Ich kann keine Bindung zu meiner TH-Hündin aufbauen

  • Hallo liebe Hundefreunde!


    Mein Partner und ich haben uns im November 2017 eine mittlerweile 3 jährige Mischlingshündin aus dem TH geholt, unsere Debby. Sie ist laut DNA-TEST ein Multimix, allerdings kann sie rein von der Optik her weder den Schäferhund in ihr noch den Ridgeback verleugnen. Vermittelt wurde sie uns als Angsthündin und sie ist auch heute noch oft unsicher, aber längst nicht mehr so panisch wie früher.


    Ich muß dazusagen, dass sie kein Abgabe -, sondern ein Fundhund war (nicht aus dem Ausland) und man vermutet, dass sie zuvor einer Bettelmafia gehört hat.


    Da mein Partner beruflich sehr eingespannt und auch öfter im Ausland unterwegs ist, übernehme ich den größten Teil der Erziehung und Beschäftigung von Debby.


    Nun gut, uns gegenüber gibt es jedenfalls null Probleme. Sie bleibt super alleine, ist toll mit unseren Katzen, nicht aufmüpfig, verteidigt ihr Futter nicht und ist generell in der Wohnung auch sehr gehorsam.


    Sie beherrscht ohne größere Ablenkung drinnen wie draußen die Grundkommandos und führt diese auch aus.


    Nun haben wir das Problem, dass sie im Freilauf zwar mit ausnahmslos jedem Hund super klar kommt, an der Leine aber zu einer richtig garstigen Hexe mutiert. Sie ist dann nicht ansprechbar, prescht nach vorne, führt keine Kommandos mehr aus und ist für mich mit ihren 26 kg kaum zu bändigen.


    Ich dränge sie dann, wenn wir schon zu nah am anderen Hund - Mensch - Gespann sind und es keine Ausweichmöglichkeit gibt, mit meinem Körper zurück und versuche sie eben so gut es geht zu blockieren und dabei dennoch nicht hektisch zu werden.


    Selbes Szenario, wenn uns Menschen entgegen kommen. Sie ist gegen diese natürlich absolut nicht aggressiv, aber eben misstrauisch und sie muss daher immer abchecken, wer da jetzt auf uns zukommt.


    Sie stiert dann so lange exzessiv dahin, bis die Person vorbei ist. Wenn ich sie lassen würde, würde sie hinrennen und schnüffeln, aber sofort abhauen, wenn sie dann von der Person angesprochen wird.


    Ich habe dann einen Hundetrainer kontaktiert, der mir vom Tierheim empfohlen wurde. Dieser sagte mir, der Hund hätte null Bindung zu mir / uns, und ich müsse mit ihm Bindungstraining machen.


    Überrascht war ich nicht, ich bin vielmehr Schon davon ausgegangen, zudem Debby uns ja offensichtlich für zu inkompetent hält, vermeintlich gefährliche Situationen für sie zu regeln.


    Er empfahl mir die "Schau!"-Übung, Leckerli in der Hand am ausgestreckten Arm halten und wenn Debby zu mir schaut, kurzes Lobwort + Leckerchen.


    Ich habe das Ganze wirklich jeden Tag über Monate (!) bis zum Erbrechen geübt, erst ohne Ablenkung drin, dann ohne Ablenkung draußen, dann die Ablenkung langsam steigern.


    Eine Besserung ist gerade in den Härtefällen wie anderer Hund oder fremde Person nicht eingetreten. Fremder Hund / Mensch, ich sage "schau!", Debby reagiert nicht und ich muss sie wieder unter größter Anstrengung vorbeiführen.


    Dann habe ich mir einen anderen Trainer gesucht, der meinte, das sei alles gar kein Problem, ich müsse einfach dafür sorgen, dass Debby grundsätzlich hinter mir geht und dann würde sie mit der Zeit lernen, dass ich alles für sie regle.


    Das habe ich ihr dann unter seiner Anleitung auch mühsam beigebracht und irgendwann blieb sie dann auch hinter mir, als er zum xten Mal seinen top erzogenen Jagdterrier an uns vorbeiführte.


    In der Praxis fernab vom Trainingsgelände sieht es aber wieder so aus, dass sie nur so lang hinter mir bleibt, bis uns jemand entgegen kommt und schon geht das nach vorne drängeln wieder los. Wenn ich sie blocke, linst sie an mir vorbei und wenn ich nur den Bruchteil einer Sekunde nicht 100% auf sie achte,steht sie schon wieder vor mir.


    So und nun bin ich ratlos, da ich inzwischen eine ordentliche Summe in zwei Trainer investiert habe und sich mein Problem null verbessert hat.


    Wie kann ich es erreichen, dass wir eine gute Bindung bekommen? Ich versuche schon, mich beim Spaziergang so interessant wie möglich zu machen, mit Suchspielen, verstecken etc, aber sobald sie dann merkt, aha, jetzt ist das Spiel erstmal zu Ende, macht sie wieder ihr eigenes Ding, Hauptsache weit weg von Frauchen.


    Das freiwillige Anschauen ist durch das Schau!-Training auch nicht häufiger geworden, esseidenn sie riecht, dass ich Futter dabei habe, dann schwänzelt sie um mich rum und sobald sie was kriegt, wenn ich sie für etwas bestätige, wie zb flüchtigen Blickkontakt, ist sie wieder auf und davon.


    Ich bin langsam echt am verzweifeln, weil ich das Gefühl habe, mich total zum Affen zu machen und selbst wenn ich mal erreiche, dass sie in meiner Nähe bleibt, dann sieht es nicht so aus, als würde sie das gern tun.


    Ich bin wirklich nicht inkonsequent und auch kein absoluter Neuling, was Hunde angeht, gerade deshalb verstehe ich auch nicht, warum es mit ihr so unmöglich scheint, eine Beziehung aufzubauen.


    Sie ist jetzt wie gesagt seit November bei uns, das sind ja nun auch schon sechs Monate.
    Sie freut sich zwar wie ein kleines Kind, wenn ich vom Arbeiten komme und möchte auch immer mit, wenn sie hört, dass ich den Schlüssel in die Hand nehme, aber draußen ist sie eben die ausgewechselt. Unaufmerksam und an mir komplett desinteressiert.


    Es wäre super, wenn mir jemand einen Rat geben könnte, was ich noch versuchen kann. Mir liegt die Süße echt am Herzen und es macht mich doch gewissermaßen traurig, dass sie sich so wenig für mich interessiert.

  • Also erstmal sind 6 Monate wirklich keine Zeit. Dir mag es lang vorkommen, aber die meisten Hunde sind in der Zeit noch nicht richtig angekommen.


    Dann ist die Frage: Ist sie desinteressiert an euch, weil ihr für sie langweilig seid, oder ist sie desinteressiert, weil sie auf Grund der auf sie einströmenden Eindrücke geistig überhaupt nicht in der Lage ist, euch interessant zu finden.


    Ich finde es schon 2 Paar Schuhe, ob ein Hund desinteressiert ist, weil er unabhängig von euch ist, oder weil sie zu gestresst ist (was ja das Verhalten den Hunden und den Menschen gegenüber offenbar zeigt) um sich auf euch zu konzentrieren.


    Da sie in der Wohnung, wo es keinerlei Störfaktoren von aussen gibt, super toll und folgsam ist, wäre für mich letzteres schon eher eine Möglichkeit als nur zu sagen, dass sie keine Bindung zu euch hat. :ka:

  • Ja es ist zweifellos so, dass sie manchmal total weggetreten wirkt, wenn sie etwas sieht, dessen Gefahrenpotential sie nicht einschätzen kann.


    Aber spricht man dann nicht auch von fehlender Bindung, wenn sie sich dann lieber allein in Richtung "Gefahr" begibt,um auszuchecken, was da los ist, statt bei uns Schutz zu suchen?

  • Gib mal das Stichwort "Zeigen und Benennen" in die Forum-Suchmaschine ein. Das wirst du sicherlich Hilfe finden.
    Vermutlich kann deine Hündin sich nicht auf dich konzentrieren, wenn sie alle Vorgänge in der Umgebung, die ihr Angst machen, im Auge behalten muß. Überlebenssicherung geht schließlich vor.
    "Zeigen und Benennen" setzt an genau diesem Bedürfnis an.
    Das hat mit der Bindung/Freundschaft zu dir erstmal nichts zu tun.


    Dagmar & Cara

  • Ich habe dann einen Hundetrainer kontaktiert, der mir vom Tierheim empfohlen wurde. Dieser sagte mir, der Hund hätte null Bindung zu mir / uns, und ich müsse mit ihm Bindungstraining machen.

    Blödsinn. Diese Unart hat nichts mit Bindung zu tun, eher mit Erziehung.

  • Kommt drauf an.


    Wie gesagt finde ich 6 Monate keinen Zeitraum um eine gefestigte Bindung aufzubauen. Das klappt wohl mit einem unbelasteten Hund, aber nicht mit einem Hund der eine ungewisse Vergangenheit hat. :D


    Dann weiß man nicht, ob sie in ihrem Leben überhaupt jemals gelernt hat, dass der Mensch als Beschützer überhaupt eine Option ist. Wenn der Hund in Situationen in denen sie Schutz gebraucht hätte, ignoriert wurde, weggeschickt oder gar gemaßregelt wurde, dann wird ihr nicht unbedingt klar sein, dass ihr nun damit einverstanden seid, dass sie Hilfe bei euch sucht. Meine Tierschutzhündin wusste das auch nicht, aber nachdem sie es gelernt hatte, macht sie es jetzt aktiv (und wenn sie mir dafür nur die Pfote auf den Fuß stellt). :D


    Je nachdem woher der Hund stammt und in welchem Umfeld er aufgewachsen und somit sozialisiert wurde, ist es möglich, dass sie nie wirklich lernen konnte, Umweltreize zu erlernen und sinnvoll umzusetzen, bzw damit umzugehen. Was ist wichtig, was ist unwichtig, wann muss ich wohin wieviel Aufmerksamkeit hingeben.



    Es ist schwer deine Hündin nun zu analysieren, da man sie nicht in Aktion sieht und auch nicht wie sie mit euch interagiert. Man kann nur vermuten. Aber es gibt hier einige User mit tollen Tipps.


    Vielleicht kann schon @flying-paws Tipps geben? Ich habe sie herbei gerufen.

  • Aber spricht man dann nicht auch von fehlender Bindung, wenn sie sich dann lieber allein in Richtung "Gefahr" begibt,um auszuchecken, was da los ist, statt bei uns Schutz zu suchen?

    was soll das mit Bindung zu tun haben? Und warum versuchen soviele Hundetrainer, solche Dinge mit "Bindung" oder "Mensch regelt weil Chef" zu erklären?


    Für mich klingt es so, daß Du viel zu nah an Hunden und Menschen vorbeigehst. Das überfordert sie, was Du ignorierst und dann kann sie gar nicht anders. Was soll sie denn machen? "Gehorchen", nur weil Du es möchtest?
    Ich finde Leinenpöpeln auch keine Unart, sondern eine Antwort des Hundes auf eine Situation, mit der er nicht zurechtkommt. Da muß Mensch auch nichts regeln. Was denn? Was soll Mensch denn regeln bei Passanten?
    Abstand halten, zeigen und benennen und vor allem aufhören, moralisch zu werten.

  • Ja es ist zweifellos so, dass sie manchmal total weggetreten wirkt, wenn sie etwas sieht, dessen Gefahrenpotential sie nicht einschätzen kann.


    Aber spricht man dann nicht auch von fehlender Bindung, wenn sie sich dann lieber allein in Richtung "Gefahr" begibt,um auszuchecken, was da los ist, statt bei uns Schutz zu suchen?

    Wo soll denn das Vertrauen herkommen, dass du sie schützt? Das muss man über einen längeren Zeitraum aufbauen.


    Vor allem Hunde, die oft im Regen stehengelassen wurden, haben ja oft verinnerlicht, dass sie sich selbst um ihre Unversehrtheit kümmern müssen.


    Und Hunde gehen eben unterschiedlich mit "Gefahren" um. Ich habe auch eine Hündin, die wählt im Zweifelsfall immer den Weg "auf ihn mit Gebrüll", während die zweite Schutz bei mir und der Ersthündin sucht.


    Bei aktiv regierenden Hunden ist mehr Training erforderlich. Aber dein Problem ist trainierbar und absolut nicht ungewöhnlich. "Zeigen und Benennen" wurde ja schon genannt, da solltest du dich mal einlesen.

  • Also laut dem TH war sie, als sie aufgegriffen wurde, kaum sozialisiert und kannte auch nicht viel. In ihrer Zeit im Tierheim wurde sie dann auch außerhalb der Arbeitszeiten von ihrer Pflegerin ehrenamtlich betreut, ab und an durfte sie auch mit zu ihr nachhause. Dort war sie knapp ein Jahr und sie hing unfassbar an ihrer Pflegerin.


    Diese muss also irgendwas richtig gemacht haben, was ich falsch zu machen scheine. Allerdings war sie vor ein paar Wochen zur Nachkontrolle ein paar Stunden bei uns zu Besuch und konnte angeblich nichts falsches oder schlechtes im Umgang mit Debby feststellen. Ich kann natürlich nicht sagen, ob das wirklich ihre Meinung war, oder ob sie einfach nur froh gewesen ist, dass der Hund vermittelt wurde. ;)


    Edit : danke für den Tipp, das zeigen und benennen hört sich jedenfalls interessant an!

  • Also laut dem TH war sie, als sie aufgegriffen wurde, kaum sozialisiert und kannte auch nicht viel.

    Dann ist davon auszugehen, dass der Stresspegel beim Spazierengehen insgesamt so hoch ist, dass dein Hund völlig außerstande ist, irgendetwas aufzunehmen, was du von ihr willst.

    Diese muss also irgendwas richtig gemacht haben, was ich falsch zu machen scheine.

    Sie hat wahrscheinlich einfach viel Erfahrung mit solchen Hunden. Du musst den Umgang erst lernen.


    Ich würde in kleinen Schritten vorgehen, kurze entspannte Runden in reizarmer Umgebung, sodass sie nicht überfordert wird und ansprechbar bleibt. Wichtig ist vor allem, dass du dich nicht stressen lässt und selbst Ruhe und Selbstvertrauen ausstrahlst.

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