Genetische Vererbung von Verhaltensweisen?

  • Guten Abend,


    ich habe gestern mit ein paar Leuten meinen Hund beobachtet und darüber gegrübelt, ob gewisse Verhaltensweisen genetisch verankert werden. 2 Beispiele:


    - meine Hündin neigt bei hoher Erregungslage mich, andere Menschen bzw. mein Pferd (wenn ich reite) zu umkreisen. Gerne auch bellend, wenn ich das nicht abstellen würde.
    - den "Fersenbiss" hat sie als Junghund immer wieder gezeigt (mittlerweile wegen Erziehung nicht mehr). Sie hat nicht wirklich gebissen, aber den Bereich der Achillessehne mit der Nase berührt. Von Außen sah es wie das "Stechen" aus, das Appis beim Kühehüten zeigen.


    Meine erster Appenzeller hat das auch gezeigt, aber die war ein Rückläufer zum Züchter und war dort auch ein paarmal an den Kühen zum Einarbeiten, bevor wir sie holten. Da dachte ich, sie hat es einfach abgeschaut.


    Meine jetzige Hündin hat noch nie an den Kühen gearbeitet und ihre Mutter mWn auch nicht, d.h. abschauen kann ich mir kaum vorstellen. Dass Bellfreudigkeit und eine hohe Sensibilität auf Reize vererbt werden, kann ich mir vorstellen. Werden solche Verhaltensweisen wie das Umrunden von Gruppen auch genetisch vererbt?

  • natürlich werden auch bestimmte Verhaltensweisen vererbt. Besonders offensichtlich dürfte z.B. das Vorstehen einiger Jagdhunderassen sein.

  • Meine Collies haben sicher seit Generationen nicht mehr an Schafen gearbeitet und zeigen dennoch Hütetrieb in Ansätzen. Das ist ja das Ziel von Zucht. Das Verhalten eben nicht bei jedem Hund komplett neu erlernt werden muss, sondern Grundlagen da sind, die dann geformt werden können.

  • Meine Herdenschutzhunde schlagen nur nachts an .... und sind mit einem „ok“ von mir auch wieder sofort ruhig.....


    Das was sie beschützen sind meine Kinder z. B. Bei uns am See , andere Hunde werden regelrecht abgeblockt ins dem sich die Hunde einfach dazwischen stellen ohne laut zu werden oder aggressiv zu sein , ich finde es faszinierend.

  • Aber wie wird das vererbt? Irgendwie fehlt mir da gerade die Vorstellung wie so etwas komplexes wie Verhaltensweisen genetisch fixiert werden können. Eine erhöhte Reizsensitivität, höhere Bellfreudigkeit, stärkerer oder schwächerer Wachtrieb - kann ich mir vorstellen. Aber "das Genprofil für das Vorstehen" - gibt es das? Muss ja wohl, wenn es so vererbt wird, dass Hunde es ohne Abschauen anwenden können...

  • Häufig wurde das Jagdverhalten (nagelt mich nicht fest... fixieren - anpirschen - hetzen - packen - töten... ungefähr so) abgewandelt züchterisch.


    Alle Hunde bringen Jagdverhalten mit, und dann hat man sich zu seinem Zwecke die Hunde heraus selektiert, die bestimmte Sequenzen davon ganz besonders toll zeigen, und manche gar nicht.


    Vorstehhunde sind die Hunde, die aus Hunden entstanden sind, die ganz besonders lange ihre Beute fixiert haben. Dann haben sich die Jäger damals gedacht "wow, das ist cool, der Hund taugt zwar nicht zur Sau-Hatz, weil er viel zu lange fixiert, aber er könnte mir anzeigen, wo das Wild ist" und weil sich das wohl gelohnt hat und eine Hilfe war, wurden zu diesem Zweck Hunde selektiert und besonders versorgt, etc., die eben besonders lange vorstehen. Der Rest wurde gemerzt oder anderweitig verwendet.


    Das selbe gilt für die Hüte- und Treibhunde und jede andere Gruppe an Hunden, die zu bestimmten Zwecken erfunden wurden.


    Auf der Alm fanden die Bauern vielleicht schwarz-braun-weiße Hunde cool, die so viel Mut hatten, Kühen in die Haxen zu zwicken. Sie sollten nicht besonders groß sein, weil sie sonst zu viel fressen und zu viel Geld kosten, aber sie dürfen die Jagdsequenzen bis zum Packen ("Hackenkneifen") zeigen. Töten bitte nicht. Hunde, die getötet haben, wurden gemerzt.


    Border Collies sollen bitte vor allem Pirschen. Da stand ein Mensch mal rum mit seinen Schafen und hatte einen Hund dabei, der nur gucken musste, und die Schafe sind vor ihm gekuscht. Der Hund fand das gut, und wann immer er ihn abgeleint hat, ist er um die Schafe herum gepirscht. Fixieren und Pirschen konnte der super, nen guten Gehorsam hatte er außerdem, sodass er schnell einige Begriffe lernen und anwenden konnte. Im Notfall sollte er mal "hetzen" und im Notnotfall auch mal packen, aber nicht zu feste und ohne beschädigen und vor allem ohne Töten. Wer beschädigt oder getötet hat, wurde gemerzt, oder eben zumindest aus der weiteren Vermehrung und häufig auch aus der Versorgung ausgeschlossen.


    usw usw


    Es wurden also sozusagen bestimmte Talente erkannt und entsprechend verpaart in der hoffnung, dass die Kinder die Talente mitbringen, evtl die Talente beider Eltern vereinen und sich somit verbessern.


    Der Mensch hatte schon früh raus, was er da machen muss und über viele Tausend Jahre hatte man ja auch Zeit, sich entsprechende Nutz-Hunde-Schläge (keine Rassehunde!) zu formen.


    Selbstverständlich steckt die Information dazu in den Genen. Ist natürlich sehr sehr komplex, es gibt kein alleiniges "Fixier-Gen" oder ein "Hacken kneif Gen"; aber genau so, wie man auf kleine Ohren, langes Fell oder kurze Beine selektieren kann, kann man auch auf Eigenschaften selektieren. Wie stark diese vererbt werden hängt von der Heritabilität der einzelnen Eigenschaften ab.


    Wenn Du magst googel mal nach dem Wort "Heritabilität", vielleicht ist das ja auch interessant für Dich.

  • Vor Jahrenden hat Birke (BorderCollie) - reiner Familienhund, nie ausgebildet - die ausgebrochenen Hühner vom Nachbarn auf dem eigenen Grundstück zusammen mit Herrchen 1a zusammengetrieben und wieder auf den Hof des Nachbarn "gebracht".


    Er hat sie einjährig als "Rückläufer"von der Züchterin übernommen - die Besitzerin war schwerst erkrankt - und Birke konnte sehr viele "normale" Kommandos aber ist wirklich nie ausgebildet worden an Schafen oder so...


    Tja ;) der Laie staunt und der Fachmann wundert sich (oder umgekehrt?)!

  • Sowohl Vorstehen als auch Fersenzwicken sind Elemente aus dem Jagdverhalten, die vererbt und daher züchterisch gefördert werden können. Das gesamte Jagdverhalten umfaßt ja vom allerersten Aufnehmen einer Spur oder Ausschau halten nach Wild bis hin zum Töten und Heimbringen der Beute viele komplexe Verhaltensweisen. Die kann man züchterisch durch entsprechende Auswahl der Zuchthunde fördern oder verdrängen.
    Beim Hüte- und Treibhund sind es zB Umkreisen, Treiben, Fixieren und Fersenzwicken, die aus dem Jagdverhalten stammen. Bei Apportierhunden ist es die Neigung, Beute zu tragen, die schon kleine Welpen zeigen.
    Bei Jagdhunden gibt es die Anlagenprüfungen, die schwerpunktmäßig das abfragen, was der junge Hund an vererbten Anlagen mitbringt, auch wenn Training und Vorbereitung bis zu einem gewissen Grad mit hineinspielen.


    Dagmar & Cara

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!