt, weswegen er nicht einfach alle "Blockaden" und Instinkte einfach fallen lassen kann.


    Manchmal sind die Dinge etwas schwieriger, und auch du solltest dir hierbei etwas Zeit lassen. Nimm es nicht so schwer, dass er hier und da nicht mit kann. Ich bin kein Experte, aber wenn du emotional wirst, so spürt das der Hund und wird zusätzlich unsicher. Baue doch erst darauf auf was funktioniert, und konzentriere dich nicht zu sehr auf das was nicht funktioniert. Dadurch wirst du nicht traurig und wenn du guter Laune bist, so wird es auch dein Hund merken.


    Auch ich habe einen Hund der sehr nervös werden kann und aus Unsicherheit nicht nur bellt, sondern manchmal auch beißt. Mir hat sehr viel die geholfen, da auch das Ruhen, Schlafen, Entspannen manchmal angelernt werden muss. Mit der Leine, hast nicht nur du als Mensch die Kontrolle, sondern kannst auch Entspannung vermitteln. Anfangs war es bei mir schwer, weil mein Hund nicht wollte, dass ich die Kontrolle übernehme. Beim sanften Anlegen der Leine, wurde nach mir geschnappt. Mittlerweile aber, freut sich der Hund wenn er die Leine sieht. Er weiß, dass das nun Sicherheit bedeutet. Hin und wieder, wenn er bockig ist, ist er unzufrieden in den ersten 5 Sekunden. Danach liegt die Leine locker an meinem Handgelenk und der Hund folgt mir ohne Spannung zb zum Schlafplatz.


    Wichtig wäre nicht nur das Tricksen, aber auch Kopfarbeit. Ich habe hierfür einen Dummy gekauft, und habe Trockenfutter reingelegt. Der wird in der Wohnung versteckt, und der Hund muss danach suchen. Ich habe bemerkt, dass das den Hund sehr entspannt. Wäre eventuell einen Versuch wert?


    Ich kann meinen Hund auch nicht überall mitnehmen, aber das ist auch gut so. Ich nehme ihn zb nirgendswo mit wo kleine schreiende Kinder unterwegs sind, weil ihm das im aktuellen Trainingsfortschritt nicht weiterbringen würde. Auch zu anderen Leuten gehe ich aktuell mit ihm noch nicht hin, weil sich diese oftmals an meine Anweisungen zum Hund nicht halten. Man kann einen ängstlichen nervösen Hund nicht einfach anfassen, anbellen und was sich sonst noch einige Personen einfallen lassen... Der Hund ist in dem Moment wichtiger. Also wird er vorerst geschont, und es werden Leute höchstens zu mir eingeladen, wo er bei sich ist und ich größere Kontrolle über die Situation habe.


    Manchmal muss man einige Dinge erst ausprobieren, bis es "Klick" macht. ;-) Das allerwichtigste ist doch, dass es dem Hund körperlich gut geht, und du auch für seine mentale Gesundheit alles tust. Aber erzwingen kannst du nichts. Eine emotional geschädigte Person, kannst du auch nicht dazu überreden auf einmal "ok" zu sein. Es braucht halt seine Zeit. Vor allem wenn eine Vorschädigung vorhanden ist.

  • Ich bin nicht sicher;
    hat sich die Situation verschlechtert oder siehst Du nur keine weiteren Fortschritte?


    Als Max zu mir kam, hat er sich um meine Beine gewickelt, bei losem Laub, dass gerachelt hat.


    Vieles hat sich super entwickelt.
    Manches ging nie.


    Zum Baden hätte ich ihn nie mitnehmen können.
    An der Ostsee war ich früh halb sechs mit ihm schwimmen, wenn keiner da war.
    Waren tolle Spaziergänge bei Sonnenaufgang :D


    Es ging nur mit ausgewählten Hunden....


    Ich musste einfach 8 Jahre lang vieles managen, was andere Hundehalter gar nicht wahrnehmen.


    Ich musste mich einfach von der Idee verabschieden, einen normalen Begleithund zu haben.


    Wenn sich die Situation eher verschlechtert, kannst Du ja nochmal einen neuen Anlauf nehmen.
    Es gibt inzwischen viele auf Verhaltenstherapie spezialisierte Tierärzte.
    Es gibt auch vieles was man über Fütterung mildern kann oder über den Hormonstatus.
    Dazu gehört aber eben erst ein Gesundheitscheck.


    Weder Du noch der Hund müssen funktionieren oder fremden (ideal) Vorstellungen genügen.


    Liebe tut immer auch weh
    Egal ob Tier oder Mensch.


    Achte auf Dich selbst und mach dir schöne Erlebnisse ohne den Hund.
    Das hilft letztlich auch ihm


    Viel Kraft!

  • Uiui! :streichel:
    Ich antworte mal portiönchenweise.

    Das meiste haben wir in den Griff bekommen. Ich habe mich viel mit Körpersprache und Kommunikation bei Hunden auseinander gesetzt und ihn immer besser verstanden und an Dinge ran geführt. Mittlerweile können wir gut Spazieren gehen ohne, dass er Angst hat

    Suuuper! :applaus:
    Das war sicher ein sehr weiter Weg! Bei einer solchen Vorgeschichte ist ein riesen Erfolg! :respekt:

    Lediglich Hundebegegnungen sind schwierig, Hunde die er kennt liebt er, aber fremde Hunde sind ihm sehr unangenehm.

    Zu dem Thema schau doch mal hier rein:
    Austausch: Halter mit (vollständig) unverträglichen Hunden

    Wenn wir gut im Training sind und keinen Rückfall hatten, was eigentlich 95% der Zeit so ist, dann bellt er andere Hunde bei Sichtung nicht an, was schonmal ein großer Erfolg für uns ist.

    Ja, das ist ein großer Erfolg! :respekt:
    Wie habt ihr das gemacht?

    Was aber noch gar nicht geht und was mir wirklich am meisten Sorgen macht, ist, dass er einfach total Angst in manchen Situationen vor mir hat.

    Damit hab ich so keine Erfahrung.
    Ich würde da sehr behutsam vorgehen.
    Ich rufe mal @Cindychill, sie ist großartig im Umgang mit Angsthunden.

    Alleinsein mussten wir auch montatelang üben, klappt jetzt aber gut -

    Ihr habt enorm viel geschafft!! :bindafür:
    Sei stolz auf euch! :applaus:

    Wenn ich mal gemütlich an See zum baden gehen will, muss ich meinen Hund zu hause lassen Er scheint irgendwie nicht zu glaube, dass ich das schaffe oder ist er einfach territorial? Auch zu Haus bellt er dauernd, wenn er was hört. Er glaubt immer sich um alles kümmern zu müssen.


    Ich kann hier bisher nichts terriotoriales heraus lesen.
    Er scheint mir einfach furchtbar unsicher. :verzweifelt:
    Er muss aber doch garnicht mit zum Baden, oder? :bussi:
    Ich würd mich auf das konzentrieren was er kann, was du davon gern mit ihm machst und das geniiiießen! =)
    Du liebst ihn! Ihr seid zusammen! :herzen1:
    Das ist doch ein Glück! :bussi:
    Ihr könnt spazieren gehen, ohne Angst. :respekt: Das ist etwas wunderbares und auch etwas worauf er und du stolz sein könnt.
    Ihr habt das geschafft!
    Nichts ist euch zugefallen und ihr könnts jetzt. :bindafür:
    Ihr seid toll! :bussi:
    Hey!!
    Wieso auf die Probleme konzentrieren? :???:
    Und das bei so viel Erreichtem!!

    es ist seit ich ihn habe glaube ich noch kein Monat vergangen an dem ich nicht wegen ihm geweint hätte.

    Das tut mir leid! :verzweifelt:
    Das ist mir nicht unvertraut.
    Tu dir etwas Gutes! Gönn dir etwas, mit oder ohne dein Hundi. Viel, viel öfter!!
    Für mich macht es dich zu einer Heldin, was du durchgestanden hast.
    Jetzt sei gut zu dir! Und feier deinen Helden-Hund! Denn auch er hat enormes hinter sich gebracht, enorm viel Mut gezeigt.
    Das verdient einfach große Anerkennung.

    Früher haben wir oft getrickst, aber es macht mich einfach so traurig, wenn er Panik bekommt. Ich kann gar nicht richtig mit ihm üben - zumindest in der Wohnung - weil wenn er merkt, dass er was falsch macht oder nicht versteht was ich von ihm will, dann ist er sofort total unterwürfig und duckt sich weg. Klickern funktioniert oft ganz gut, aber da dreht er dann irgendwann so hoch, dass das auch nicht geht.

    Wenn du ihn wirklich nie absichtlich eingeschüchtert hast, denk ich er gibt viel zu viel auf deine Meinung. ;)
    Er spürt deine Erwartung und ist ein Nervenbündel. Das ist keine gute Kombination. :verzweifelt:
    Versuch mehr loszulassen. Meinst du das geht?


    Ich hab auch einen Hibbelhund. Wenn er hochzudrehen beginnt, gibt es einen Moment der Ruhe. Bis er klarkommt. Wenns aber bei euch nicht geht, was ich nicht beurteilen kann, gehts halt nicht. Muss es ja auch nicht.
    Ihr müsst nur ein schönes Leben haben, einander genießen. Dafür brauchts keine Tricks. :smile:
    Ich glaub, ihr braucht vor allem Entspannung. :dafuer:
    Er braucht Gewißheit so geliebt zu werden wie er ist, keine Enttäuschung zu sein, egal was er kann oder auch nicht
    und du eine andere Perspektive. :bussi:
    Eine viel positivere, viel stolzere, viel anerkennendere dir und ihm gegenüber und eben Ruhe.
    Zu diesem Themenbereich gibts hier auch einen tollen Thread: Unsere Hibbelhunde - schneller, höher, weiter!



    Es war immer mein großer Wunsch einen Hund zu haben und jetzt ist es so ganz anders als erwartet.

    Ja, so ist das.
    Und du liebst ihn. :smile:

    Vor kurzem hat sich ein Freund einen Hund geholt - zwei Jahre alt aus dem Tierheim - und der ist immer entspannt, hat bisher vielleicht zwei Mal gebellt und ist nach zwei Wochen stubenrein gewesen. Da kommen mir einfach die Tränen und ich frage mich was ich falsch gemacht habe. Das wünsche ich mir einfach auch so sehr.

    Aber du hast einen anderen Hund, deinen Hund. :bussi:

    irgendwie habe ich nur Frust und bin traurig.

    Das liegt nicht an ihm.
    Vielleicht kann er dir daraus helfen. Aber das ist ein anderes Thema. :verzweifelt:

    Was würdet ihr tun? Hattet ihr mal eine ähnliche Situation mit einem Hund und wie habt ihr sie aufgelöst?

    Ja, hatte ich. =)
    Schau doch mal in den von mir verlinkten Threads, da findest du viele Menschen, die ähnliche Probleme hatten und ihre Geschichten.
    Es kann ganz wundervoll werden!
    Versprochen! :streichel:


    Ich verlink dir auch noch einen Thread zu einem Thema, was ihr schon gelöst habt: Lonely Barkers - die Alleinbleib-Selbsthilfegruppe
    Auch der könnte mMn sehr lohnend für dich zu lesen sein.

  • Ich habe auch so eine Schissbuxe und er ist wie er ist. Ja manchmal nervt es das man ihn nicht überall mitnehmen kann, das er mal wieder Panik schiebt oder nervös ist. Aber er ist ja trotzdem ein toller Hund. Ich kann immer wieder nur raten sich nicht zu viel daran festzuhalten was der Hund nicht kann, sondern an dem was er gut macht. Wenn man sich immer auf der Problemverhalten konzentriert wird man selbst angespannt und unsicher, das merkt auch der Hund.


    Überlege Dir zuerst :


    - was findest du toll an deinem Hund ?


    - was macht er gut ?


    - was macht er gerne und woran hat er Spaß ?


    Denke auch an die ganz kleinen Dinge, zusammen im Gras sitzen, Rehchen kucken, schnüffeln, Leckerlies suchen. Da kommt sicher eine Menge zusammen. Und darauf kannst du aufbauen.

  • Weder Du noch der Hund müssen funktionieren oder fremden (ideal) Vorstellungen genügen.

    Dieser Satz gefällt mir ebenfalls extrem gut! Heute stellt man sich vor, dass der Hund überall mitkommen kann/soll/muss, JEDEN akzeptieren soll und eigentlich immer nur "ja" sagen soll.


    Aber ganz ehrlich? Klingt das nicht bereits utopisch? Kommt man den selber mit allem und jedem zurecht? Ich persönlich nicht. Wieso sollte das mein Hund müssen?


    Aussagen wie "Der Hund leidet wenn er ...... nicht machen kann", halte ich persönlich auch für überbewertet und sehr subjektiv zumal, sehr viele Personen MEINEN Hund nicht kennen und nicht einschätzen können was er braucht und was nicht. Das kann nur ich.

  • Was aber noch gar nicht geht und was mir wirklich am meisten Sorgen macht, ist, dass er einfach total Angst in manchen Situationen vor mir hat.

    Das kenne ich. Mein Rüde Diego ist vor 7 Jahren als Einjähriger zu uns gekommen mit einem Haufen an Ballast. Vieles davon haben wir gut im Griff, aber manchmal kommt in bestimmten Situationen altes Verhalten hoch.


    Bei uns ist es so, dass Diego manchmal nicht mit Druck umgehen kann. Also ganz banal, er steht rum und soll aus einem wichtigen Grund den Raum verlassen. Wenn ich da zu viel mentalen Druck ausübe, macht er dicht und würde sogar abschnappen. Direkt danach beschwichtigt er und alles ist wieder gut, aber es tut mir schon weh, dass er sich so in die Ecke gedrängt fühlt! (es kommt mittlerweile sehr sehr sehr selten vor, einfach weil ich die Situation vermeide, aber ich muss es halt immer im Hinterkopf behalten!!)


    Fühl dich einfach einfach mal gedrückt! Es klingt alles sehr durchdacht und ein wenig verkopft bei dir an, kann das sein? Müssen diese ganzen strengen Regeln wirklich sein? Wie ist euer zusammenleben denn so?


    Ach und wegen dem "wir gehen momentan nur spazieren". GANZ ganz ganz Fatal! Solche Phasen hatten wir auch, sucht euch dringend ein Hobby! Gemeinsam Spaß haben ist soooooo wichtig, das habe ich in den letzten Jahren wirklich oft zu spüren bekommen!! Ich würde auch nicht in der Wohnung tricksen sondern mir eine nette Gruppe suchen (Mantrailing hat bei meinem unsicheren Hund wirklich viel gebracht! Und wir hatten Spaß!)

  • Ich kenne das Problem auch und alle Vorschreiber haben schon viel Wahres und hoffentlich Ermutigendes geschrieben.


    Es dauert einfach mit so einem Hund, bis er Vertrauen fasst. Immer, wenn irgendwas beknacktes passiert, bist Du ja dabei. Da kann im Hundehirn schon mal eine Fehlverknüpfung entstehen, wer schuld daran ist, dass dauernd etwas schiefläuft...


    Du hast in den vier Jahren ja schon UNGLAUBLICH viel geschafft. Es wird besser, und es dauert auch nicht mehr alles gar so lange wie am Anfang!


    Was bei uns extrem gut geholfen hat, sind Dinge, die auch schon andere hier erwähnt haben: Such Deinem Hund ein Hobby, bei dem er seine Stärken ausspielen kann. Etwas, wobei er nicht unter Druck steht, womit er sich auskennt und wofür Du ihn richtig feiern kannst.


    Nasenarbeit ist zum Beispiel das, was mein Hund gerne macht. Auf dem Gebiet weiß sie Bescheid, da kann sie sich richtig drauf einlassen. Suchspielchen kann man außerdem super steuern, weil man das zu Hause genausogut machen kann wie im Wald oder im Wohngebiet - je nachdem, wieviel Außenreize man dem Hund gerade zumuten kann.

  • Hattet ihr mal eine ähnliche Situation mit einem Hund und wie habt ihr sie aufgelöst?

    Ich habe eine mittlerweile 8jährige Bracken-Terrier-Mix-Hündin, die 5jährig aus dem Tierschutz zu mir kam. Absolut hyperaktiv, null Frustrationstoleranz, null Impulskontrolle und mit Hang zu Zwangshandlungen (Steine kauen, Tennisball kauen, Sachen zerreißen). Sie war schnell auf 180 und entsprechend nur sehr bedingt verträglich mit fremden Menschen und Hunden. Einfach alles hat sie überfordert. Dazu kommt Jagdtrieb ohne Ende, so dass sie draußen kaum ansprechbar war - im Wald hat sie das viele Wild verrückt gemacht und im Ort die vielen Leute und Hunde; überall war alles zu viel.


    Ich hatte wirklich schlimme Phasen, in denen ich mir nicht sicher war, ob sie bei mir in den richtigen Händen ist. Sie ist mein erster eigener Hund und ich hatte mir das, obwohl ich sie schon aus dem Tierheim kannte, irgendwie anders vorgestellt.


    Was uns wirklich sehr geholfen hat, war die Arbeit auf dem Hundeplatz. Das mag jetzt bei so einem Hund kontraproduktiv klingen, aber ihr hat die Struktur dort extrem geholfen - immer das gleiche Umfeld, immer die gleichen oder ähnlichen Hunde und Leute drumehrum. Nur dort habe ich es geschafft, mit ihr wirklich gemeinsam zu arbeiten. Und ich hatte tolle Trainer, die uns alle Zeit der Welt gegeben haben - denn wir brauchten für alles VIEL mehr Zeit als ein "normales" Mensch-Hund-Team. Dort hat Candy gelernt, dass man überhaupt mit einem Menschen kooperieren kann (kannte sie vorher nicht wirklich), sie hatte unglaublich viel Spaß daran, sich Dinge zu erarbeiten, lernte sehr schnell und war mit großer Motivation dabei. Langsam aber sicher sind wir zu einem Team zusammen gewachsen, und das hat sich langsam und stetig in den Alltag übertragen. Sie wurde auch "draußen" ansprechbarer und empfänglicher für mich. Dann konnte ich auch im Alltag viel besser mit ihr trainieren.


    Mittlerweile ist sie seit gut 3 Jahren bei mir und hat sich zu einem halbwegs souveränen Hund entwickelt. Ich nehme sie problemlos mit in den Urlaub, sie geht mit mir (auch in größeren Gruppen) wandern, mit ins Restaurant oder Café usw. Ich muss noch immer managen, sie kann einfach nicht alles, was ein "normaler" Hund kann. Sie braucht mehr Ruhepausen. Ich muss ihre aufkonditionierte Decke überall mit hinschleppen, weil sie ohne die nur sehr schwer zur Ruhe kommt (im Café z.B.). Ich kann sie nur bedingt frei laufen lassen; in bekannten Gebieten läuft sie völlig entspannt ohne Leine in meinem engen Umkreis, in unbekannten Gebieten ist sie überwiegend an der Schleppleine. Daran wird sich wahrscheinlich auch nicht mehr viel ändern. Manchmal pöbelt sie immer noch fremde Hunde an. Manchmal nimmt sie bei großer (auch positiver) Aufregung noch einen Stein ins Maul. Während sie früher aber komplett zu machte, können wir den Stein jetzt gegen ein Lecker tauschen, legen den Stein dann an die Seite und gehen zusammen weiter.


    Ich nehme sie so, wie sie ist. Und ich nehme mich, wie ich bin - was mir noch viel schwerer fiel. Ich bin Perfektionist durch und durch, und ich kenne aus meinem Umfeld fast nur völlig unkomplizierte, hervorragend sozialisierte und unauffällige Hunde. Aber ich habe mir irgendwann mal die Frage gestellt, ob ich diesen Hund jemals wirklich abgeben könnte. Ich habe mir wirklich vorgestellt, sie an andere Leute zu übergeben und sie nicht mehr bei mir zu haben. Das war so dermaßen unvorstellbar, dass ich dann beschlossen habe, dass das eben keine Option ist. Ich bin nun schon ihr viertes Zuhause, und ich habe ihr versprochen, dass es ihr letztes ist.


    Ich musste lernen, mir nicht von jedem reinreden zu lassen, Belehrungen und vor allem Vorwürfe an mir abprallen zu lassen. Vielleicht hätte sie jemand anders besser erzogen. Aber sie ist nunmal bei mir und das ist verdammt gut so.

  • Ich musste lernen, mir nicht von jedem reinreden zu lassen, Belehrungen und vor allem Vorwürfe an mir abprallen zu lassen. Vielleicht hätte sie jemand anders besser erzogen. Aber sie ist nunmal bei mir und das ist verdammt gut so.

    :herzen1:

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