Charaktereinschätzung eines Tierheimhundes - ein Ding der Unmöglichkeit?

  • Danke euch für eure Antworten und vor allem auch Erfahrungen.
    Rein vom Bauchgefühl her hätte ich bisher dazu tendiert - wie auch einige hier schon berichtet haben -, dass zumindest die Grundtendenz direkt erkennbar ist. Da diese mir aber eben nicht gefällt, wollte ich Meinungen einholen und schauen, ob ich die Hündin nicht "zu hart" beuteile.


    Bei ihm kam dazu, dass er keine Zusammenarbeit mit Menschen kannte und auch keine richtige Kommmunikation. Drinnen wie draußen hat er auf Rufe, Pfiffe, Schnalzen , Klatschen, Schnipsen etc. null reagiert, er ist einfach nie auf den Gedanken gekommen, dass er gemeint sein könnte.Es hat über 1,5 Jahre gedauert, bis er verstanden hat, dass ich ihm auch zeigen kann, wo z. B. ein Leckerlie liegt, er konnte vorher mit solchen Gesten gar nichts anfangen (und ich bin nicht begabt im Umgang mit Hunden!).


    Wie alt ist denn die betreffende Hündin und welche Rasse ist sie oder ggf. welcher Mix? Elvis war bei der Übernahme ca. 3 Jahre alt und ist ein Jagdhund, wahrscheinlich Pointer oder Pointermix.
    Natürlich sind nicht alle Hunde einer Rasse gleich, aber z. B. bei einem Jagdhund würde mich ein starker Außenfokus jetzt nicht so wundern.


    In deinem Bericht erkenne ich sie so sehr wieder, danke dafür! Genau das habe ich auch gemacht. Geschnipst, geschnalzt, gelockt. Reaktion gleich Null. Auf ihren Namen hört sie nach belieben. Aber auch nur, wenn man sie forsch und fast schon unhöflich anspricht o.O


    Sie ist eine Schäferhündin, laut Einschätzung der Tierärztin zwischen 1- 3 Jahre jung. Ihr eigentlicher Besitzer hat sie von Bekannten, welche er um Betreuung gebeten hatte, nicht mehr wiedergeholt. Diese haben sie dann für ein halbes Jahr bei sich behalten. Allerdings nur draußen auf dem Grundstück, im Haus wollte man sie nicht haben. Die Nachbarn haben dann das Vet-Amt verständigt und so landete sie beschlagnahmt im TH. Kein Impfpass, keine Daten, nichts. Sie kennt "Nein", ihren Namen nach belieben und "Sitz". Bei ruckartigen Bewegungen weicht sie zurück, ist aber bei sonstigen Bewegungen oder Geräuschen nicht ängstlich.


    Wenn Ihr die Möglichkeit habt - besucht sie regelmäßig in kurzen Abständen. Erst dann hat sie überhaupt die Möglichkeit, Euch als eine gewisse Konstante in ihrem Leben wahrzunehmen. Und erst dann kann man Aussagen treffen, ob grundsätzlich Interesse aneinander vorhanden ist.


    Leider - für uns, gut für sie -, hat sie noch andere Interessenten und die Entscheidung muss recht kurzfristig getroffen werden. Aktuell haben wir das Glück Vorecht zu haben, weil das TH meint es könnte gut mit uns passen, aber ich kann und will natürlich niemanden "hinhalten". Wäre das anders, fände ich deinen Vorschlag gut und mir würde das bestimmt auch Sicherheit in der zu treffenden Entscheidung bringen, leider habe ich die Möglichkeit nicht :(

  • Mit diesen Zusatzinfos erklärt sich die Zurückhaltung - wobei sie ja durchaus aufgeschlossen ist, so wie Du es beschrieben hast - ja nun erst Recht. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich gern anschliessen will, aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen dazu aber eben einfach Zeit, eine Konstante und Vertrauensaufbau braucht. Für mich klingt das nach einer schönen Aufgabe.


    LG, Chris

  • Wie ist sie denn mit den Pflegern die sie täglich sieht? Orientiert sie sich an denen denn mehr? Also zumindest im Tierheim?
    An sich kann es auch praktisch sein einen Hund zu haben der sich für Fremde erst mal nicht so sehr interessiert.
    Und ich denke man kann schon sehr viel erreichen je mehr man eine Bindung aufbaut. Einiges kommt von alleine, anderes kann man über ausschließliche Handfütterung etc angewöhnen. Und Schäferhunde haben ja meistens schon ein Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Menschen. Sie kennt es bei der Vorgeschichte wahrscheinlich einfach nur nicht.

  • Zu bedenken ist dabei aber auch, dass alleine bleiben können (von Anfang an?) ein Kriterium war. Ein Hund, der sich gleich ganz intensiv bindet, weil ihm das so gefehlt hat, wird wahrscheinlich eher Probleme damit haben, wenn der neue Bindungspartner gleich wieder für längere Zeit verschwindet. Sie ist das gewohnt. Auch das kann noch kommen. Aber wenn man bedenkt, dass ihre Welt nur aus Garten bestand, wer kann es ihr verdenken, das draußen einen so hohen Stellenwert hat? Ihre Rasse verspricht ja doch, das da genetisch noch eine Menge Potential für den will to please drinsteckt. Aber ich denke doch, das wichtigste ist, das man sich schon ein bisschen verliebt. Probleme werden auftauchen, ob Hund aus dem Tierschutz oder Welpe und die bewältigen sich besser, wenn man vom Herzen her den Hund gewollt hat und nicht ständig denkt, hätte ich mich damals doch rational anders entschieden. Ich finde schon ein JA zum Hund ist die Voraussetzung für den Beginn einer Beziehung. Also realistisch vorstellen nun abzusagen, Hund sieht man nicht wieder. Passiert da irgendwas? Wenn nicht, war sie es nicht und ihr könnt ohne schlechtes Gewissen anderen Interessenten dieses JA überlassen. Ich erlebe das jedenfalls öfter, das ein Hund nach Kriterien gesucht wird, dann ist da der Hund, der nach Liste passt und man sucht schon so lange, also nimmt man den Hund, weil man die Suche leid ist und der Funke kommt aber nie. Man hat Hund... aber die Vorstellung, die man hatte, erfüllt die Beziehung nicht wirklich. In jedem Fall viel Glück beim Abenteuer Hund!

  • Genau das habe ich auch gemacht. Geschnipst, geschnalzt, gelockt. Reaktion gleich Null. Auf ihren Namen hört sie nach belieben. Aber auch nur, wenn man sie forsch und fast schon unhöflich anspricht o.O

    Ach, krass - bis heute kommt Elvis ganz schnell angelaufen, wenn ein anderer Hundehalter böse nach seinem Hund schreit. Er ist dann meist lange vor dem eigentlich gemeinten Hund da.


    Dank gutem Aufbau kommt er aber auch extremst zuverlässig auf "seinen" tatsächlichen und fröhlichen Rückruf (den es jetzt neuerdings auch in der gefühlsneutralen Version der Pfeife gibt). Und da ich das immer noch auch immer wieder belohne, hört er auch sehr gut auf seinen Namen. Allerdings nur so, wie ich ihn ausspreche, was mir oft aber sehr recht ist.
    (Zum Beispiel in solchen Situationen:
    Netter Mensch auf der Straße: "Wie heißt denn ihr Hund?"
    Ich: "Elvis"
    Netter Mensch (quietschig): "Ach Eeeeelvis, bist du? Bist du der Eeeeelvis? Ja bist du der kleine, feine Eeeeelvis?! Der Eeeelvis bist du?!"
    Elvis: ---- keine Reaktion ----)


    Sie ist eine Schäferhündin, laut Einschätzung der Tierärztin zwischen 1- 3 Jahre jung. Ihr eigentlicher Besitzer hat sie von Bekannten, welche er um Betreuung gebeten hatte, nicht mehr wiedergeholt. Diese haben sie dann für ein halbes Jahr bei sich behalten. Allerdings nur draußen auf dem Grundstück, im Haus wollte man sie nicht haben. Die Nachbarn haben dann das Vet-Amt verständigt und so landete sie beschlagnahmt im TH.

    Dazu dürfte ich gar nichts schreiben. Ich liebe Schäferhunde und dank der unfassbar tapferen rumänischen(?) Schäfer(mix?)hündin einer Bekannten von mir habe ich inzwischen eine noch größere Schwäche für die ganze Rasse.


    Mit diesen Zusatzinfos erklärt sich die Zurückhaltung - wobei sie ja durchaus aufgeschlossen ist, so wie Du es beschrieben hast - ja nun erst Recht. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich gern anschliessen will, aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen dazu aber eben einfach Zeit, eine Konstante und Vertrauensaufbau braucht. Für mich klingt das nach einer schönen Aufgabe.

    Ich stimme dem voll zu.

    Einiges kommt von alleine, anderes kann man über ausschließliche Handfütterung etc angewöhnen. Und Schäferhunde haben ja meistens schon ein Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Menschen. Sie kennt es bei der Vorgeschichte wahrscheinlich einfach nur nicht.

    Die letzten beiden Sätze möchte ich auch unterstreichen.


    Nur zur Handfütterung habe ich kein gutes Verhältnis. Ich habe Elvis anfangs (nur) per Hand gefüttert und würde das nicht wieder tun. Ich habe im nachhinein das Gefühl, damit lange eine ungünstige Abhängigkeit geschaffen zu haben (die mir bei seinem Jagdtrieb fieserweise trotzdem nix gebracht hat!), so als Quelle allen Futters.
    Heute würde ich eher die Grundration in den Napf packen, ein bisschen was davon zum Üben abzweigen und besondere Leckerbissen/mal was von meinem Essen etc. aus der Hand geben, ganz normal halt. Ich würde dafür früher mit sowas wie Clickern anfangen, einfach um eine erste Kooperation aufzubauen. ... Elvis kannte am Anfang auch kein Spielzeug und war dadurch null an sowas interessiert, es war schwierig für mich, jenseits des Kuschelns Kontakt zu ihm zu finden, so blöde das klingt.
    ... und ich würde eben auch denken, dass all das bei einer Schäferhündin etwas einfacher ist.

  • Beim Spazierengehen reagiert sie in keinster Weise auf uns und orientiert sich auch nicht Richtung Mensch.

    Hat sie ja auch nicht gelernt.
    Es gibt halt keine "Instant-Hunde", weder vom Züchter noch aus dem TH.
    Das Prägen ist immer Arbeit und braucht Zeit und Geduld.


    (Mir selbst waren eigene Ansprüche nicht so wichtig. Ich hab die Hunde einfach genommen und mich drauf eingestellt, dass ich nicht viel erwarten kann.)

  • @LillaLaune: Könntest du damit leben das sie ihr Leben lang eher distanziert bleibt?
    So wie du schreibst glaube ich das es genau das ist was du fürchtest, oder?
    Falls ja: Lass es.


    Denn auch wenns viele hier geschrieben haben: Es kann kommen! Kann. Nicht muss. Und wenn für dich persönlich der Worst Case ist das sie nie wirklich kuschelt oder sowas, dann lass es.
    Nimm dir lieber die Zeit andere Hunde länger kennenzulernen, damit bist du sicherer.

  • TH Hunde kommen auch oft mit der Situation an sich nicht klar. Bellende Hunde, Stress und Co. Bei uns im Verein kam erst kürzlich eine Hündin an, die im TH absolut auf Krawall aus war. In der Pflegestelle hatte sie sich jedoch innerhalb von ein paar Tagen ganz anders gezeigt. Will sagen, solche Hunde oder überhaupt beim richtigen Mensch/Umgebung kann es oft anders und postiver ausschaun.
    Und gerade Schäfis haben den will to please....Man muss sich aber auch dem Hund gewachsen fühlen. Und klar kann es sein, das der Hund etwas reservierter sein kann, was einen Schmuser nicht ausschließt. Jedoch auch den..ich will nicht mit jeden aber mit dir schmusen...kann dir so oder so passieren.Es wird eine Aufgabe sein die sich lohnen kann. Kommt darauf an was du wirklich willst/suchst.
    Doch ich finde auch, wenn du gewillt bist mit dem Hund dann zu arbeiten, kann eine tolle Freundschaft mit viel Vertrauen entstehen. Es kommt doch auch viel darauf an, was Mensch daraus macht . ;)

  • Wie ist sie denn mit den Pflegern die sie täglich sieht? Orientiert sie sich an denen denn mehr? Also zumindest im Tierheim?

    Nein. Sie ist sehr neugierig und möchte am liebsten überall ihre Nase drinhaben, ist aber unsicher, wie weit sie gehen kann. Konkretes Beispiel: Wir sitzen mit ihr im Zwinger, draußen wird mit Näpfen gescheppert und das Wasser angestellt. Sie schaut neugierig vor, springt dann einen großen Satz wieder zurück wenns scheppert, um dann sofort wieder einen Schritt neugierig nach vorn zu machen. So sei sie immer wurde uns gesagt. Sie ist jedem Hund/ Mensch dort bisher freundlich begegnet, hat aber auf meine Nachfrage hin bei niemandem eine entspannte und "freudige" Haltung.

    Ich finde schon ein JA zum Hund ist die Voraussetzung für den Beginn einer Beziehung. Also realistisch vorstellen nun abzusagen, Hund sieht man nicht wieder. Passiert da irgendwas? Wenn nicht, war sie es nicht und ihr könnt ohne schlechtes Gewissen anderen Interessenten dieses JA überlassen. Ich erlebe das jedenfalls öfter, das ein Hund nach Kriterien gesucht wird, dann ist da der Hund, der nach Liste passt und man sucht schon so lange, also nimmt man den Hund, weil man die Suche leid ist und der Funke kommt aber nie. Man hat Hund... aber die Vorstellung, die man hatte, erfüllt die Beziehung nicht wirklich. In jedem Fall viel Glück beim Abenteuer Hund!

    Gute Idee und gar nicht weit weg. Wie gesagt möchte ich niemanden hinhalten und vor allem auch der Hündin schnellstmöglich die Chance auf ein richtiges Zuhause ermöglichen. Also werde ich so oder so heute eine Entscheidung treffen und mir gleich mal Gedanken machen, wie ich es fände, wenn sie woanders hingeht.


    Das Elvis da nicht reagiert, kann ich ihm nachfühlen *gg*
    Aber erstaunlich, dass du mit ihm da ähnliche Erfahrungen gemacht hast und er ebenfalls "freiwillig" auf eine so gar nich einladende Ansprache reagiert.

    @LillaLaune: Könntest du damit leben das sie ihr Leben lang eher distanziert bleibt?
    So wie du schreibst glaube ich das es genau das ist was du fürchtest, oder?
    Falls ja: Lass es.


    Denn auch wenns viele hier geschrieben haben: Es kann kommen! Kann. Nicht muss. Und wenn für dich persönlich der Worst Case ist das sie nie wirklich kuschelt oder sowas, dann lass es.
    Nimm dir lieber die Zeit andere Hunde länger kennenzulernen, damit bist du sicherer.

    Wenn ich ganz ehrlich bin? Ich glaube eher nicht, nein. Ich fände es völlig ok, wenn sie Zuhause gerne für sich ist und eben auch mal keinen Bock auf uns hat. Aber ich fände es offen gestanden doof, wenn ich etwas mit ihr üben/unternehmen möchte und das Gefühl kriege, sie tut mir maximal einen Gefallen und alles andere entspräche eher ihrer Laune.


    Ich möchte gerne realistisch sehen, dass wenigstens Tendenzen da sind, dass man ein gutes Hunde-Mensch Team werden kann. Und vielleicht klingt das bescheuert, aber irgendwie hab ich bei ihr das Gefühl, dass ich sie ganz toll finde und sinnbildlich gesprochen sage "Hey, lass uns doch mal schauen, ob wir zusammen passen könnten?" und sie sich denkt "Nee, lass mal, du bist zwar eine ganz nette Ische mit Leckerlie, aber MEIN Mensch schwimmt auf einer anderen Wellenlänge!" Wisst ihr wie ich das meine? xD

  • Wie kann ich erkennen, ob die Hündin einfach an der Situation dort zu knabbern hat (obwohl es ein wirklich tolles und bemühtes TH ist) oder ob sie einfach so ist wie sie sich zeigt (hat vorher sehr selbstbestimmt und frei gelebt)?

    Als Laie ist das vermutlich schwierig.
    Es gibt Testverfahren, mit denen Tendenzen bei Tierheimhunden bestimmt werden können und mit denen (je nach Verfahren) mehr oder minder zuverlässig eingeschätzt werden kann, wie sich ein Hund voraussichtlich entwickeln wird.
    Ganz grundsätzlich beobachten Hunde neue Menschen und Situationen, bevor sie auspacken. Und eine Bindung entwickelt sich, wie hier beschrieben wurde, ja nicht von heute auf morgen.
    Wenn Du Dir unsicher bist, würde ich überlegen, einen Trainer hinzuzuziehen, der Dir seine Einschätzung zu einzelnen Kandidaten gibt, die Dich interessieren.

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