"Ich regel das!"- Aber wie?

  • Ich habe zb lange die Vorstellung damit verknüpft, dass ich dem Hund gegenüber besonders selbstbewusst auftreten muss, um die Dinge zu klären (für mich als damals 15 Jährige gar nicht so einfach :pfeif: )
    War man im Training aber schon der Verzweiflung nahe, war es auch nicht mehr einfach, selbstbewusst zu sein. Das hat mich immer wieder mehr frustriert und ich glaube, einige kennen diesen Teufelskreis.


    Gestern dann habe ich den ersten, für mich wirklich hilfreichen Artikel darüber gelesen, dass es dabei nicht nur um das eigene Auftreten geht, sondern um die für meinen Hund sichtbaren Handlungen meinerseits. Den Aspekt finde ich super wichtig!
    Ich dachte lange, dass ich ja nur in der Lage sein kann etwas zu klären, wenn ich selbstbewusst vor meinen Hund stiefele.

  • Ich finde es auch schwer, da eine grundsätzliche Antwort zu geben.



    Wir hatten eben eine Situation, in der ein kastrierter Rüde mehrmals versucht hat, meine Hündin zu besteigen. Nachdem sie die Situation nicht selbst regeln konnte, kam sie zu mir und hat mich das regeln lassen, indem ich den Rüden abgedrängt habe von ihr (und er hat es auch sofort verstanden und sein gelassen, obwohl ich mich nur mit dem Bein dazwischen gestellt habe).


    Ich finde es ebenso wichtig auch einen Hilfe suchenden Hund zu unterstützen und nicht nur dann einzugreifen, wenn man es selbst für richtig hält. Wie oft sehe ich Hunde die Hilfe suchend bei ihrem Besitzer rum eiern und keine Hilfe bekommen. Und dann kommen immer Sprüche wie "Immer müssen sie zwischen den Füßen spielen!" Warum das immer so ist, wird nicht hinterfragt.


    Ich hatte mal eine Situation mit einem Kleinhund. Wir haben uns gar nicht gekannt, war ein Zufallstreffen, aber er suchte immer bei mir Hilfe, weil er verstand das ich ihn verstand und ihm die Großen vom Leib hielt. Seine Besitzerin verstand gar nicht, warum der die ganze Zeit bei mir hing und nicht "spielen ging" und schickte ihn immer wieder weg. :ka:


    "Ich regel das!" bedeutet also auch, einem Hund zu helfen, der Hilfe sucht. Und nicht Hunden zu zeigen, dass sie eigentlich hilflos sind (ich drücke das jetzt bewusst mal sehr provokant aus).

  • sondern um die für meinen Hund sichtbaren Handlungen meinerseits

    Das ist der eigentliche Punkt.
    Die meisten Hunde sind absolut bereit, sich von uns führen zu lassen, und brauchen das auch für ihr psychisches Gleichgewicht.
    Wir Menschen sind oft zu langsam in der Wahrnehmung und müssen dann maßregeln.


    Lesetipp: "Calming Signals" von Turid Rugaas.
    Mirko Tomasini arbeitet auch auf der Basis: "Da hinten hast Du ein Problem; aber das fängt schon viel früher an!"

  • Ich habe zb lange die Vorstellung damit verknüpft, dass ich dem Hund gegenüber besonders selbstbewusst auftreten muss, um die Dinge zu klären

    ganz so verkehrt ist diese Annahme aber nicht. Geh ich zu zaghaft in Situationen ist das meist eher kontraproduktiv. Wie oft sieht man Halter, die ihre Hunde total ängstlich und unsicher irgendwo vorbei führen....Hundi hängt derweil tobend in der Leine.
    Sag ich mir selber los geht's dadurch, strahle ich das auch aus und das gibt einem Hund mehr Sicherheit als wenn ich zitternd die Leine halte und vor mich hin bete hoffentlich geht es gut.

  • "Ich regel das!" bedeutet also auch, einem Hund zu helfen, der Hilfe sucht. Und nicht Hunden zu zeigen, dass sie eigentlich hilflos sind (ich drücke das jetzt bewusst mal sehr provokant aus).

    Ich steige da mal drauf ein :D


    Meinst du mit diesem "und nicht Hunden zeigen, dass sie eigentlich hilflos sind" die oft propagierten und leider immer noch weit verbreiteten "Dominanzlehren"?
    Da wäre ich ganz auf deiner Seite, zu führen um des Führen willens, um also dem Hund gegenüber eine Führungsrolle einzunehmen zur Herstellung einer klaren Hierarchie kann zwar das Handling mit dem Hund erleichtern, führt aber eben nicht zu einem zuverlässigen Hund, auf dessen eigene Entscheidungen ich mich verlassen kann, basierend auf Einsicht.


    Dieses "Ich regel das!" führt leider eben oft dazu, dass nicht das Problem behandelt wird, sondern Probleme dafür herhalten müssen, um eine angestrebte Führungsrolle zu erhalten.


    Wenn ich etwas regel, dann muss ich für meine Empfinden überhaupt erst mal erkennen, wo das Problem ist - UND einen Plan haben, der mich in die Lage versetzt, dies auch regeln zu KÖNNEN.


    Das sind manchmal ganz einfache Dinge, wie z. B. das Ausweichen auf einen genügend großen Abstand, wenn mein Hund z. B. Probleme hat bei Fremdhundbegegnungen.
    Wie oft ich leider immer noch im Reallife erlebe, dass Menschen da nach dem Motto: "Da muss er durch!" agieren, weil der Mensch der Ansicht ist, diesen Weg jetzt unbeirrt gehen zu müssen, erschreckt mich manchmal immer noch sehr.


    Dabei ist ein gelassenes, freundliches und selbstsicheres: "Oh - da kommt einer. Lass uns mal zur Seite gehen :smile: " viel konstruktiver für den Hund, weil ich so schon mal den Stress für eine mögliche Konfrontation rausnehme.
    Das ist schon "regeln", und für sich schon eine Alternative für den Hund, auf den dann weiteres alternatives Verhalten aufgebaut werden kann.


    Für den Hund sollte aus meinem "Regeln" eine Lösung herauskommen, die für ihn profitabel ist.
    Dann werde ich auch im Laufe der Zeit glaubwürdig für meinen Hund, dass MEINE Entscheidungen für ihn nichts Schlechtes bedeuten. Darauf lässt sich dann auch aufbauen, dass mein Hund meine Entscheidungen eben auch dann akzeptiert, wenn er sie mal nicht versteht und eigentlich etwas ganz anderes machen möchte.


    Das hat dann nichts mehr mit Gehorsam zu tun, sondern mehr mit eingespieltem Zusammenleben.


    Als Einstieg gerade für Anfänger empfehle ich auch gerne die "Calming Signals" von Rugaas, mache aber immer die Einschränkung, diese vermaledeite Übersetzung von "Calming" in "Beschwichtigung" nicht zu wörtlich zu nehmen. In dem Buch werden Kommunikationssignale genauer betrachtet, und diese überhaupt erkennen zu können, ist enorm wichtig für das Verständnis für Hunde. Das der Hund damit immer beschwichtigt, ist ein Irrtum. Diese Kommunikationssignale dienen in der Interaktion von Hunden dazu, die Möglichkeit der Deeskalation offen zu halten.


    Was ich selber gerne mache bei Problemsituationen: Diese schon im Kopf durchgehen, mir einen Plan zurecht legen und diesen durchspielen.
    Dann gelingt es mir IN der Situation leichter, das auch wie vorgenommen so durchzuziehen.

  • Wenn ich etwas für den Hund regle, dann bin ich auf jeden Fall VOR dem Hund und der Hund muss hinter mir bleiben. Dadurch verhält er sich m.E.n. automatisch anders/ruhiger/zurückhaltender als wenn er vor mir sein darf, egal ob mit oder ohne Leine, egal ob bei Hundebegegnungen oder an der Haustüre usw.

  • Ich persönlich mache das genauso und finde es aber trotzdem manchmal noch schwer einzuschätzen wie viel man den Hund regeln lassen sollte, ab wann man ihn schon im "Stich lässt" oder es ihm eben auch gut tut normal kommunizieren zu können.
    Nicht alle Situationen sind ja immer gleich offensichtlich positiv oder negativ, manche Situation kippen auch schnell und wenn man dann ein bisschen zu lange gezögert hat macht man sich hinterher Vorwürfe, dass das jetzt blöd für den Wuff war und man es nicht verhindert hat...so geht es mir als Ersthundehalter manchmal zumindest noch.
    Natürlich ausgenommen generalisierte Probleme mit Hunden/Menschen/Kindern ist klar, wenn da Probleme bekannt sind experimentiert man da gar nicht erst.


    Beispiel:
    Mein Rüde hat kein generelles Artgenossenproblem und wenn uns eine alte gemütlich aussehende Seniorendame entgegenschlappt lasse ich ihn erstmal selbst entscheiden ob/wie er Kontakt will.
    Also lassen wir die Dame herkommen, alles ganz entspannt - bis dann aufdringliche Spielaufforderungen von der Seniorin kommen mit denen man gar nicht mehr gerechnet hätte |) da steht sie also bellend und wedelnd vor meinem Zwerg und der fühlt sich offensichtlich nicht so ganz 100% wohl, geht paar Schritte weg. Dame wackelt prompt hinterher. Zwerg steht wieder da und guckt doof aus der Wäsche, Seniorin wedelt weiter und rückt näher.


    Jetzt habe ich meine Überlegung - die Dame ist bisschen aufdringlich aber freundlich, das kann er alleine regeln sodass sie versteht dass er das jetzt nicht mag. Er braucht mich da jetzt echt nicht dazu, ist ja nichts dramatisches.


    Überlegung zwei - vielleicht helfe ich ihm lieber, er muss ja nicht immer bis zum "äußersten" kommunizieren sprich deutlich werden/sich aufregen/Nase kräuseln etc. Muss nicht sein, ich halte sie ihm vom Hals und er fühlt sich sicher bei mir.


    Dann entscheidet man sich für eine der Optionen, manchmal passt es genau gut und manchmal denkt man sich dass das jetzt doof war und falsch gelaufen ist.


    Ich hoffe man versteht mich und will mich jetzt nicht ins Irrenhaus einweisen :ugly:

  • Für mich ist es auch immer eine Mischung aus beidem - Sicherheit vermitteln, souverän sein, aber auch den Hund selber rausfinden lassen, was er sich zutraut- soweit möglich.


    Wir haben einen jungen "halben" Angsthund, aus dem TS, der seine ersten Monate wohl so ziemlich ohne Kontakte zu Menschen verbracht hat. Draussen war es nach der Eingewöhnung schnell kein Problem mehr, mit anderen Hunden war er super sozialisiert - das war keine Baustelle.


    Aber drinnen. Ein kleines Haus mit am Wochenende 5 Leuten. Er hatte Angst vor vielem. Vor uns im Dunkeln, wenn mal nachts einer aufsteht und ins Bad muss. Vor einer Fernbedienung, die mein Mann mir gibt, und der Hund dazwischen steht. Vor einer Tasse auf der Ablage vom Sofa. Hektische Flucht und Panik. Vor Laptops, und natürlich ist er dann auch noch in das KAbel gesprungen und das Laptop flog ihm sozusagen hinterher :shocked: Sowas kannte ich nicht und war erstmal etwas hilflos. Am Anfang hab ich ihn oft an die Leine genommen, mich mit ihm an einen sicheren Ort gesetzt ( Rückendeckung, Wand hinter ihm) und ihn erstmal runterkommen lassen. Dann langsam daran gearbeitet, dass er meine Signale versteht - geh aus dem WEg, geh auf deinen Platz - nicht als Strafe oder Befehl, sondern damit er versteht, dass er sicher ist, wenn er drauf achtet, was ich ihm vorgebe.


    So zwischendurch zeigte sich, dass er zum einen sehr neugierig ist und zum anderem drinnen eher gemütlich. Das war hilfreich. Also haben wir aufgehört, auf alles einzugehen. Wenn er wegen einer Kaffeetasse hektisch die Couch und das Zimmer verliess, sind alle ruhig sitzen geblieben. Und wenn er nach 30 sekunden wieder um die Ecke schaute, wurde er eingeladen, sich durchkraulen zu lassen und die Tasse anzuschauen. DAs war letzendlich die Lösung. Es kann heute immer noch mal passieren, dass ihn irgendwas erschrickt und er mal kurz aus dem liegen einen halben Meter rückwärts springt. Dann grinsen alle, der Kommentar dazu ist " Spinner", er schaut sich kurz um, macht ein Geräusch wie " Grrschnuff" - springt wieder auf die Couch und schläft weiter. Dazu gabs noch gefährliche Alltagsgestände als Spielzeug - die alte Staubsaugerbürste ist sein liebstes. Wenn er die durch die Gegend trägt und eine runde durchkaut, ist er ziemlich stolz. Er hat sie besiegt. Und die meisten seiner Ängste auch.


    Ich regele durchaus einiges für beide von meinen Hunden. Aber gerade meinen kleinen Chaos Junghund habe ich auch vieles selber ausprobieren lassen - mit der Sicherheit von immer gleichen Abläufen und Grenzen.


    Lg, Elzbeth

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!