Hund aus dem Tierschutz ist äußerst anstrengend - komme so langsam an meine Grenzen

  • Ich versuche schon, gegen diese Fixierung auf mich zu arbeiten. Ich gehe tagsüber öfters mal in einen anderen Raum, während ich z.B. die Türe zu dem Zimmer, wo Mira auf ihrem Platz lieg, schließe. So dass sie mir nicht folgen kann.
    Meine Freund mag sie total gerne und geht auch mal mit ihm alleine Gassi. Revierverteidigung ihm gegenüber hat sie bisher nicht gezeigt, wobei ich da auch immer gleich gegen steuere, wenn ich Tendezen in diese Richtung bemerke (was dann aber natürlich wieder eine neue Auseinandersetzung ist).
    Was du schreibst, ist absolut richtig. Ich bin wirklich einen großen Tagesanteil nur mit Mira beschäftigt, das strengt schon sehr an. Vor allem, weil ich auch niemanden habe, der mal eben einspringen könnte, wenn ich Stress habe. Klar passt mein Freund hin und wieder auf sie auf, wenn es sehr wichtig ist. Aber der wohnt halt auch nicht gleich um die Ecke und kann das auch nicht ganz spontan machen. Zudem will ich mich ja nicht immer zwischen Hund und Freund entscheiden müssen :/
    Es hilft ja nichts, ich versuche nun mal, Eure Tipps umzusetzen. Bzgl. Mira wegzugeben: Da weiß man dann letztlich auch nicht, ob das neue Zuhause besser für sie ist, vor allem wo sie so schwierig ist.


    Silvia, wie klappt es mit deinem 12 jährigen Hund heute?

  • Hat sie denn jetzt eine Box? Eine offene Box wäre meine erste Maßnahme.

  • Ich habe auch einen Kettenhund mit Deprivationsschäden und kann dir nur sagen, dass die mit noch so viel Training nie (!) weggehen werden.
    Ich habe städtisch gelebt, als ich ihn zu mir nahm und alles, wirklich alles, wurde erst besser, als wir in eine ländlich gelegene Kleinstadt gezogen sind. In der Stadt hatte er täglich sehr viel Stress, er hatte jeden Tag Durchfall durch den Stress und geriet oft mit anderen Hunden aneinander. Außerdem reagierte er stark auf Bewegungsreize. Viele Trainer hatte ich durch, die halfen alle ein bisschen, aber die Grundproblematik lösten sie nicht.


    Den anderen kann ich nur beipflichten: wirklich ändern wird sich nur was durch eine ländliche und ruhige Umgebung. Außerdem mach weniger mit deinem Hund. Strammen Schrittes gehen ist nicht gut. Lieber ne halbe Stunde für 500m brauchen, in Ruhe schnüffeln lassen.


    Was mir außerdem aufgefallen ist: bist du dir sicher, dass sie wirklich mit anderen Hunden spielt? Wenn ein Hund nur vorneweg den Hasen spielt, ist das meist nur eine Form von Unsicherheit. Der "Hase" hat nichts anderes gelernt und rettet sich in die Flucht. Wirkliches Spiel ist es, wenn die Hunde sich abwechselnd jagen. Auch das würde ich massiv einschränken. Wichtig sind ruhige Hundebegegnungen, einfach nebeneinander her laufen. Anbellen zur Spielaufforderung unterbinden in dem man den Hund ruhig weg nimmt.


    Lass dich in der Wohnung nicht auf Kämpfe ein. Mach ihr eine Hausleine dran und bind sie kommentarlos wo fest wenn sie sich dir gegenüber schlecht benimmt. Belohne sie außerdem viel, wenn sie was richtig macht, wenn sie ruhig bleibt wenn sie was hört zum Beispiel.
    Hast du mal versucht ihr melden zu kommentieren, z.B. mit "hast du wen gehört?" und dann zur Tür zu gehen?
    Mein Hund hat anfangs immer weiter gebellt wenn ich ihn geschimpft habe. Wenn ich aber zur Tür oder zum Fenster gegangen bin, geschaut habe, was er meldet und dann gesagt habe "alles gut, ist nur der Nachbar", hat er sich super schnell beruhigt.
    Sie macht das ja nicht, weil sie dich ärgern will, sondern weil sie es so gelernt hat. Du musst ihr erstmal beibringen wie man sich auch anders verhalten kann und das geht nicht über Strafe. Dadurch lernt sie nix neues. Das gilt für alle Bereiche.


    Ob du das ganze Training die nächsten Jahre (denn das wird ein lebenlang Thema sein) durchziehen kannst, musst du wissen und du solltest dir das wirklich gründlich überlegen.
    Hast du evtl die Aussicht nach deinem Studium umziehen zu können?

  • Das hört sich jetzt alles ganz anders an :???:


    Hast du einfach grad kein "Puste" mehr?


    Dein erster Post klang verzweifelter als jetzt. Irgendwie wirkt und klingt es jetzt plötzlich abgemilderter :???:

    Es ist Dein Hund. Du kennst ihn am besten und wirst nach all den vielen Antworten wissen was zu tun ist.

  • Ja stimmt. Vielen Dank für Eure Sichtweisen und Ratschläge! Da war auf jeden Fall einiges dabei, was mir wieder etwas Mut gemacht hat und auch neue Wege aufgezeigt hat

  • Für mich hört sich das auch eher nach einem gestressten , überforderten Hund an. Sicher unsicher und in vielen Situationen ängstlich . Deprivation ist ja recht selten und leider ein neues Modewort , so recht glaube ich bei euch nicht daran.
    Ihr könnt spazieren gehen, der Hund spielt und hat Interesse an der Umwelt. Das ist doch großartig. Hat bei einigen meiner Angsthunde Monate gedauert.
    Ich würde bei euch einfach mehr Ruhe in den Alltag bringen. Macht lieber ruhige Suchspiele, sucht euch ruhige Spaziergehgegenden, schütze sie vor fremden Menschen und arbeite gezielt und strukturiert an Problemverhalten. Das braucht alles Zeit und Ruhe, Ruhe, Ruhe. Das ist machbar, wenn man sich darauf einlassen kann.

  • Das ist gut, dass du gegen die Fixierung arbeitest. Bei mir hat es länger gedauert, bis ich es angenommen habe und wirklich angefangen habe, etwas dagegen zu tun. Hing aber (natürlich) auch mit meiner persönlichen Situation zu der Zeit zusammen. Und, ganz ehrlich - er ist immer noch fixiert, nur haben wir kaum Situationen, wo es auffällt, und mit dem Alter ist es einfach weniger dramatisch, er schläft ja auch viel mehr.
    Heute ist es insgesamt natürlich nicht mehr so schlimm. Er hat mühsam gelernt, dass er bei Unsicherheit einfach zu mir kann (draußen vor allem, einfach mal sich zurücknehmen und Frauchen machen lassen), und dass er sich bei unerwünschten Kontakten (Leuten) einfach von diesen entfernen kann - zuerst hätte er eher geschnappt.
    Das Thema Bewachen begleitet uns bis heute, er hat es nie geschafft, das abzulegen. Jetzt wird er gerade ein wenig schwerhörig, aber WENN er dann bemerkt, dass es irgendwo am Haus rappelt, ist immer noch die Hölle los. Das ist aber hier, im EFH mit älteren Nachbarn, kein Thema, a) haben/hatten die alle selber Hunde und b) haben die Verständnis und finden es ok, weil ich ja alleine wohne. In der Stadt/Mietwohnung war das ein stetiger Stresspunkt für mich.
    Fremdhundekontakt kann ich viel besser einschätzen, er ist besser abrufbar, und zum Glück haben wir hier kaum "Erzfeinde", bis auf einen. In München an den Isarauen war das teilweise schlimm. Er war unsicher, wurde gemobbt, hat selber bei Gelegenheit gemobbt, an der Leine natürlich eher Angriff als Rückzug - nicht so dolle. Ihm hat es viel besser gefallen, eine eher feste Gruppe Hunde um sich zu haben (Gassikumpel), die ihn entweder ignoriert haben oder einfach freundlich-ruhig waren. Dauernd Fremde zu treffen verschlechterte sein Verhalten an der Leine und im Freilauf.
    Meine anderen Hunde (sein Kumpel Pick, arglos, gut gelaunt, souverän, und Dee, die Streberin, selber ein bissel Polizistin) haben ihm teils geholfen, teils verunsichern sie ihn. Sie kamen nach 4 bzw. 8 Jahren dazu. Pick findet es ok, sich von Fremden anfassen zu lassen, nimmt gerne Kontakt auf, das hat natürlich dem <3 alten Sack viel Erleichterung verschafft. Und er orientiert sich draußen schon ein bißchen an ihm, obwohl Pick 4 Jahre jünger ist. Er überlässt ihm auch den Erstkontakt mit Fremdhunden, Pick macht das super. Dee, 3 Jahre, verunsichert ihn ein wenig, weil sie ihn für übertriebenes Drama auch mal maßregelt. "Stell dich nicht so an.", und weil sie sehr triebig werden kann. Sie darf das, aber nur im Rahmen.
    Ich würde nicht sagen, dass mein Bub depriviert war, aber einfach sehr, sehr unsicher und durch München ziemlich gestresst.
    Eine Weile bin ich jeden Tag in den Perlacher Forst rausgefahren, um Rückruf an der Schleppe zu üben und einfach mal ohne Fremdkontakt gehen zu können. Das hat sehr geholfen.
    Viele Grüße,
    Silvia

  • Ich habe auch einen Kettenhund mit Deprivationsschäden und kann dir nur sagen, dass die mit noch so viel Training nie (!) weggehen werden.

    So ist das. Die Angst kann sich bessern aber ganz weg wird das nie gehen und du wirst niemals so einen selbstbewußten Hund haben.


    Du mußt dir schon darüber im Klaren sein, daß du nächsten zehn Jahre oder länger, sehr eingeschränkt sein wirst, durch diesen Hund.
    Wenn du jetzt schon die Nerven blankliegen hast und nicht mehr so leben kannst, wie du es möchtest, würde ich ernsthaft darüber nachdenken, den Hund abzugeben.


    Es war sicher gut gemeint von dir, den Hund aufzunehmen und ihn aus seiner vorherigen Situation zu befreien; aber, wie sag ich immer so schön? Mitleid ist niemals ein guter Ratgeber.

  • Erstmal Hut ab das du ihn aufgenommen und deine Wohnung dafür sausen gelassen hast!! :respekt:

    Sie reagiert nur aggressiv auf Fremde, die in die Wohnung kommen. Draußen reagiert sie eher aggressiv auf andere Hunde, aber auch eher nur an der Leine. Ist wohl eine Art Angstaggression.
    An 201017: Ja das stimmt, dass es sich jetzt auch anders anhört , weil ihr Verhalten eben in unterschiedlichen Situationen auch sehr unterschiedlich ist.
    Das mit der fehlenden Puste stimmt allemal, bin echt ganz schön k.o.

    Die fehlende Puste und das du fertig bist, kann ich gut verstehen!


    Ich habe eine Auslandshündin von der Straße ( nun fast 16 Jahre alt) und einen Hund mit fehlender Sozialisierung, der mit 4 Wochen zu mir kam und extreme Verhaltensauffälligkeiten mitbrachte, weiter entwickelte und an Epilepsie erkrankte ( nun fast 9 Jahre alt).


    Was uns in die Hände spielte und noch immer spielt ist die Zeit die wir für die Hunde haben, da wir nicht mehr arbeiten müssen und ich glaube unter Zeitdruck aber auch ein junges Alter wo man noch viel arbeiten und erleben möchte, hätten wir das so in dem Umfang an Verhaltenstherapie, Ärztemarathon, Geduld etc. nicht leisten können, nicht auf Dauer.


    Buffy brauchte 3 Jahre (sie kam mit 4-5 Monaten zu uns) bis sie ihre gröbsten Ängste abbaute, sich selbstbewusster in ihrer Umgebung bewegte und nicht mehr schreiend auswich, wenn man sie streichelt wollte aber sie ist bis zu ihren jetzigen, hohen Alter immer zu einem gewissen Grade misstrauisch geblieben und geht nur auf auserwählte Menschen zu.


    Fussel braucht immer eine besondere Betreuung, einen geregelten Tagesablauf, viel Ruhe und Stressvermeidung. Er war auch extrem angstaggressiv an der Leine, woran ich lange gearbeitet habe und wohl lebenslang arbeiten werde aber wir haben schon zu 70% Erfolge erzielt. Sein ZNS tickt anders, er ist schnell auf 100, geht in die Leine oder fällt in Übersprungshandlungen wenn er gestresst und überfordert ist ( in die Leine beißen, uns anspringen, bellen etc.). Zusätzlich wird er mit Zylkene und einem gutem B - Komplex unterstützt.


    Aggression bei Fremden in der Wohnung ist erstmal nicht ungewöhnlich für Hunde, nur wenn es nicht erwünscht ist, sollte man es in die richtigen Bahnen lenken, wie eben am Platz bleiben, so wie du es übst und alles Positive mit Leckerchen bestätigen.


    Angstaggression an der Leine ist schon eine andere Hausnummer aber auch das kann man schaffen, wenn man dem Hund Sicherheit vermittelt, Bögen läuft, Straße wechselt oder den Rückzug antritt und versucht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken aber das ist kein Training von ein paar Tagen oder Wochen.
    Es ist ein langer, anstrengender Weg und dem sollte man sich bewusst sein.


    Dabei ist es völlig egal, ob man auf dem Land oder in der Großstadt (wie wir) leben, denn Hunde passen sich recht gut an aber es kann eben entsprechend länger dauern. Unsere Hunde kennen in Berlin nur unsere Umgebung, den Wald, das Feld - fertig. Sie wurden nie in Geschäfte, Innenstadt, Restaurants etc. mitgenommen, warum auch....für diese Hunde bedeutet es nur unnötigen Stress.
    Bei uns heißt es auch weniger ist mehr, denn um Stress zu verarbeiten braucht es Tage.


    Eine Abgabe würde ich so nicht kategorisch ablehnen, wenn die Vorraussetzungen bei den neuen Haltern ideal wären und dem Hund zugute kommen.


    LG Sabine

  • Ich habe selbst einen Hund, der oftmals sehr anstrengend war und ist. Der viel meldet, aggressiv sein kann, auf kleinste Gesten und Geräusche reagiert und zur Hyperaktivität neigt.
    Das ist anstrengend wie Hölle. So oft kann und will man nicht mehr. Man möchte heulen, schreien und am liebsten alles hinschmeißen. Ich bin ein recht impulsiver Mensch und weiß, wie schwer es ist, diese Launen dann nicht am Hund auszulassen. Wenn es Dir auch so geht, kann ich Dir den Tipp geben, den Hund z.B. beim Spaziergang irgendwo fest zu machen, einige Schritte weit weg zu gehen und entweder sehr sehr tief durch zu atmen oder alternativ gegen einen Baum zu treten. Alles, wirklich alles, ist besser, als das direkt am Hund auszulassen. Das ist so wichtig. So sehr wichtig... Dein Hund darf mit Dir nur positive Erfahrungen machen. Du musst sein Fels in der Brandung sein. Keim schimpfen, kein böse sein...
    Alles was der Hund tut, macht er weder mit Absicht, noch um Dich zu ärgern. Natürlich weiß man das in der Theorie, aber man muss es sich immer und immer wieder sagen.


    Ebenfalls empfehlenswert:
    Mache eine Liste. Auf die eine Seite schreibst Du Sachen, die gut klappen, auf die andere Seite die Sachen, an denen ihr noch arbeiten müsst. Jeden Monat erneuerst Du diese Liste (und behälst die alten natürlich) und siehst so auch in schwierigen Zeiten, welche Fortschritte ihr schon gemacht habt.


    Weiterhin sehr hilfreich:
    Ein Trainingstagebuch.
    Schreib ALLES auf! Wetter, Futter, Hundebegegnungen, Kotabsatz, besondere Vorfälle, Besuch, Geräusche etc. pp. und wie der Hund drauf reagiert hat. So erkennt man oft Zusammenhänge, die einem sonst verborgen bleiben.


    Es wurde schon oft geschrieben, aber ich betone es nochmals: Du machst zu viel mit deinem Hund! Er wird noch lange brauchen, bis er angekommen ist. Whiskey hat dafür 3-4 Monate gebraucht und der hatte nicht mal annährend so eine beschissene Vorgeschichte wie dein Hund.
    Ich bin mit Whiskey irgendwann 3x am Tag dieselbe 10 Minuten STRECKE(!! nicht Runde, also hin und zurück) gegangen. Habe jedes ruhige Verhalten gelobt (gemarkert) und habe mich nicht von seiner Hektik anstecken lassen.
    Drinnen haben wir ganz ruhige Auslastung durch Nasenspiele gemacht (Einfach schnüffeln! | SPASS-MIT-HUND) und ansonsten haben wir drinnen angefangen, Sachen für draußen zu üben.
    Abruf, Geschirrgriff, Umorientierungssignal etc. pp.


    Wenn Dir das alles nichts sagt, hol Dir bitte einen Trainer von dieser Seite hier, bzw. zieh bitte bitte bitte sowieso einen solchen zu Rate: Trainer - Umkreissuche


    Alle diese Trainer arbeiten positiv und sind erfahren. TsD ist quasi eine Art inoffizielles Gütesiegel. Klar kann es sein, dass man nicht auf Anhieb den richtigen Trainer für sich und seinen Hund findet, aber versuchen sollte man es auf alle Fälle.



    Ich wünsche Dir alles alles Gute für dich und den Wuff und viel Geduld und Durchhaltevermögen.

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