Hund aus dem Tierschutz ist äußerst anstrengend - komme so langsam an meine Grenzen

  • Hallo liebe Forumsmitglieder,


    ich wende mich an Euch, weil ich gerade echt an meine Grenzen komme. Ich habe seit 5 Monaten eine 9 Monate alte Hündin aus dem Tierschutz. Genauer gesagt, ich habe sie als Kettenhund in der Tiefgarage meines Vermieters in Jordanien gefunden, wo ich damals ein paar Monate Praktikum gemacht habe. Mira war in einem völlig verwahrlosten Zustand, absolut ängstlich und Nähe suchend. Es hat einige Wochen gedauert, sie "aufzubauen", weil sie sich z.B. nicht getraut hat, zu laufen, wenn ich sie von der Kette nahm und sich nur ängstlich an die Wand gekauert hat. Auch der Himmel hat ihr lange Zeit Angst gemacht - also kurz gesagt: Jede noch so kleine Kleinigkeit erforderte wochenlanges langsames Herantasten. Letztlich habe ich sie für eine 4-stellige Summe (wieder eine andere Geschichte, aber Tierarztkosten, Flug, Equipment für Flug, kurzzeitige Unterbringung in einem Tierheim vor Ort etc., danke an meinen lieben Partner und finanziellen Unterstützer an dieser Stelle) mit nach Deutschland genommen, wo ich nun mit ihr lebe.
    Wir hatten schon keinen guten Start, weil ich sofort nach Ankunft die Hundehaltung in meiner Wohnung untersagt bekam und somit erstmal auf der Straße saß. Natürlich konnte ich zu meinem Freund ziehen, aber der wohnt in einer anderen Stadt und das war sehr schwierig für mich, zumal ich meine Wohnung sehr liebte. Ich habe nach 2 Monaten eine neue Wohnung in München gefunden, in der die Hundehaltung erlaubt ist, muss allerdings ein Zimmer aus finanziellen Gründen untervermieten. Momentan unterstützt meine Mutter mich mit der Miete, da ich noch bis Ende des Jahres studiere.


    Nun zu meinem Problem: Mira ist äußerst schwierig und ich weiß langsam nicht mehr, was ich machen soll. Sie bellt bei jedem Geräusch in der Wohnung, sie reagiert aggressiv auf fremde Menschen, die in die Wohnung kommen möchten. Sie hat einen starken Jagdtrieb, so dass jedes Eichhörnchen zum Leinenkampf wird. Sie reagiert an der Leine aggressiv auf andere Hunde. Schon weit entfernt beginnt sie, in die Leine zu springen, zu bellen und zu knurren, so dass andere Leute Angst bekommen. Wenn sie zu den Hunden hin kann ist es besser und sie spielt auch mal. Allerdings immer nur mit großem Sicherheitsabstand (sie lässt sich dann immer jagen). Wenn der andere Hund allerdings nicht spielen will, dann bellt sie ihn auch pausenlos an.
    Ich gehe mindestens 4 mal am Tag mit ihr Gassi, unter anderem auch mit der Schleppleine, wo ich ihr dann Stöckchen werfe und sie rumtoben kann. Aber auch das langweilt sie scheinbar nach kurzer Zeit, weil sie dann anfängt, an der Schleppleine zu zerren. Außerdem gehe ich einmal pro Woche in eine super Hundeschule, wo sie auch mit anderen Hunden spielen kann. Hatte auch schon eine Einzelstunde, wo die Trainerin zu mir kam und Tipps gegeben hat, wie ich mit der Revierverteidigung von Mira umgehen kann. Ich über nun immer mit ihr, dass sie auf ihrem Platz bleibt, wenn Besuch kommt und geht.
    Ich bin kurz vor der Abgabe meiner Abschlussarbeit und so langsam echt ziemlich am Ende mit den Nerven. Ich habe lange nicht mehr gut geschlafen, weil Mira nachts auch bei Geräuschen anschlägt und mich jeden Morgen zum Gassi gehen weckt. Sie knurrt mich oft aggressiv und sehr laut an, wenn ich sie schimpfe, so dass alle Nachbarn denken müssen, dass sie gefährlich ist. Ich bin schon seit Monaten nicht mehr raus gegangen und habe einfach unbeschwert etwas unternommen (erst recht nicht abends mal was trinken oder so), weil sie immer so oft bellt und ich sie dann nicht in ihre Schranken weisen kann, wenn ich weg bin. Ich habe Angst, dass die Nachbarn sich beschweren, zumal Miras lautes Knurren und unsere zahlreichen Auseinandersetzungen bereits deutlich hörbar sein müssen.
    Ich kann das Zimmer nicht vermieten, weil sie so schwierig ist und habe hier großen finanziellen Druck. Kurz gesagt: Ich habe Druck von meiner Mutter zwecks der Miete, Druck von den Nachbarn, weil Mira so aggressiv wirkt, Druck mit meiner Abschlussarbeit, weil ich nicht mehr so leistungsfähig bin durch den Stress. Ich bin unglücklich, weil mein Leben so stark eingeschränkt ist und sich alles nur noch um den Hund dreht.
    Ich hoffe, man merkt, dass ich den Aufwand nicht scheue, ich investiere wirklich jede freie Minuten in den Hund. Aber so langsam kann ich nicht mehr. Es gibt ja auch keine Hundebetreuung, Gassi-Service oder ähnliches, die so einen schwierigen Hund nehmen und mir etwas Luft verschaffen würden und ich habe auch nicht die Mittel, laufend Einzelstunden bei meiner Hundetrainerin zu nehmen.


    Ich hoffe, ihr habt vielleicht Tipps für mich, wie ich mit dieser Situation umgehen kann oder macht mir Mut durch eigene Erfahrungen.

  • Ich finde es toll,dass Du dem Hund geholfen hast, aber ...................... jetzt kommt das große aber:
    dieser Hund ist in der Welt von München oder sagen wir einmal in der Welt einer Stadt und erst recht in einer Wohnung nicht glücklich. Zumal er bei Dir die Wohnung noch mit einem Mitbewohner teilen muss. Deshalb meinen Rat: Suche ihm eine neues verantwortungs- und verständnisvolles Zuhause. Eher ländlich und mit Garten. Glücklich wird dieser Hund in einer Stadtwohnung nie!


    Ansonsten bleibt leider nur an den Problemen zu arbeiten. Dazu gerne mehr!

  • Ohje, du klingst verzweifelt! :streichel:


    Habe ich das richtig verstanden: die ersten Monate Ihres Lebens hat die Hündin an der Kette in einer Tiefgarage verbracht? Wenn ja würde ich dir dringend raten dich mit Deprivationsschäden auseinander zu setzen.


    Ihr habt ja nicht nur ein Problem, bei dem man Ratschläge geben könnte. Mehr als zu einem Hundetrainer zu raten, kann ich leider auch nicht tun.


    Was machst du denn alle so mit ihr und wie lange geht ihr raus? Garde für einen deprivierten Hund klingt das doch mächtig viel und überfordert sie vielleicht. Mit der nötigen Ruhe und Gewohnheit kommt vielleicht schon ein wenig Entspannung rein.


    Ich hoffe, das sich noch andere melden, die mehr Erfahrung haben als ich. Aber ich möchte dir viel Kraft wünschen!
    Ich habe auch einen wirklich super anstrengenden Ersthund gehabt, soviele Tränen! Aber wir konnten uns zusammenraufen und sind zu einem Team geworden!


    Ich wünsche euch alles Gute!

  • Der Hund leidet eindeutig an Deprivationsschäden, durch die lange Isolierung. Lies dir mal diese Geschichte durch, sie könnte dir einen ersten Eindruck verleihen, was Menschen in ähnlicher Situation gemacht haben. Vielleicht lässt sich ja auch ein Kontakt herstellen:


    Aus Miedo wird Sam - ein Galgo mit Deprivationsschäden geht aus der Isolation ins Leben | Windhunde aus Spanien


    Die Trainerin lebt auch in München, ist jedoch auf Windhunde spezialisiert. Sie kann dir aber sicher ein paar gute Tipps geben. Viel Glück euch beiden! :)

  • Ich muss ehrlich fragen: Was hast du erwartet?
    Was erwartet man generell wenn man einen Kettenhund, der sein ganzes Leben angeleint, abgeschottet von jeglichen Umweltreizen, nach München in eine Wohnung verschleppt?


    Das tut mir echt wahnsinnig leid für den Hund, für dich und alle anderen. Ich glaube ohne ganz viel Hilfe von einem Hundetrainer, wirst du nicht viel weiter kommen. Du kannst so einen Hund auch nicht einfach so schimpfen. Wenn sie dich jetzt schon so aggressiv anknurrt, das Ganze ist kurz vor Eskalation. Im Ernst, das geht überhaupt nicht gut aus wie du es momentan laufen lässt! Du gefährdest auch andere Personen und Tiere. Dieser Hund gehört in erfahrende sachkundige Hände und ich bin der Meinung, dass es fast fahrlässig ist, sich jetzt keine regelmäßige Hilfe zu suchen. Sie ist jetzt erst 9 Monate alt und meint es sicherlich alles noch nicht so ernst. Ist sie erst ausgewachsen und souveräner bei ihren (Fehl)Entscheidungen und der Aggression..wo soll das hinführen?
    Ich kann dir nur raten, sei nicht so naiv. Du bist überfordert und fühlst dich unter Druck gesetzt, das ist auf der einen Seite wirklich traurig. Auf der anderen Seite hast du einen stark deprivierten Hund, der mit dem fehlenden Händchen eine tickende Zeitbombe ist.
    Es gibt hier entsprechende Threads und da haben andere ähnliche Probleme. Und das was sich durch alle Beiträge zieht ist: Es wird besser, aber nie gut. Nie wie mit einem normalen Hund.
    Willst du das? Überlege dir das gut und wenn du das nicht packst, dann gib den Hund ab. Das ist keine Schande überfordert zu sein. Aber jetzt hat der Hund vielleicht noch eine Chance irgendwie halbwegs froh leben zu können auf seine eigene vermurkste Art und Weise, denn richtig normal wird er nie. Ich bin auch der Meinung, dass man so einem Hund keinen Gefallen tut in der Großstadt zu leben.
    Mein Hund ist selbst depriviert, er ist nicht aggressiv, hat aber so seine Einschränkungen und wir haben zwar wahnsinnige Fortschritte gemacht. Können recht normal Spazieren gehen, aber er geht auf die 8 Jahre zu und man merkt deutlich, dass etwas mit ihm nicht stimmt.

  • Wenn du auf alternative Heilmethoden (z.B. Bachblüten) vertraust, dann könnte dir auch dies Helfen: Fallstudie aus der tierheilkundlichen Praxis: Hündin aus unseriöser Vermehrerzucht - Paracelsus, die Heilpraktikerschulen


    Du benötigst viel Zeit und Geduld, viel erfahrene Hilfe von außen und evtl. noch einiges an Geld für eine mögliche Therapie bzw. Training. Es scheint jedoch so, dass du dies aktuell nicht stemmen kannst. Vielleicht wäre dann der Rat, die Kleine abzugeben in gute, erfahrene Hände, doch der Beste.


    Das ganze ist auch kein Scheitern. Denke einfach dran wie viel gutes du ihr getan hast. Aber vielleicht hat sie es anderswo in der aktuellen Situation noch besser.

  • Bitte gib den Hund in geeignete Hände ab.


    Für eine Wohnungshaltung, wo dann natürlich auch Gassi gegangen werden muss, bei Besuch keine Ausweichmöglichkeit besteht, wo exzessives bellen die Nachbarn auf die Palme bringt ist der völlig untauglich und wird es vermutlich auch noch lange, evtl immer bleiben.


    Bitte wende dich zur Abgabe an einen mit Problemhunden kompetenten Tierschutzverein in deiner Region. Es ehrt dich, dass du den armen Kerl gerettet hast, aber jetzt müssen da andere Leute ran, mit passenderen Lebensbedingungen und Erfahrung im Umgang mit derart geschädigten Hunden.

  • Zwei Dinge, die mir ganz spontan einfallen, um die aktuelle Situation etwas erträglicher zu machen:
    Versuche Ruhe in die Spaziergänge zu bringen. Nicht Toben und Stöcke werfen, sondern laufen und schnuppern. Nicht 4 Mal am Tag und so ausgiebig wie möglich, sondern 2 Mal am Tag und so gleichförmig wie möglich. Pipirunden ausgenommen. Für nen längeren Spaziergang bietet sich der sehr frühe Morgen an, wenn sonst kaum jemand unterwegs ist.


    Zuhause ginge es mir auch erstmal um Sicherheit? Nimmt er Höhlen als Versteck an? Nimmt er Kauartikel um sich abzureagieren?
    Bei einem Hund, der so stark auf Umweltreize reagiert, würde ich eventuell auch gezielt in der Wohnung mit dem Hund arbeiten, wenn es um geistige Auslastung geht. Aber ich fürchte er ist zur Zeit geistig eher überlastet.

  • Es gibt 2 Wege:
    1. Abgabe
    2. Behalten


    Beides setzt eine Entscheidung voraus.


    Ich meine, du musst eine kühle klare Entscheidung treffen. Schaffst du dass, willst du auf vieles verzichten, dem Hund zuliebe, oder musst du dich jetzt deiner eigenen Zukunft widmen.


    Du hast diesen Hund gerettet. Von einem Leben in Gefangenschaft an einer Kette.
    Du musst diesen Hund nicht behalten. Du hast ihm schon sehr geholfen, du hast schon einen sehr guten Job gemacht.
    Du kannst deine Energie genausogut darin investieren mit Hilfe evt. diesen Hund an einen Platz zu vermitteln, der passt.


    Wahrscheinlich hast du dich an den Hund emotional gebunden....
    Aber überlege jetzt ganz sachlich, ob der Hund bei dir wirklich gut aufgehoben ist.


    Es kann auch sein, dass du zu viel machst und den Hund auf ein Podest stellst, was der gar nicht vertragen kann.

    Ich gehe mindestens 4 mal am Tag mit ihr Gassi, unter anderem auch mit der Schleppleine, wo ich ihr dann Stöckchen werfe und sie rumtoben kann. Aber auch das langweilt sie scheinbar nach kurzer Zeit, weil sie dann anfängt, an der Schleppleine zu zerren.


    Das ist ein Zeichen von höchstem Stress.....
    Ich glaub, ihr beide bräuchtet mal eine Auszeit.
    Schalt mal runter.


    Du machst typische Anfängerfehler. Du putscht den Hund mit Beutespielen auf und meinst, sie hat Spass.


    Das hört sich nur spassig an, ist für den Hund jedoch Hochstress mit allen Riskofaktoren. Stress sorgt für Adrenalinausstoss, normal wird das langsam abgebaut. Bei zuviel hintereinander auftretendem Stress können Hormonausschüttungen nicht mehr abgebaut werden. Das System der Gegenspieler Adrenalin/Cortisol bricht zusammen. Cortisol kann nicht mehr abgebaut werden und macht den Hund auf lange Sicht krank.
    Endet wie beim Menschen im Burn Out oder auch in einer Depression. (Wie mans nennen möchte)


    Lass bitte das Stöckchenwerfen. Geh einem Spazieren mit dem Hund...ruhig und möglichst ungestört.
    Ansonsten nur Pipirunden. In der Wohnung nichts.


    Außerdem gehe ich einmal pro Woche in eine super Hundeschule, wo sie auch mit anderen Hunden spielen kann.

    Das ist toll!


    Du machst nicht zu wenig, du machst viel zu viel mit dem Hund.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!