Bellen und keine Leinenführigkeit

  • Hallo Miteinander! Wir haben eine Hündin aus dem Tierschutz mit drei Monaten bekommen. Inzwischen ist sie neun Monate und manchmal fragen wir uns: machen wir alles falsch, was man nur falsch machen kann. :(
    Sie zieht manchmal so extrem in die Leine, dass ich mir denke, wow, das Paradebeispiel aus einer Hundeerziehungssendung und schäm mich in Grund und Boden. Wir haben von Beginn an eine Hundetrainerin gehabt, auch deren Ratschläge befolgen wir gewissenhaft, und wir haben auch eine zweite hundetrainerin herangezogen um so andere Sichtweisen und Ansätze kennen zu lernen. - zieht der Hund, dann entweder in die andere Richtung gehen oder stehen bleiben. Dann zieht sie halt in die ander Richtung weiter oder zieht nachdem stehen bleiben nachwievor einfach weiter. :shocked:
    So haben wir auch den Tipp der ersten hundetrainerin bekommen, den Fuß vor ihr zu stellen während dem gehen und ein „Gsch-Geräusch“ zu machen - nicht sehr wirkungsvoll. Die zweite Trainerin meinte auf diese Vorgehensweise, dass dadurch ein Slalom beim gehen entsteht und somit der Hund dies als Unsicherheit interpretiert und er in die Rolle des Beschützers und führers kommt - was ich mittlerweile auch glaube, dass sie sich so inzwischen sieht. Warum ich das glaube: kommt jemand um die Ecke gerannt, bellt sie ihn an. Fährt ein Fahrrad langsam hinter uns, muss sie sich dauernd umdrehen und bleibt stehen u kann erst wieder weiter gehen, wenn der Fahrradfahrer vor uns fährt, wenn Personen hinter uns gehen zieht sie zu diesen hin - also einfach wirklich nicht mehr lustig :(
    Dann kommm wir auch schon zum nächsten leidigen Thema: das bellen. Sie ist sehr artikulierungefreudig u spürt den Drang dauernd zu melden, dass jemand kommt. Wir wohnen in einem Wohnhaus und sobald jemand uns begegnet geht es los. Nun haben wir folgende Strategien von beiden Trainerinnen mitbekommen: sich zwischen den Reiz stellen und in die andere Richtung bewegen oder sich vom Reiz entfernen, und/oder ablenken. In der Praxis sieht das so aus: ich weiß jemand steigt in den Lift im unteren Stock, er fährt zu uns: ich gehe mit unsrer Hündin weg von der lifttüre, schicke sie in ein sitz, stelle mich vor ihr und gebe ein levkerlie oder spiele mit einem kleinen Stoffball, die Türe öffnet sich - unsere Ria bellt los, springt bei der Seite vorbei und zieht volle Kanne Richtung „bösen Mensch“, dann Probier ich mich in meinen Tanzkünsten und versuche vor ihr zu kommen und je nach Intensität eben mit den Händen oder Füßen vor mir schieben. dies geht solang bis dann die Person eben weg ist und hinterher setzt sie sich und sieht mich an, so als ob sie meinen würde: hab ich’s gut gemacht, nicht wahr?
    Wir arbeiten bereits seit einem halben Jahr daran - keine Besserung erkennbar :shocked:
    Was läuft da bitte schief!?!?!?!?
    Ich bin mit Hunden groß geworden und wenn ich mir unsere Hündin so anschaue, denk ich mir - wow, da hast du es aber vermasselt! :ka: :pfeif: Haben wir in der Aufgabe als rudelführer versagt? Wie kann ich die Kontrolle übernehmen? ich mein, sie regelt in solchen Situationen e nix, aber anscheinend glaubt sie das. Es ist furchtbar anstrengend zwischendurch :(

  • Ich kann in solchen Fällen nur immer wieder raten; sucht euch einen guten Hundeverein, um dort regelmäßig zu üben. Zumindest die Leinenführigkeit müßte jetzt eigentlich schon sitzen, bei regelmäßigem Training.
    Da bis jetzt zwei Trainer nicht Gescheites ausgerichtet haben, wird an der Trainingsart etwas nicht stimmen.


    Der Hund muß lernen, sich an dir zu orientieren, dann hört auch die Bellerei im Hausflur auf.
    Wenn er alle Kommandos beherrscht, dann wirds auch funktionieren. So weiß er ja offensichtlich gar nicht, was du von ihm willst.

  • Naja, wo nun der Unterschied zwischen kompetentem Hundeverein und kompetentem Trainer ist, verstehe ich nicht ganz.
    bei beiden kann man Pech haben - bei beiden kann man Glück haben ...
    Und "Kompetenz" merkt man oft erst im Nachhinein.


    Thema Leinenführigkeit ...
    Ich merke an mir dass es einfach ganz oft an der Konsequenz liegt.
    ICH habe nicht den Nerv bei JEDEM Gassigang auf gute Leinenführigkeit zu achten.


    Wenn ich nach nem anstrengendem Arbeitstag nach Hause komme, wenn ich schnell von A nach B muss, wenn heute n mieser Tag für den Hund ist ...


    Ich will dir nichts unterstellen - aber gerade bei der Leinenführigkeit kann der kompetenteste Trainer/Hundeverein dich beraten - es bringt nix wenn du es nicht 24/7 umsetzt.


    Ich habe, weil ich nicht super konsequent bin (mir leinenführigkeit einfach auch nicht so wichtig ist) das Problem wie folgt gelöst:
    Wenn ich Lust auf "Gute leinenführigkeit" habe (Auch beim Training damals) kommt der Hund ans Halsband und ich achte zu 100% konsequent drauf.
    Wenn ich da keine Lust drauf habe, kommt der Hund ans Geschirr und darf ziehen (bis zu einem gewissen Grad - quer durch die gegend ziehen lassen möchte ich mich nicht - aber am Halsband gilt "Leine IMMER locker" - am Geschirr "straffe Leine ist auch mal OK".)


    Läuft gut - mein Hund kann beides gut unterscheiden, ich mache mir die Erfolge am Halsband nicht kaputt wenn ich mal nen stressigen Tag habe.
    Als ich leinenführigkeit (für mich bedeutet das sowas wie "Bei fuss") geübt habe, täglich am halsband, habe ich auch gute 3 Monate gebraucht bis es bei Arek klick gemacht hat.
    Und das obwohl er sicher, souverän und alltagstauglich ist. Mit 2.5 Jahren habe ich ihn bekommen.


    Das bellen im Hausflur deiner Hündin kann darauf hindeuten, dass sie eben (noch) nicht alltagssicher ist - leicht ablenkbar, leichter gestresst.
    Mit 9 Monaten ja eh auch mit anderen Sachen beschäftigt - gerade im Hinblick auf die ersten wichtigen drei Monate, die sie halt nicht bei dir verbracht hat.
    (Weißt du da war über ihre vergangenheit?)


    Also, wenn man nicht wirklich jeden Spaziergang an der Leine zum effektiven Training macht (was mMn gar nicht geht) dann glaube ich dauert gute Leinenführigkeit in deinem fall schon länger als 3 Monate ...


    Konsequnt dran bleiben ist alles! - und wenn man es mal nicht konsequent üben kann (weil Hund gerade nicht aufnahmefähig oder du zu wenig Geduld hast - wir sind alle nur Menschen) dann aufhöhren mit üben!
    Ich habe das mit der "Stehenbleiben, Wenn Hund zurück zum bein kommt Leckerlie HINTERM Bein und loben wenn er auf Beinhöhe bleibt"-Methode geübt.
    Wie gesagt, hatte erst nach 3 Monaten Erfolg - vorher rein gar keinen Lernerfolg - aber mit einem mal funzte es - von 0 auf 100 quasi - ohne große seteigerung dazwischen.
    ich wäre glaube ich gar nicht so lange bei dieser Methode geblieben -
    aber ich wollte es nem "CM-in die Flanke treten ist gut"-Fan zeigen, dass es halt auch "rein positiv" geht ;)




    Ich denke, Leinenführigkeit ist ein reines Training und hat nicht unbedingt etwas mit "Bindung, Rudelführer oder Orientierung" zu tun.
    (Natürlich kann ein Hund viel besser lernen (auch Leinenführigkeit) wenn ne gute Bindung zum Hundehalter vorhanden ist)


    Schwieriger wird es beim "Hund bellt im Hausflur" - Thema.
    ich denke dieses Problem ist "vielschichtiger" und nicht einfach durch Methode X wegzutrainieren.
    Es geht dabei um Sicherheit, struktur, orientierung - das kannst du nur im Alltag vermitteln und nicht in 5 Minuten sequenzen.


    Und was du da im Alltag, im Umgang mit deinem Hund anders machen kannst, kann dir wirklich nur jemand erklären, der euch vor Ort sieht.
    Also entweder neuer Trainer/Hundeverein (vielleicht kann ja auch jemand hier im Forum wen empfehlen) - oder du überlegst ob die 2 vorhandenen so viel Kompetenz haben, dass sie dich da (einer von ihnen) im Alltag begleiten können.



    WENN deine pupertierende Hündin mal schnell abgelenkt ist, die "Fassung" verliert, sich ins bellen reinsteigert - oder einfach aus einem "Reiz anstarren/anbellen" nicht raus zu holen ist, empfehle ich die dir "konditionierte Entspannung".
    Hier vielleicht mal reinlesen: Mein Zauberwort - Konditionierte Entspannung - MarkertrainingMarkertraining


    Es KANN hilfreich sein - kommt auf Hund und Halter an - ersetzt aber keine Struktur und Führung.


    (Und wenn dein Hund mehr Führung und Struktur brauchen sollte, wenn du mehr "Rudelführer" sein musst - heißt das NICHT dass du dem Hund nun mit Härte zeigne musst wo der Hammer hängt ;) also bitte nicht falsch verstehen.
    Eine "Führungsposition" zu bekleiden heißt vor allem fair zu sein, Bedürfnisse zu erkennen, den Hund ernst nehmen, Berechenbar und konsequent zu sein, ihn zu schützen, ihm verständlich zu sagen "so bitte nicht mein Freund!)


    mein Hund hat ne zeit lang Nachts im hausflur Geräusche angebellt. Ein Zeichen von "Ich muss die Familie beschützen während sie schläft" - so in etwa ...
    Ich habe ihn absitzen lassen, bin nachgucken gegangen (habe das bellen ernst genommen) - bin zurück gegangen, er dirfte nachgucken ob wirklich alles ok war
    (er durfte sich überzeugen ob ich meinen Verpflichtungen nachkommen kann) - und so konnte ich ihm verständlich machen, dass ich sehr wohl in der Lage bin auch nachts auf die Familie aufzupassen.


    dass diese Methode nicht bei jedem Hund+Halter-Team klappt ist mir bewusst - es dient nur als Bsp was ich mit "Führung übernehmen udn dem Hund das verständlich klar machen" meine. WIE das genau bei euch im Alltag aussehen kann, kann nur jemand sagen der euch in echt erlebt ...


    Viel Erfolg wünsche ich!

  • Vielen Dank @Manfred007 für diese tolle und ausführliche Antwort! :)


    Ja, da könnte natürlich was dran sein, mit dem non-Stop an der Sache bleiben, was die leinenführigkeit angeht. Und da gestehe ich, da sind wir nun auch nicht wirklich durch 100% dabei. Aber dass dies solch einen wichtigen Faktor darstellt, hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht, da es bei meinen anderen vier Hunden von früher nicht das Problem war.


    wir haben ja auch zum Beispiel noch diese Methode: wir gehen überwiegend mit schleppleine und Brustgeschirr unsere Runden. Laut Trainerinnen kann man auch die zu der Option greifen, Leine locker lassen wenn sie zieht und dann abstoppen mit Kommando und zu ihr gehen oder zurückrufen - was auch gut klappt, sobald aber ein Reiz natürlich zu nahe kommt, bellt sie. Und in einer Stadt kann man Reize nicht so gut kontrollieren wie in einem Dorf oder am Land, daher auch nicht wirklich passend.
    Dann werden wir mal die Halsband und Geschirr-Technik probieren sowie hinterm Fuß loben. Wir arbeiten auch hauptsächlich über positive Verstärkung und ignorieren von Fehlverhalten, aber bei Leute anbellen geht das einfach nicht.


    Zu ihrer Geschichte - sie kommt aus Ungarn, der Schwanz ist abgeschnitten, am Kopf sind Narbengeschwürre und sie sollte laut der Vermittlung sehr früh von ihrer Mutter entfernt worden sein. Der Vater soll ein Collie-Mix sein. Mehr Infos haben wir nicht.


    Ja, wir halten auch nicht viel davon den Hund zu dominieren und den überboss raushängen zu lassen, aber da war es bisher noch nicht getan haben, dachte ich mir, dass es daran liegen könnte, dass sie womöglich Dauerführung braucht.
    Wie könnten wir deiner Meinung nach, ihr zeigen, dass es keinen Grund gibt sich unsicher zu fühlen und es sich lohnt, sich an uns zu orientieren? Und solche Beispiele bedeuten für mich Führung.


    Q


    Ich persönlich finde, ich hab eine gute Bindung zu ihr. Mir würde zB einfallen, dass sie wasser überhaupt nicht leiden konnte, nach vier Mal das Wasser am See vorstellen und zeigen usw. liebt sie es und würd am liebsten in jedem Brunnen hüpfen. Und da hat sie mir zb vertraut, wenn ich mit ihr langsam näher zum Wasser bin - jedes ruhige verhalten wurde mit spielen oder Leckerlies belohnt, oder wir haben nah am wasser gespielt. und plötzlich schwimmt sie im Wasser mir nach und wollte anschließend getragen werden und das war ein Zeichen für vertrauen. Auch bei gassirunden zeig ich ihr, wo sie klettern und springen kann mittels Handführung, da sie solches anfangs überhaupt nicht mochte, inzwischen ist sie voller Freude dabei, wenn es ums Hand folgen geht. Ich weiß ja nicht, ob diese Beispiele auch was über Bindung aussagen, falls doch - verstehe ich einfach nicht, warum sie im Stiegenhaus zu solchen Strategien greift und sich nicht an uns orientiert.

  • Ich glaube, das Leinenführigkeitsproblem ist das untergeordnete Problem. Ich würde zunächst daran arbeiten, dass der Hund vernünftig mit Umweltreizen umzugehen lernt. Solange würde ich das Laufen an der Leine meiden bzw. ausschließlich in die kurzen Trainingssequenzen zum Umgang mit Umweltreizen integrieren.


    Für die normalen Spaziergänge würde ich mir ein sehr reizarmes Gebiet suchen und den Hund an die Schleppleine packen. Diese Spaziergänge würde ich aber auch recht kurz halten, damit all das überhaupt verarbeitet werden kann, was da auf den Hund einschießt.

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