Heute wende ich mich auch mal an Euch, weil ich irgendwie mit unserem Labrador-Junghund in einer Sackgasse bin und hoffe, mit der ein oder anderen Idee da wieder rauszufinden.
Geht um Winston, er ist jetzt ein Jahr jung. Er ist ein wirklich sehr gehorsamer und braver Hund. Bin wirklich sehr zufrieden, er stellt nix an, läuft nicht weg, hört im Grunde aufs Wort, kann ruhig abwarten usw. ... benimmt sich im großen und ganzen tadellos. Leinenführung ist okay ... Fuß, Platz, Hier usw. funzt. Vor kurzem lief ein Reh wenige Meter vor uns über den Waldweg ... wir waren gerade am Dummywerfen und Winston hat zwar kurz irritiert geguckt, hat sich dann aber mir und dem Dummy zugewandt. Da war ich selbst erstaunt und ein bissle stolz, dass er da schnell wieder bei mir ist und nicht hinterher ging.
Sein Sozialverhalten im Freilauf mit anderen Hunden ist top - haben wir mehrmals die Woche, machen schöne lange Touren mit den Hunden. Er ist sehr kontaktfreudig, begrüßt recht stürmisch, wird aber nicht körperlich bedrängend. Als typischer junger Labrador freut er sich über jeden Hund (und Menschen), der mit ihm spielen möchte, merkt aber schnell, wenn der andere nicht will und bedrängt ihn dann nicht weiter - bis hin zum Ignorieren. Wir haben im Freilauf Kontakte zu vielen verschiedenen Hunden, die ihm auch mal ein zeigen, dass sie keinen Bock auf ihn haben und auch mal mürrisch werden ... er kennt das also und kann wirklich gut damit umgehen. Bisher gab es keinen einzigen Fall, bei dem er mal angriffslustig wirkte oder aggressiv - auch nicht bei fremden Hunden, die neu in der Gruppe sind oder sich unterwegs angeschlossen haben - so lange alle ohne Leine sind ist alles gut. Also, man kann nicht meckern ...
Aber wehe wir sind an der Leine unterwegs und er erblickt einen anderen Hund.
Von klein auf, will er da unbedingt hin, fing an zu quietschen und zu ziehen ... teils hat er sich schon wirklich sehr aufgeregt, wenn er da nicht hindurfte. Nasenkontakt an der Leine lassen wir freiwillig nicht zu. Wenn uns doch mal jemand mit angeleintem Hund unerwartet zu nahe kam - okay, dann ist das eben so und war bisher auch noch nie ein Problem. Wir gingen dann allerdings recht zügig weiter. Oder haben nochmal ordentlich Abstand genommen und in gegenseitigem Einverständnis Leinen los und die Hunde konnten so kontakten, wie sie es wollten - gabs auch nie ein Problem.
Erfahrungen mit keifenden und auch echt aggressiven Hunden haben wir auch schon gesammelt, da hab ich rechtzeitig angeleint und bin einen Bogen gegangen oder hab den Rückmarsch angetreten, um zu vermeiden, dass er mich dann doch irgendwie dort hinziehen kann (ist schon kräftig das Kerlchen). Das funzt auch ganz gut. Winston schaute zwar schon interessiert bis ebenfalls aggressiv reagierend, aber wenn ein gewisser Abstand da war, hat er das Interesse schnell verloren.
Nun hat sich das ganze seit ein paar Wochen so entwickelt, dass er nicht mehr freudig wirkt und zu dem anderen fremden Hund hin will ... sondern er grummelt und grollt. Und fängt auch teils heftig an zu bellen und lässt sich da auch fast nicht beruhigen/ablenken/umlenken. Vor allem, wenn wir aus der Situation abstandsmäßig nicht rauskommen. Zum Beispiel saßen wir die Woche im Warteraum des Tierarztes - waren erst alleine und dann kam ein Hundchen rein ... und Winston hat sich fast nicht eingekriegt. Oder wir sitzen entspannt im Biergarten und plötzlich kommt jemand mit Hund - da ist fast nicht zu halten. Er wirkt schon recht aggressiv ...und erst wenn wieder ein gewisser Abstand da ist ... gibt er wieder Ruhe. Bleibt der Hund im Blick grummelt er dann jedoch schon noch ab und an vor sich hin ... ganz leise.
Ich habs mit einem NEIN versucht ... steigernd zu einem scharfen NEIN!!! - eigentlich ein Kommando, bei dem er sonst sekündlich wie gewünscht reagiert. Auch SCHLUSS JETZT funzt beim Spiel mit anderen Hunden einwandfrei. Aber in dieser Situation nicht. Gar nicht. Er zittert regelrecht vor Aufregung. Beruhigen lässt er sich auch nicht, ebenso wenig wie durch Futter ablenken. Er ist dann total außer sich. Er trägt neben der Retrieverleine auch deshalb ein K9-Geschirr mit Griff, so dass er mir nicht entkommen kann. Also Erfolg hatte er bisher keinen. Aber manchmal ist es echt knapp ... 32 Kilo ... sind nicht leicht ...
Unser Ersthund, Charly vier Jahre, der ja meist dabei ist, ist in der Regel (natürlich gabs auch schon Ausnahmen, beim Erzfeind zB) dann die Ruhe selbst, wirkt gelassen und fast gelangweilt ... normalerweise orientiert sich Winston sehr an ihm - aber in dieser Hinsicht überhaupt nicht.
Zuhause zB, liegen beide Hunde auf der Terrasse und beäugen die Straße ... sobald da was tierisches auf der Gasse ist, fängt Winston an zu grollen - je nachdem wer da läuft, artet das schon mal in eine heftige Bellerei aus und er rast hin und her am Geländer ... Charly ist ruhig, Winston tobt. Das ist aber schon wirklich weniger geworden - anfänglich bin schauen gegangen, hab gesagt, da ist nix schlimmes und hab seine Gehabe ignoriert, dann hab ich die Methode mit schimpfen getestet, hat ihn auch nicht beeindruckt ... dann hab ich ihn irgendwann kommentarlos reingeholt und die Tür zu gemacht, weil es mir zu lange dauerte, bis er sich einigermaßen beruhigte. Mittlerweile genügt in der Regel wenn ich von drinnen rufe, "halt die Klappe" ... also dieser Lernprozess dauerte nur wenige Monate, haben wir in den Griff bekommen.
Mir ist rätselhaft, warum Winston sich so labradoruntypisch entwickelt hat - freudig erregt kenn ich von Charly ... und von anderen Labradoren, auch zu anderen Hunden unbedingt hinwollen. Aber so aggressiv wirkend und sich nicht unter Kontrolle bringen lassen ... Seltsam. Er hat weder eine schlechte Erfahrung gemacht ... noch wirkt er außerhalb solcher Situationen besonders hibbelig. Ganz im Gegenteil ... er ist die meiste Zeit tiefenentspannt und ein wirklich lieber Hund, schmust gerne und spielt wunderschön und fair mit ihm zugetanen Hunden. Auch mit unserem Charly.
Wie soll ich das nun angehen? Mir wird schon mulmig, wenn ich irgendwo sitze und ein anderer Hund kommt um die Ecke ... ich versuche ruhig zu bleiben, die Lage erstmal zu ignorieren - aber wenn der Terrorzwerg anfängt, bin ich natürlich im Handlungszwang. Was soll ich in dem Moment tun?! Wie reagiere ich richtig?
Es ist übrigens egal, ob ich alleine mit ihm bin oder mein Mann und Charly dabei sind, oder wir in unserer Freilaufgruppe sind und kurz angeleint haben, weil uns jemand mit einem angeleinten Hund entgegen kommt. Winston muss dumm machen ...
Freue mich über jede Idee, wie ich das in den Griff bekommen kann. Im Moment weiß ich einfach nicht wo ich ansetzen soll.
Ach ja, in der Hundeschule sind wir seit ein paar Wochen - und zwar explizit im Gruppentraining. Wenn wir dort ankommen ist Winston noch sehr aufgeregt (wie eigentlich die meisten Hunde dort) ... aber es wird besser. Wenn die ersten stressigen 10 Minuten rum sind, sinkt sein Aufregungslevel schnell ab ... Leinenkontakt gibts da natürlich keinen und es wird auf Abstand geachtet. Er kann sich dann auch wieder auf mich konzentrieren und die Übungen klappen dann auch recht gut.
Noch ein Nachtrag. Probleme mit Menschen gibts zu 99,9% keine - Winston ist aufgeschlossen und lässt sich auch gerne durchknuddeln von Bekannten. Aber Menschen, die seltsam in der Landschaft stehen, also jemand steht zB auf dem einsamen Waldweg und beobachtet mit einem Fernglas irgendwas, werden auch misstrauisch begrummelt und auch mal verbellt ... bei solchen Menschen allerdings geht er dann eher zurück, also nicht nach vorne - auch mag er es nicht, wenn Kinder auf ihn zugehen, um ihn nach meiner Erlaubnis zu streicheln. Er versucht Abstand rein zu bringen, zeigt eher ängstliches und unsicheres Verhalten.