Die Vergangenheit Eures Hundes...

  • Ich weiß fast nichts über die ersten drei Jahre von Elvis' Leben, aber ich glaube, er hatte keine unfassbar schlimme Vergangenheit. Dennoch tun mir die Details, die ich kenne, weh und es fügt sich immer mal wieder ein Puzzlestück ein. Er wurde mit ca. 1 Jahr vor dem Tierheim in Sardinien angebunden, nachts, bei Gewitter. Inzwischen vermute ich, dass er damals wegen seines Kreuzbandrisses aussortiert wurde, aber das ist halt Spekulation. Im Tierheim hatte er eine extrem fiese Ohrenentzündung, sein rechten Ohr ist innen stark vernarbt.
    Gleichzeitig ist es inzwischen so absurd für mich, dass dieser Hund, den ich inzwischen so gut kenne, da im staubigen Sardinien an eine Hundehütte angebunden war, ohne Ansprache, ohne Menschen. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, obwohl ich weiß, dass es so war und ja auch Fotos und Videos von ihm aus seinem Tierheim kenne.
    Aber er ist inzwischen einfach auch ein anderer Hund (ha, und während ich dies schreibe, pupst er zutimmend - dat is mein Elvis!).


    Inzwischen ist Elvis fast 3 Jahre bei mir, wir haben also fast Gleichstand zwischen vorher und nachher. Und so fließt vieles ineinander. Er liebt es, seine Ohren gekrault zu bekommen und ich freue mich darüber, dass ihm das Ohr, dass ihm früher solche Schmerzen bereitet hat, jetzt so einen Genuss verschafft.
    Teilweise verwöhne ich ihn aus Prinzip - er liegt gerne weich, also bekommt er weiche Hundebetten und gerne ein, zwei Decken mehr. Essen bedeutet ihm die Welt. Also sehe ich zu, dass ich auch geiles Zeug ranschaffe. Ich würde das glaube ich mit jedem Hund machen, aber bei Elvis spielt natürlich schon mal mit rein, dass ich dabei seiner Vergangenheit den Stinkefinger zeige. Im Tierheim hat er hart gelegen, seine Liegeschwielen waren schon krass und sind auch jetzt noch erahnbar ... hier, noch eine Decke, Elvis!

    Und wenn ich sehe, wie Bonnie jetzt das gute und liebevolle aufsaugt wie ein Schwamm und im Moment gar nicht genug bekommen kann, tut es schon sehr weh zu wissen, was sie all die Jahre entbehren mußte.

    Jaaaa, aber: du kannst dich auch gleichzeitig für sie freuen, dass jetzt Jahre um Jahre vor ihr liegen, in denen dieser liebevolle Umgang für sie zur Normalität wird. So wie es für alle Hunde sein sollte. Und was meinst du, wie cool es ist, wenn so ein Hund das erste Mal beschließt, dass ihm heute eigentlich nicht nach Kuscheln ist - weil er sich sicher ist, dass das nicht das Ende allen Kuschelns für immer für ihn bedeutet.


    Will sagen: ein Stück Vergangenheit bewältigt man sozusagen gemeinsam ;)

  • Ich habe auch gemutmaßt, was gewesen sein könnte, was den Hund so werden ließ wie er ist und damals war. Seine Reaktionen waren mir damals wichtige Hinweise und wir haben recht schnell den richtigen Weg für uns gefunden. Ich weiß nichts über seine Vergangenheit, doch nie habe ich das Köfferchen an Problemen als Last gesehen sondern als Chance alles nun (viel) besser zu machen. Ihm das Leben zu geben das er verdient, auch wenn das erst mit 2,5 Jahren "angefangen" hat.

  • Sie sind quasi nicht meine Kinder, sondern Teil unserer WG.

    Genau so sehe ich das auch. Auch wenn wir sie manchmal liebevoll "unser Baby" nennen. ;)


    Manchmal kommen mir diese Gedanken, was wohl früher war, ja. Und dann sehe ich Kaela an und weiß, dass das eigentlich vollkommen egal ist. Weil sie ein toller Hund ist, so wie sie ist. Sie passt wie die Faust aufs Auge zu mir. Oder sie hat sich entsprechend angepasst? Egal wie, es ist gut so wie es ist.
    Hilfreich war mir sicherlich, dass ich ein sehr lösungsorientierter Mensch bin. Es gibt ein Problem? Dann überlege ich, was ich dagegen tun oder wie ich es verringern kann. Prinzipiell nehme ich Kaela einfach wie sie ist und versuche ihr klarzumachen, dass das doch nicht so schlimm ist.
    Ein plötzliches Geräusch? Kaela zuckt vielleicht etwas zurück. Ich ganz ruhig: "Ahja, da hat's gekracht. Macht doch nix." Je nachdem gucken wir vielleicht noch und dann geht's weiter. Mit dem Spaziergang oder einfach mit dem Leben. Da denk ich auch schon lange nicht mehr drüber nach, was sie wohl erlebt hat. Das ist halt so, so reagiert sie. Und ich zeig ihr, dass es nicht so schlimm ist.
    Und ganz ehrlich? Wenn es irgendwo lärmt, würde ein normaler Mensch doch auch vielleicht zusammenzucken? Oder erschrocken in die Richtung gucken? Ok, ist wohl nicht das ultimative Beispiel, aber manche Reaktionen sind vielleicht viel normaler, als wir manchmal denken.
    Die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber das Beste aus der Gegenwart machen.

  • Die Vergangenheit von drei unserer Hunde macht uns zornig und wütend, aber wir machen es wie die Hunde - wir leben damit.
    Ändern können wir es nicht mehr.
    Wir machen jeden Tag das Beste daraus und es macht uns glücklich, sie fröhlich und zufrieden zu sehen.
    Sie werden verwöhnt, da geht es uns nicht anders als @KasuarFriday . ;)
    Wir nehmen Rücksicht auf ihre Ängste und Besonderheiten, ohne sie in Watte zu packen. Wir erwarten keine Dankbarkeit, aber einen gewissen Grundgehorsam.


    Wir behandeln sie wie ganz normale Hunde, die gewisse Special Effects haben.

  • Ich weiß nicht genau, was es mir bringen sollte, über die Vergangenheit meiner Hunde nachzudenken. Ich kann sie nicht ändern, nicht besser machen. Was ich besser machen kann, ist die Gegenwart und die Zukunft. Also denke ich darüber nach und belaste mich nicht mit unnützen Ballast. ;)

  • Ich hatte bisher zwei Hunde mit ziemlich katastrophaler Vergangenheit, was man so rekonstruieren konnte, und einen, der eigentlich bloß gedankenlose Halter hatte. Umgegangen bin ich mit ihnen allen ziemlich gleich, und das tu ich auch bei den Tierheim-Pfleglingen.
    Ich finde es gut, wenn ich etwas über die Vergangenheit weiß, da es für mich im Umgang und im Training hilfreich sein kann. Es hilft, wenn man ungefähr einschätzen kann, was den Hund ggf. triggern könnte. Bei meinem Collie waren es Besen und Zeitungen. Meine Hündin biss bei Panikattacken um sich. Spuk mag absolut keine Kinder und hatte eine Wasserphobie, als er zu mir kam. Den Grund für diese beiden "Macken" habe ich erfahren, und so konnte ich leichter dran arbeiten.
    Was ich nicht tue, auch wenn es mir gerade bei den Tierschutzhunden manchmal noch etwas schwerfällt, ist, Mitleid zu haben und deshalb das Tier zu verhätscheln. Klar, bei einigen Schicksalen musste ich schon schlucken, manchmal kamen mir auch die Tränen, aber das passierte einmal. Danach habe ich meine Energie lieber darin investiert, herauszufinden, was ich tun kann, um dem Hund zu helfen, sich in seinem neuen Leben zurechtzufinden.

    Das kann ich im Grunde nur absolut unterschreiben. Der allergrößte Teil meiner Hunde hat eine unschöne bis wirklich schreckliche Vergangenheit. Bei einigen habe ich zumindest teilweise erfahren können, was ihnen passiert ist - bei anderen kann ich es mir an den Reaktionen auf verschiedene Dinge ziemlich sicher vorstellen.


    Für die Tiere finde ich es ganz furchtbar, aber ich helfe keinem Tier damit, dass ich ihre Vergangenheit beweine. Das Wissen darum ist für mich wichtig, um bestmöglich auf die Tiere eingehen und ihnen helfen zu können - nicht um sie wegen ihrer Vergangenheit zu verhätscheln oder zu bemitleiden, sondern um ihnen die bestmögliche Unterstützung und Hilfestellung für den aktuellen, tollen Teil ihres Lebens geben zu können - am allerschlimmsten fände ich es nämlich, wenn der vergangene, schlimme Teil ihres Lebens ihr weiteres Leben beeinträchtigen würde, weil ich vor lauter Mitleid keine Energie habe, ihnen Hilfestellung zu geben.

  • Das ist alles was ich über Kitos erste Monate weiß:

    Man könnte nun viel spekulieren und große traurige Geschichten zusammenspinnen. Tatsache ist aber nur, dass er am Tag des Aufgreifens wohl schon länger sich selbst überlassen war. Nur der eingewachsene Strick zeugte von Kontakt zu Menschen. Diesen Teil kann ich tatsächlich gut abhaken.


    Was mir manchmal Gedanken macht (früher mehr als jetzt), ist die Frage, ob es fair ist so einen Hund zu "retten", uns ihm aufzuzwingen und ihn in ein Leben zu pressen, auf das er einfach nicht vorbereitet war. Es verging unheimlich viel Zeit, bis er menschliche Nähe ertragen konnte und ich glaube fast diese Zeit, die er zusammengekauert in seiner Box lag und sich verkrochen hat könnte schlimmer gewesen sein, als sein Leben davor.


    Inzwischen merkt man ihm seine Scheu immer seltener an und ist meist ein unkomplizierter Begleiter, der mit seinem Leben als Landei vermutlich meist recht zufrieden ist.
    Etwas rührselig werde ich nur immer dann, wenn er neben mir auf der Couch Kontakt sucht, wild schmust und kleine Maul-Hand-Gefechte mitmacht. So viel Vertrautheit ist eben immernoch nicht selbstverständlich.


    In meinem Pfoto-Thread gehts auf den ersten Seiten übrigens um den Kerl.

  • @Cherubina
    Um Gottes Willen, der arme Hund auf den Fotos! Bin ich froh, zu lesen, dass er jetzt einen Sofaplatz hat.

    @CherubinaWas mir manchmal Gedanken macht (früher mehr als jetzt), ist die Frage, ob es fair ist so einen Hund zu "retten", uns ihm aufzuzwingen und ihn in ein Leben zu pressen, auf das er einfach nicht vorbereitet war. Es verging unheimlich viel Zeit, bis er menschliche Nähe ertragen konnte und ich glaube fast diese Zeit, die er zusammengekauert in seiner Box lag und sich verkrochen hat könnte schlimmer gewesen sein, als sein Leben davor.

    Ich bin eine Romantikerin, darum: ja, ich finde, das ist zumindest fairer, als den Hund nie erleben zu lassen, dass das Leben auch anders sein kann.
    Und ich glaube, wenn ich an der Stelle des Hundes (ahem, mit der Gedankenwelt eines Menschen) wäre, dann würde meine Wahl auch so ausfallen. Ich würde lieber große Angst erleben und sie überwinden, als ohne Hoffnung zu sterben.

  • Ich nehme sie wie sie ist mit all ihren Macken. Natürlich denke ich manchmal „oh Gott was hast du nur erleben müssen“ aber ich bemitleide sie nicht. Ich bin da wenn sie Angst hat und versuche sie vor Situation oder Begegnungen die ihr Angst machen zu schützen. Ihre Vergangenheit war nicht schön aber gerade deswegen soll ihre Zeit bei uns so schön und unbeschwert sein wie es nur geht.



    Man kann nicht jeden Hund dieser Welt retten ABER man kann die ganze Welt eines Hundes retten.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!