Beschwichtigung, Übersprungshandlung, oder einfach nur normal?

  • Hallo zusammen,
    ich habe mal wieder eine Frage zum Verhalten meines Lokis.
    Kurze Daten zum Hund:
    - Tierschutzhund
    - seit 3 Monaten bei mir
    - ca 10 Monate alt
    - keine "Vorgeschichte", wurde mit etwa 5 Wochen von der Straße gesammelt und hat dann 7 Monate in einem privaten Tierheim gelebt.


    Er ist insgesamt ein sehr freundlicher/verkuschelter Hund. Aber er neigt dazu, es zu übertreiben. Und ich steige nicht ganz durch, warum er was tut.
    vorgestern waren wir beim Tierarzt:
    - Loki hat sofort alle (Tierarzthelferin und Tierärztin) angesprungen, hat sich an sie gepresst und Hände abgeschleckt und versucht ihnen das Gesicht zu lecken. Das ist doch kein normales Verhalten fremden gegenüber, oder?
    - Wenn wir etwas strenger sein müssen zu ihm, verhält er sich genauso, möchte auf unseren Schoß krabbeln (fast 20 kg), schleckt und ab, wedelt wild mit dem Schwanz, kuckt demütig von der Seite. Da denke ich an Beschwichtigung a la "ich bin gaaaanz lieb, sei nicht böse", obwohl wir nie nachtragend sind. Wir sagen, was "Sache" ist, wenn er sich dran hält ist die Welt wieder in Ordnung.
    - Er Verhält sich allen Menschen gegenüber sehr Distanzlos, möchte gestreichelt werden etc. Dieses Verhalten wird leider durch adnere verstärkt ("oooh ist der süss" und danach wird drauflosgetatscht...)
    - Gestern ist mir in der Tiefgarage die Leine runtergefallen und Loki ist umhergeflitzt wie ein Irrer. Bei Abruf kam er, ist aber einen Meter vor uns abgedreht und wieder weggeflitzt, dann ca 10 m vor uns stehen geblieben und wieder von vorne.
    Ich hab irgendwann Panik bekommen, dass ein Auto kommt, Garagentor aufgeht und mir der Hund abdüst, dementsprechend war vermutlich auch meine Körperhaltung.
    Ist das einfach normales junghundverhalten? Beschwichtigendes Spielen? oder "verarscht" er mich?
    Durch gaaanz hoch gepiestes, gesäultes Rufen und Verbindung mit Leckerli kam er dann.


    Er ist ein unsicherer Hund und ich bin momentan etwas ratlos wie ich damit umgehen soll. Auch ist es für mich schwer zu erkennen, ob das vlt Übersprungshandlungen sind (zB beim Tierarzt).


    Und ich möchte eigentlich auch nicht, dass er andere Menschen so angeht. Nicht jeder will spielen oder freut sich über eine nasse Hundenase in der Einkaufstüte. Klar, sag' ich dann "nein", aber der Mensch in der Bahn sagt dann "ach ist ja nicht schlimm, gutschigutschi tasch tasch".


    Mein Hund ist Überfreundlich, ich hab Probleme, hm?
    Freu mich aufs Tips und Meinungen :-)

  • Das ist Stressverhalten, Unsicherheit, Demutsverhalten und Beschwichtigung.


    Warum sollte er Dich verarschen wollen? Ich habe noch keinen Hund gesehen, der unter der psychischen Krankheit Masochismus gelitten hat. (Außer vielleicht der ein oder andere Terrier ... :p )
    Nein, im Ernst: Wenn Du davon ausgehst, dass der Hund Dich "verarschen" will, dann muss er das geil finden, dass Du böse wirst. Also, er muss es wirklich so geil finden, dass es ihn anmacht.


    Ich habe noch keinen Hunde gesehen, bei dem ich das vermuten würde.

  • Und ich möchte eigentlich auch nicht, dass er andere Menschen so angeht. Nicht jeder will spielen oder freut sich über eine nasse Hundenase in der Einkaufstüte. Klar, sag' ich dann "nein"

    Achso, das möchte ich mir noch mal rauspicken:


    Du weißt, was Du nicht willst. Das ist schön. Jetzt überlegt Dir noch, was Du willst. Was Dein Hund alternativ tun soll und bring ihm das bei.


    Mit "Nein" kann er in dieser sozial aufgeladenen Situation nichts anfangen, denn seine gute Schule sagt ihm, dass man sich demütig anbiedern muss, um keine auf den Deckel zu bekommen. Das gehört sich aus Hundesicht so, damit man unversehrt bleibt. Er weiß nicht, dass Menschen einem nix tun, wenn man sich aus seiner Sicht ignorant gegenüber den Menschen verhält. Und sein innerer Drang sagt ihm auch permanent: Tu es anders. Zeige demütiges Verhalten! Beschwichtige!


    Du tust also gut daran von der Verbotsschiene auf die zu wechseln, die ihm eine Handlungsanleitung gibt, was er an alternativen Handlungsketten anbieten darf und soll, die ihn von den Menschen körperlich wie auch gedanklich wegbringen und belohnt, belohnt, belohnt wird.

  • Das ist Stressverhalten, Unsicherheit, Demutsverhalten und Beschwichtigung.


    Warum sollte er Dich verarschen wollen? Ich habe noch keinen Hund gesehen, der unter der psychischen Krankheit Masochismus gelitten hat. (Außer vielleicht der ein oder andere Terrier ... :p )
    Nein, im Ernst: Wenn Du davon ausgehst, dass der Hund Dich "verarschen" will, dann muss er das geil finden, dass Du böse wirst. Also, er muss es wirklich so geil finden, dass es ihn anmacht.


    Ich habe noch keinen Hunde gesehen, bei dem ich das vermuten würde.

    War vlt etwas blöd ausgedrückt. Ich meinte damit eher Junghundtypisches Protestverhalten, wie man es ja überall ließt, was ja in dem alter ganz normal sein soll.


    Ist auch dieses Spielen Demutsverhalten? Wie soll ich denn auf sowas reagieren? Ich bin da etwas in einer Sackgasse momentan. Er verhält sich so, wenn er merkt, dass die Anspannung etwas höher ist. Wenn die Anspannung höher ist, hat das i.d.R. einen guten Grund. Umso weniger er dann auf mich reagiert umso größer wird natürlich die Anspannung... und dann dreht sich das alles im Kreis.


    Wie soll ich auf so ein verhalten wie bei der Tierärztin reagieren?


    Dass er sich bei uns Demütig verhält, wenn er unfug gemacht hat, ist ja denke ich ganz normal. Und wir sind ja auch garnicht nachtragend.

  • Loki hat sofort alle (Tierarzthelferin und Tierärztin) angesprungen, hat sich an sie gepresst und Hände abgeschleckt und versucht ihnen das Gesicht zu lecken. Das ist doch kein normales Verhalten fremden gegenüber, oder?

    Warum soll es denn abnormal sein?


    Ich selbst habe so einen "Freu-Hund". Der liebt die Menschen, weil er noch nie schlechte Erfahrungen gemacht hat und ist einfach weltoffen.

    Wenn wir etwas strenger sein müssen zu ihm, verhält er sich genauso, möchte auf unseren Schoß krabbeln (fast 20 kg), schleckt und ab, wedelt wild mit dem Schwanz, kuckt demütig von der Seite. Da denke ich an Beschwichtigung a la "ich bin gaaaanz lieb, sei nicht böse", obwohl wir nie nachtragend sind.

    Das ist in dieser Situation wirklich ein Beschwichtigungssignal, weil der Hund erfahren hat, wenn er schmusig ist, lieb die Hände leckt, nur Positives vom Menschen zurück kommt.
    In diesem Fall würde ich keinen Kontakt zu lassen - schließlich hast Du vorher geschimpft und ein Einlass auf diese Art von Freundlichkeit würde das Geschimpfe vorher aufheben. Aufstehen und gehen. Hundi ignorieren!

    Er Verhält sich allen Menschen gegenüber sehr Distanzlos, möchte gestreichelt werden etc. Dieses Verhalten wird leider durch adnere verstärkt

    Nun, er wird in dem Tierheim gelernt haben, dass man nur durch "Aufdringlichkeit" und seinem jetzt gezeigten Gebaren, Aufmerksamkeit bekommt und setzt es jetzt auch gezielt ein.

    Mein Hund ist Überfreundlich, ich hab Probleme, hm?

    Lieber überfreundlich, als bissig. Dein Hund muss nur lernen, dass er nur auf Kommando von Dir Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen darf. Ansonsten finde ich die Freundlichkeit gegenüber Menschen insbesondere beim Tierarzt doch völlig in Ordnung. Besonders der Tierarzt und seine Helferlein werden sich freuen.

  • Meine Hündin hat in der Anfangszeit mit Hochspringen und schnappen nach meinem Shirt auf Stress reagiert.


    Für mich liest sich das nach Stressabbau weil er nicht weiß wie er sich verhalten soll.

  • Ist halt einfach Unsicherheit/Überforderung und Beschwichtigung. Außerdem wird er anders wohl nie groß an Aufmerksamkeit gekommen sein und hat gelernt, dass man sich die Aufmerksamkeit einfordern muss - sonst fällt man halt hinten runter :ka: . Solche Sachen brauchen einfach Zeit. Drei Monate ist ja nichts an Zeit.


    Besuch soll ihm erst Aufmerksamkeit schenken, wenn er verhältnismäßig ruhig ist und auf dieses Anbiedern, sollte man nicht eingehen. Ansonsten ignorieren (die Erziehung der anderen Menschen ist übrigen schwieriger, als die des Hundes :lol: ).


    Klingt nach einem Hund der wenige aber für ihn sehr klare Ansagen braucht. Daran einfsch weiter arbeiten, nicht groß aus das Beschwichtigen eingehen. Er muss halt noch ganz viel lernen und das braucht Zeit, Zeit, Zeit.

  • Mit "Nein" kann er in dieser sozial aufgeladenen Situation nichts anfangen, denn seine gute Schule sagt ihm, dass man sich demütig anbiedern muss, um keine auf den Deckel zu bekommen. Das gehört sich aus Hundesicht so, damit man unversehrt bleibt. Er weiß nicht, dass Menschen einem nix tun, wenn man sich aus seiner Sicht ignorant gegenüber den Menschen verhält. Und sein innerer Drang sagt ihm auch permanent: Tu es anders. Zeige demütiges Verhalten! Beschwichtige!

    sehe ich richtig, dass ich auch nicht drumrumkomme, anderen Menschen zu sagen, dass sie meinen Hund nicht anfassen sollen?
    problematisch ist an diesem getatsche nämlich auch, dass ihn das aufschaukelt und aus dem brav auf dem Boden liegenden Hund ein aufgeregter, hüpfender und springender Loki wird und ich danach ewig brauche um ihn wieder "runterzukühlen".


    Letzte Woche hat er einem Mann seinen Döner aus der Hand geschnappt und wollte danach mit ihm spielen. Ich war nur kurz unaufmerksam, der Mann kam aus der Dönerbude, schwups. Döner weg, Loki vor ihm "auf die knie", hat ihn spielerisch angeknurrt und fast umgewedelt. ?! Zum Glück hat ers mit Humor genommen und ich hab ihm Geld für die nächsten 3 Döner gegeben.

  • Ich meinte damit eher Junghundtypisches Protestverhalten, wie man es ja überall ließt, was ja in dem alter ganz normal sein soll.

    Ja. Dieses Märchen wird immer wieder verbreitet. Ich habe gerade auch einen Junghund, der sehr häufig zeigt, dass seine Kapazitäten gerade erschöpft sind bzw. bei dem man aufpassen muss, dass man nicht an diesen Punkt kommt.


    Wenn Dein Hund ein Verhalten zeigt, das Du als "Protest" betitelst, dann hast Du zu viel gemacht. Die Anforderungen der Außenwelt sind zu hoch für den jungen Hund. Er kann es nicht leisten.


    Sein Gehirn befindet sich in dem Alter im Umbau. Die Kapazitäten, die zur Verfügung stehen, sind dann manchmal extrem gering. Der Hund kann da nichts für. Er kann dann einfach nicht das leisten, was erwartet wird.


    Damit sind wir wieder an dem Punkt, an dem wir im anderen Thema waren: Ich denke, dass Du Deinen Hund überforderst.


    Übrigens ist davon auszugehen, dass eine dauerhafte Überforderung in dieser Umbauphase sich langfristig in der Hirnstruktur niederschlägt. Man schafft sich also ein langfristiges, nicht reversibles Problem. Das kann man nicht einfach wieder umkehren.

    Wie soll ich auf so ein verhalten wie bei der Tierärztin reagieren?

    Wie gesagt: Bring Deinem Hund bei was er tun soll und darf. Über kleinschrittiges Training mit Belohnung.


    Und für den Tierarzt: Training von Handling bwz. Medical Training. Das ist etwas, was ich auch immer deutlich vor irgendwelcher Beschäftigung mit neuen Hunden übe, weil das viel wichtiger ist. Bei den drei Krümeln Hirn in dem Alter, würde ich mich immer erst Mal auf wichtige Dinge beschränken.

  • Und sehe ich richtig, dass ich durch meine Anspannung dem Hund widersprüchliche Signale gebe?


    Also Stimme sagt "komm her",
    Körperhaltung (und evtl Tonfall) sagt "bleib bloß weg"


    Sollte ich mir eventuell ein Wort aussuchen, welches man nicht schreien kann, oder auf eine Pfeife umsteigen, oder einfach hart an mir arbeiten?

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