Auswirkungen von menschlichem Verhalten auf den Hund

  • Hallo,
    ein bisschen aus der Reihe. Vielleicht!?! In einer meiner letzten Rehas hatten wir in der Gruppentherapie das Thema "familiäre Spannungen". OK, ich war an der Reihe und im Psychodrama wird eine realistische Situation aufgebaut. Da fehlt noch was? Nö! Doch! Was will die Therapeutin von mir? Ich fange nicht eher an, bis alles komplett ist! ????. Denken Sie mal nach, wer alles zum Abendessen in der Küche war bzw. ist. Stimmt, der Hund. Also musste eine Mitpatientin die ganze Zeit unterm Tisch liegen und Hund spielen. Was ich damit schreiben möchte, bis zu dem Tag hatte ich mir über Hunde und Empathie keine Gedanken gemacht. Danach war ich schlauer! :smile:

  • Und auch hier nochmal eine dicke Entschuldigung, das ich mich jetzt erst wieder dazu melde, schließlich habe ich das Thema gestartet. Wir hatten eine Weile kein Internet und ich kann einfach übers Handy keine langen Texte tippen :verzweifelt:
    Ich finde es ganz grossartig, wie ehrlich Ihr geantwortet habt und hier sowohl Grundgedanken als auch eigne Erfahrungen mitgeteilt habt. Dankeschön :bindafür:
    Mir hat das wirklich sehr, sehr geholfen!!!

  • Ich oute mich mal grad ein bißchen, weil das für mich eine herbe Erkenntnis ist, die ganz gut in diesen Thread passt. Außerdem gab es ja oft auch schon Threads bezüglich Depression und Hund.
    Ich hab seit inzwischen 30 Jahren wiederkehrende Depressionen. Trotz etlicher Jahre intensiver Therapie lief es bisher immer so, dass mich eine erneute Episode über kurz oder eher lang in die Klinik katapultiert hat. Ich habe es nie geschafft, vorher die Reißleine zu ziehen und die Symptome wirklich zu erkennen.
    Der Geordy ist für meine Begriffe hypersensibel, vor allem was meine Stimmungen betrifft, und er spiegelt mich da sehr deutlich. Das hat dazu geführt, dass ich mich vor ein paar Wochen zum ersten Mal in meiner "Karriere" in ambulante Behandlung begeben habe. Ohne da jetzt ausführlich ins Detail zu gehen, hat Geordy mir sehr schmerzhaft vor Augen geführt, wie es mir aktuell geht. Momentan nimmt er auch jeden Infekt mit (erst vor kurzem Magen-Darm, aktuell "Grippe", die ich auch hab), was für ihn nicht typisch ist.
    Meine Behandler finden das ja durchaus positiv. Eben mit dem Blick auf mich.
    Ich finde das für den Hund aber eigentlich überhaupt nicht akzeptabel, sondern im Gegenteil ganz furchtbar.
    Eddie und Finlay sind davon nicht betroffen. Mein Fazit derzeit: niemals wieder einen so sensiblen Hund wie Geordy.

  • In der Hoffnung, Dir nicht zu nahe zu treten, @mittendrin:
    Du hast es gemeinsam mit Deinem Hund geschafft, Deine Erkrankung zurückzudrängen und Dir bzw. Euch ein ganzes Stück Lebensqualität und Handlungsfreiheit zurückzuerobern. Du hast alles getan, was ein Mensch für seinen Hund tun kann: Du hast Verantwortung übernommen, gehandelt und bist dabei über Deine bisherigen Grenzen gegangen.
    Ich finde, das ist eine riesige und sehr berührende Leistung, die zeigt, dass sich genau der richtige Mensch und der richtige Hund gefunden haben. Eine so tiefe und innige Beziehung haben nicht viele Menschen zu ihrem Hund. Und im Gegensatz zu Dir denkt Geordy nicht darüber nach, was gestern war. Auch wenn es schwer ist: denk nicht an gestern sondern genieß das Heute und sei stolz auf Geordy und Dich. Ihr seid ein tolles Team. :smile:

  • @mittendrin
    Ich finde es schön, dass du so offen schreibst...! Oft wird das Thema ja totgeschwiegen...
    Wenn wir Hund haben, die uns so spiegeln, ist das eigentlich ein schönes Zeichen für eine gute Bindung. Umgekehrt merken wir doch auch, wenn unsere Nasen nicht gut geht.
    Das Geordy dir ein Stück weit geholfen hat, einen Schritt zu gehen, den du so wahrscheinlich nicht gegangen warst, bzw. erst später, sehe ich als positiv.
    Ich glaube auch nicht, dass es für deinen Hund so schlimm ist. Du schreibst ja, dass du nicht ins Detail gehen magst, was auch vollkommen ok ist. Aber für mich kommt erstmal nicht negativ rüber...!
    Alles liebe für dich... :bussi:


    Zum Thema. Natürlich hat unser Verhalten immer Einfluss auf unsere Hunde. Je nach dem, mal mehr, mal weniger. Aber mal sollte das nicht unterschätzen. Wenn ich zB ruhig Bund entspannt bin, kann ich damit meinem Hund helfen, selber runter zu kommen...!

  • Ich hab auch so einen extrem sensiblen Spiegelhund. Der ist Fluch und Segen zugleich :ugly:


    Ich weiß, dass Frodo selbst ein Hysteriker ist und dazu neigt zu übertreiben, aber ich weiß halt auch, dass er extrem gut darin ist Schwingungen/Spannungen (wie auch immer man es nennen möchte) wahrzunehmen. Er trägt mitunter meine Anspannung nach außen.
    Nicht jedes Mal, wenn Frodo bellt, bellt er weil ich angespannt bin, aber eine ganz bestimmte Art zu bellen, tritt wirklich nur auf, wenn ich angespannt bin und da reicht eine so leichte Anspannung, dass ich sie ohne Reflexion gar nicht wahrnehme. Er weiß alles und lässt sich davon extrem beeinflussen. Ich kann mich an Unmengen an Situationen erinnern, in denen meine Anspannung zu einer völlig übertriebenen Reaktion seinerseits geführt hat.
    Das gilt bei ihm übrigens auch für Finyas Gemütszustände. Wenn die ausrastet, rastet Frodo auch aus. Ich habe das früher immer auf sein Mitläuferwesen geschoben. Inzwischen glaube ich, dass er einfach sehr sensible Antennen für das Gefühlschaos seiner Mithunde und Mitmenschen hat und sich dem nicht entziehen kann.
    Für die, die Harry Potter gesehen haben - ein bisschen wie Voldemort, der versucht in Harrys Gedanken einzudringen und Harry kann ihn nicht davon abhalten. Genauso, gehts wohl Frodo.


    Ich glaube er hat damit ein ziemlich schweres Los (er bräuchte um selbst ein cooler und ruhiger Hund zu sein, wohl einen Halter, der komplett in sich ruht), aber ich sehe es als Chance für uns beide. Ich weiß, was ich an meinen Hunde habe und was sie mir beibringen/beigebracht haben. Sie können das oftmals besser als Menschen.

  • Man muss es wirklich als Chance begreifen. Ich sehe es immer wieder beim labbi meiner Freundin. Der ist unheimlich aggressiv anderen Hunden gegenüber, insbesondere an der Leine. Das alles geschieht aus Unsicherheit. Ich gehe mit ihm an jedem (!) anderen Hund vorbei, ob der andere bellt oder nicht, ohne dass der labbi reagiert. Ich Ruhe da tatsächlich in mir und übertrage es auf den Hund. Sobald meine Freundin dabei ist, nimmt er ihre eigene Unsicherheit wahr und ist ein anderer Hund... Solange sie nicht sicherer wird, kann das alles nicht klappen...

  • @Juno2013 und @Vinimaus
    Ich weiß Eure Beiträge sehr zu schätzen. Danke dafür.


    Ich sehe das aber trotzdem anders. Die Depression ist ja kein kurzfristiges Ereignis, wie z.B. ein epileptischer Anfall oder eine Unterzuckerung. Auch kann man nicht so wirklich dagegen steuern, wie man das im Falle von Hektik und Streß kann. Ich kann für Menschen sehr gut eine Maske aufsetzen und die merken nichts. Ist anstrengend und hat seine Folgen und deshalb limitiert, funktioniert aber. Bei Geordy funktioniert das nicht. Ich kann ihn also nicht wirklich da rausholen, bis die Besserung tatsächlich da ist und das ist in aller Regel ein sehr langer Zeitraum. Ja, es hat mich jetzt zum Handeln bewegt. Ja, evtl. bewirkt das auch, dass es etwas schneller geht, weil ich das Leid beim Hund nicht ertragen kann.


    Aber so ein Hund, wie mein Pondi früher, von dem ich immer gesagt habe: mein Gute-Laune-Clown! - der steckt das einfach viel besser weg.


    Inzwischen glaube ich, dass er einfach sehr sensible Antennen für das Gefühlschaos seiner Mithunde und Mitmenschen hat und sich dem nicht entziehen kann.
    Für die, die Harry Potter gesehen haben - ein bisschen wie Voldemort, der versucht in Harrys Gedanken einzudringen und Harry kann ihn nicht davon abhalten.

    Mein Vergleich wäre eher das eigentliche gesegnete, aber doch verfluchte Kind Elva aus Eragon.

  • Also wenn es im Haushalt z.Bsp. eine Person gibt, die permanent, nahezu täglich cholerische Anfälle bekommt, Wutausbrüche, laut wird/schreit (dabei aber nie gewalttätig gegen den Hund!), kann sich das auf ein Hundeverhalten auswirken? Wenn ja, wie?

    Ich fände es bei einem hochsozialen Wesen wie einem Hund bizarr, wenn es sich nicht auswirken würde.
    Beim Hund kommt ja außerdem verstärkend hinzu, dass er vollkommen von "seiner" Familie abhängig ist (zu deren Haushalt die hier genannte hypothetische cholerische Person ja gehört).


    Als besonders problematisch würde ich sehen, dass Wut/laute Wutausbrüche ja vermutlich als Gefahrenzeichen gewertet werden, korrekterweise. Ein Wesen, das in Wut ist, ob Mensch, Wespe oder Wildsau kann sehr gefährlich werden.*
    Merke ich auch hier in Berlin, wenn auf der Straße jemand wütend brüllt, an mir und an Elvis. Elvis zieht die Ohren zurück und schaut mich mit aufgerissenen Augen an (und er ist bei sowas eine absolut coole Socke). Ich werde bei Geschrei natürlich auch sofort hellhörig, schaue mich um und schätze die Situation ab (und teile meine Einschätzung Elvis mit - dass alles ok ist oder dass wir mal besser woanders langgehen).


    Wenn sich das ständig in nächster Nähe wie z. B. im eigenen Zuhause wiederholt, würde ich denken, dass der Hund in (m. E. berechtiger) Angst lebt.
    Aus der Sicht des Hundes ist dabei vermutlich außerdem relevant, wie sich der Rest der Familie verhält. Beschwichtigen sie den Choleriker? Ignorieren sie ihn? Tun sie sein Verhalten ab und warten relaxt, bis er sich beruhigt? Haben sie Angst vor ihm? Werden sie eventuell angeschrien und schreien vielleicht zurück? Welche Emotionen drücken sich dann aus? Werden Familienmitglieder vom Choleriker psychisch oder physisch bedroht oder angegriffen?
    Unter anderem davon wird nach der unwillkürlichen Angstreaktion die bewusste Bewertung der Situation durch den Hund mit abhängen.


    Bei den Auswirkungen auf das Verhalten haben andere ja schon viel geschrieben. Dem stimme ich zu. Außerdem würde ich bei einem Hund mit einem derartig starken Sozialstress im Alltag erwarten, dass er stressbedingt verstärkte "unerwünschte" Verhaltensweisen zeigt, also z. B. eher dazu neigt, Dinge zu zerkaufen, ins Jagdverhalten zu fallen usw.


    ... und auch wenn die Frage hier sicherlich rein hypothetisch ist, würde ich persönlich der hypothetischen Familie wünschen, dass der Choleriker bald & schnell lernt, wie er sein Temperament umgebungsfreundlich händeln kann. Damit er, seine Familie und natürlich auch der Hund wieder zu mehr Ruhe, Entspannung und freudeerfülltem Miteinander finden können.


    * Deshalb empfinde ich eine solche Situation als dramatischer als eine Bezugsperson, die Niedergeschlagenheit oder Trauer zeigt. Das mag sehr bedrückend für einen Hund sein, aber er wird dabei vermutlich nicht akut um sein Leben fürchten.

  • Vielen Dank an Alle, die sich hier beteiligen, Erfahrungen schildern und Meinungen teilen.


    @KasuarFriday leider ist das Ganze nicht rein hypothetisch :( : und aus genau diesem Grund mache ich mir Gedanken und Sorgen und habe nachgefragt. Und leider ist es ziemlich sicher, das sich besagte cholerische Person NICHT ändern wird :verzweifelt: Es bleibt also nur, damit leben (für alle Beteiligten) oder gehen.
    Sehr schwierige Situation und keine leichte Entscheidung....

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!