Angsthund mit Verteidigungsproblemen

  • Hallo, ich habe folgendes Problem mit meinem neuen Hund Paul.
    Er befindet sich seit Mittwoch Nachmittag für zwei Wochen bei uns zu Probebesuch. Ursprünglich stammt er aus Rumänien, wo er vermutlich als Straßenhund gelebt hat und dann ins Tierheim gebracht wurde.


    Seine Größe beträgt etwa 55 cm, aber er scheint noch zu wachsen, da er laut Tierheim etwa 1 1/2 Jahre alt ist. Paul sieht aus wie ein Border Collie Mischling mit bisschen Dogge in sich.
    Vom Charakter her ist er Menschen gegenüber sehr freundlich und verschmust. Paul ist absolut sozialverträglich mit Artgenossen und mit Katzen hat er auch kein Problem. Eigentlich ein echter Traumhund, aber leider hat er ständig Angst.


    Anfangs war das Spazierengehen fast unmöglich, da er alle paar Schritte stehen geblieben ist und sich geweigert hat weiter zu gehen. Für mich absolut verständlich, da er bisher nichts kennengelernt hat. Sobald er Menschen nur auf Entfernung gesehen hat, versteifte er sich komplett und war nicht von der Stelle zu bewegen. Hatten diese uns dann allerdings passiert, wollte er an ihnen schnüffeln und guckte hinterher.
    Unser derzeitiger Stand ist schon um einiges besser geworden.
    Gestern konnte ich mit ihm und unserer Zweithündin (Dackelmischling; bedingt verträglich) an einer stark befahrenen Straße gehen und einen Einkauf bei Fressnapf tätigen. Dies hat er alles super bewältigt.
    Generell versuche ich ihm jetzt viel von der Welt zu zeigen, aber in manchen Situationen weiß ich nicht ganz, wie ich richtig reagieren sollte.
    Wenn er mal wieder beim Spazierengehen stehen bleibt, weil irgendwo eine kleine Bewegung war, soll ich dann einfach weiterlaufen oder mit ihm warten?
    Oft bin ich dann weitergelaufen, weil sich seine Angst dadurch nicht aufbauen konnte. Das hat auch schon viel gebracht, da ich das Gefühl habe, je länger er stehen bleibt desto schlimmer wird seine Angst.
    Allerdings bringt das Weiterlaufen nichts, wenn uns eine Person sozusagen "verfolgt" (mit etwas Abstand hinter uns läuft) er dreht sich die ganze Zeit um und knurrt sogar wenn es dunkel ist.


    Kommen wir zu dem derzeitig größtem Problem.
    Er hat das Gefühl er muss mich immer verteidigen. Wenn meine Mutter in mein Zimmer kommt, fängt er sofort an zu Knurren und fixiert sie. Anzeichen von Schnappen oder ähnliches hat er noch nicht gezeigt. Er knurrt dann einfach nur und bewegt sich nicht.
    Ich habe bisher immer versucht ihn zu stoppen, indem ich mich ihm in den Weg gestellt habe, Nein gesagt habe und ihn in sein Körbchen geschickt habe. Hat aber alles nichts gebracht.
    Ich hätte noch die Idee, ihn einfach zu ignorieren, wobei ich nicht weiß ob das so sinnvoll wäre.
    Wir leben zu siebt in einem Haus, und bei komplett jedem der in mein Zimmer kommt, knurrt er... An sich kommt er aber mit jedem gut klar. Wenn ich runter in die Küche gehe, freut er sich immer wenn er sie sieht.
    Generell wenn ich irgendwo dazu komme, ist alles absolut kein Problem! Aber auch wenn ich alleine mit ihm im Garten bin und z.B. mein Stiefvater ins Sichtfeld kommt, fängt er sofort an zu Knurren und oft auch zu bellen. Gehe ich dann auf meinen Stiefvater zu, folgt er mir sofort, aber knurrt trotzdem noch. Mit der Zeit hört er dann auch auf und geht schwanzwedelnd auf ihn zu.
    Bei unseren Nachbarskindern versteckt er sich sogar knurrend. Er weicht dann immer mehr zurück. Da scheint es mir dann kein Verteidigen von mir mehr zu sein.
    Meine Mutter meinte, wenn Paul alleine im Zimmer ist, knurrt er nicht wenn sie reinkommt. Wie soll ich auf sein Verhalten reagieren? Und wie soll ich es deuten?
    Zur Hundeschule werde in auf jeden Fall auch gehen. Allerdings ist das erst nach der Probezeit möglich.
    Zu mir ist er immer absolut freundlich und anhänglich. Er läuft mir überall hinterher, bleibt aber auch im Zimmer wenn ich ihm das sage.
    Alleinbleiben ist generell kein Problem.
    Er ordnet sich mir auch unter, macht was ich von ihm verlange und respektiert meine Verlangen. Nimmt kein Futter ohne Ok Zeichen (bei ihm echt schwer, da er Futter über alles liebt), und verhält sich generell sehr höflich.


    Eine andere Frage hätte ich noch zum Schluss.
    Paul ist leider ziemlich dünn. Man spürt seine Rippen schon ziemlich stark und kann diese auch sehen.
    Aber egal wie viel Fressen ich ihm gebe, er nimmt nicht zu. Er hat nur dauernd Blähungen und Durchfall. Dabei bekommt er das selbe Futter aus dem Tierheim.
    Wir werden demnächst auch zum Arzt mit ihm gehen, weil er noch ein paar Blessuren hat und dann gleich mal das mit dem Futter klären, aber hättet ihr bis dahin schonmal eine Idee was ich machen könnte?
    Er bekommt morgens und abends ordentlich Futter. Ich kann grad die genaue Menge nicht sagen, aber es ist auf alle Fälle viel mehr, als er normalerweise essen sollte!
    Dazu bekommt er auch noch Kauzeug und Leckerlis. Ordentlich ausgelastet wird er auch. Aber er lässt sogar manchmal Trockenfutter übrig, also scheint er ja dann keinen Hunger mehr zu haben:O


    Ich danke euch jetzt schonmal ganz doll für Hilfe!! :D

  • Hallo,


    ich finde, du überforderst den Hund.
    Innerhalb kurzer Zeit macht es nicht viel Sinn, einem Hund möglichst viel von der Welt zu zeigen, die er bisher noch nicht kennengelernt hat.
    Gehe zunächst nur kurze Wege und vermeide belebte Strecken.
    Alles, was er bisher nicht kennen lernen konnte, kannst du nicht innerhalb kurzer Zeit aufholen.
    Das stresst den Hund, ein gestresster Hund reagiert schnell "über".
    Das Geknurre ist wahrscheinlich ein Zeichen großer Unsicherheit.
    Lass ihn erst einmal bei euch zu Hause ankommen.
    Er braucht viel Ruhe, um Neues zu verarbeiten.
    Das heißt, beschäftige ihn nicht noch mit Kommandos.
    Achte darauf, dass du ihn nicht "zu sehr auf dich fixierst" - umso schwieriger wird es für die restlichen Familienmitglieder.
    Fahre das Programm herunter, auch bitte keine Besuche im Zoofachgeschäft.


    LG Themis

  • Ich möchte Dir keine konkreten Tipps geben, weil ich das auf die (virtuelle) Distanz zu gefährlich finde. Gerade bei dem Problem, das Du schilderst.
    Mein Rat wäre, Dir kurzfristig einen mobilen und erfahrenen Trainer zu suchen, der sich den Hund und das Umfeld ansieht und Dir eine ganz klare Einschätzung gibt, damit Du weißt, was auf Dich zukommt und wo die Grenzen des Machbaren liegen.


    Der Hund ist noch sehr frisch bei Dir. Gerade Hunde aus dem Tierschutz sind in den ersten Wochen und Monaten noch sehr zurückhaltend und packen erst aus, wenn sie richtig angekommen sind. Deshalb würde ich jetzt nicht viel experimentieren, sondern mir Hilfe von einem Fachmann holen, der wirklich weiß, wovon er redet.


    Wenn Du verraten möchtest, in welcher Ecke Du wohnst, kannst Du hier vielleicht Tipps und Kontaktdaten bekommen.


    Edit: Parallel würde ich den Hund auch wie angedacht bei einem Tierarzt vorstellen, um gesundheitliche Ursachen für das Verhalten auszuschließen.

  • Oft bin ich dann weitergelaufen, weil sich seine Angst dadurch nicht aufbauen konnte. Das hat auch schon viel gebracht, da ich das Gefühl habe, je länger er stehen bleibt desto schlimmer wird seine Angst.

    Wenn du das Gefühl hast, dass es mit dem Weitergehen besser ist als mit dem Stehenbleiben, würde ich das weiterhin so machen.

    Allerdings bringt das Weiterlaufen nichts, wenn uns eine Person sozusagen "verfolgt" (mit etwas Abstand hinter uns läuft) er dreht sich die ganze Zeit um und knurrt sogar wenn es dunkel ist.

    Dieses "Problem" haben viele Hunde.
    Am einfachsten ist es m.E. momentan, wenn du mit ihm zur Seite gehst und wartest bis dich die Person überholt hat, dann sollte er mit der Zeit merken, dass ihm nichts passiert und er bei dir sicher ist.

    Die Blähungen und der Durchfall kann von dem ganzen Umstellungsstreß kommen.


    Dein Hund scheint momentan ziemlich gestresst zu sein, ich würde daher das Programm um einiges zurückfahren, der hat zuhause schon genug zu tun, sich an all das Neue zu gewöhnen.


    Zum "Verteidigungsproblem" möchte ich dir keinen Rat geben, das muss sich m.M.n. jemand vor Ort ansehen.

  • Seine Größe beträgt etwa 55 cm, aber er scheint noch zu wachsen, da er laut Tierheim etwa 1 1/2 Jahre alt ist.

    Dann wächst er nicht mehr. Er wird nur noch kräftiger, also etwas "breiter" werden. Das dauert aber noch so zwei Jahre.

    Er hat das Gefühl er muss mich immer verteidigen.

    Er hat wohl eher Angst um sich selbst. Und um seinen Ruhebereich, der unbedingt ein geschützter Bereich sein muss. Störungsfrei.

    Generell wenn ich irgendwo dazu komme, ist alles absolut kein Problem!

    Logisch. Da dringt ja keiner in den Ruhebereich ein.

    Meine Mutter meinte, wenn Paul alleine im Zimmer ist, knurrt er nicht wenn sie reinkommt.

    Da fehlt ihm vermutlich schlicht der Mut. Aber das kann noch kommen.

    Wie soll ich auf sein Verhalten reagieren?

    Es wäre gut, wenn erst Mal keiner mehr ins Zimmer geht und, wenn das nicht zu umgehen ist, der Hund nicht drin ist, sondern nachträglich dazu kommt.

    Er hat nur dauernd Blähungen und Durchfall. Dabei bekommt er das selbe Futter aus dem Tierheim.

    Vermutlich hat er es im Tierheim schon nicht vertragen. Ich würde schleunigst ein anderes, mit anderen Inhaltsstoffen suchen.

    Dazu bekommt er auch noch Kauzeug und Leckerlis.

    Kommt drauf an was er da bekommt. Viele Hunde vertragen den billigen Schrott (berechtigterweise) nicht, den man überall kaufen kann.
    Sollte er Hochwertiges bekommen, würde ich eine Unverträglichkeit gegenüber eines Inhaltsstoffs vermuten.


    Ordentlich ausgelastet wird er auch.

    Das ist keine gute Idee. Ich würde lieber ganz wenig machen, denn für ihn ist alles neu. Jeden Tag. Das muss alles verarbeitet werden. Das ist richtig viel.


    Es dauert Monate bis ein Hund mit so einer Vorgeschichte ansatzweise das Gefühl hat, er hat jetzt sein Zuhause gefunden. Und auch dann wird er erst "auspacken".


    Die zwei Wochen Probezeit sind daher eigentlich auch völlig nutzlos. Der Hund ist in diesem Zeitraum noch immer in einem Ausnahmezustand.


    Wichtig ist, dass Du bereit bist (langfristig) mit gewissen Einschränkungen leben zu können, die sich vielleicht noch ergeben. Häufig ist das bei Hunden mit so einer Vorgeschichte vor allem, dass man sie nicht immer und überall mit hinschleppen kann bzw. sollte, weil sie zeitlebens ein "kleineres Kontingent" haben all die Eindrücke verarbeiten zu können.
    Ich könnte mir auch vorstellen, dass das Thema mit den Menschen sich noch erheblich auswächst, wenn der Mut langsam kommt.

  • Er hat das Gefühl er muss mich immer verteidigen. Wenn meine Mutter in mein Zimmer kommt, fängt er sofort an zu Knurren und fixiert sie.

    Er hat Dein Zimmer als Territoralbereich fest gelegt und Dich als Ressource.

    Ich habe bisher immer versucht ihn zu stoppen, indem ich mich ihm in den Weg gestellt habe, Nein gesagt habe und ihn in sein Körbchen geschickt habe. Hat aber alles nichts gebracht.

    Das finde ich gut, dass Du ihm zeigst, dass er nichts zu regeln hat. Bleib hartnäckig und schicke ihn immer wieder ins Körbchen zurück.
    Wenn die Mutter ins Zimmer kommt, sollte sie vorerst die Individualgrenze zum Hund einhalten. Ansonsten scheint es ja mit der Mutter zu klappen.

    Ich hätte noch die Idee, ihn einfach zu ignorieren, wobei ich nicht weiß ob das so sinnvoll wäre.

    Ignorieren würde ich dieses Verhalten nicht, sondern dem Hund deutlich sagen, dass er nichts zu klären hat, dass Du bestimmst wer in Dein Zimmer kommt oder auch nicht.

  • Die zwei Wochen Probezeit sind daher eigentlich auch völlig nutzlos. Der Hund ist in diesem Zeitraum noch immer in einem Ausnahmezustand.

    :bindafür:


    Bei unserer Schäferhündin die wir mit 1,5 Jahren bekommen hatten, hat es ca. 4 Wochen gedauert, bis sie sich richtig eingelebt hat und sich "normal" verhalten hat wie sie eigentlich vom Charakter her war. Sie kam allerdings vom Züchter und hatte keine "schlechte" Vergangenheit.


    Bei meiner Dackelhündin die ich mit 6 Monaten bekommen habe, hat es jetzt 2 Monate gedauert, bis sie richtig angekommen ist und ihr normales Verhalten gezeigt hat, sie war vorher sehr ängstlich und kannte nichts, war allerdings kein Straßenhund aus dem Ausland.


    Das kann sich über Monate hinziehen bei so einem Hund bis man endgültig merkt, ob "es passt" oder nicht und ob man mit dem Hund klar kommt oder nicht.

  • Ich finde, dass man in 2 wochen einen guten eindruck von dem bekommt, was der hund für einen "charackter" hat und wohin die reise geht.


    Das erwarte ich auch von einem Hundetrainer. Ist das für diesen nicht machbar, dann kann ich die kohlen ja gleich aus dem fenster schmeissen.

  • Kommen wir zu dem derzeitig größtem Problem.
    Er hat das Gefühl er muss mich immer verteidigen. Wenn meine Mutter in mein Zimmer kommt, fängt er sofort an zu Knurren und fixiert sie. Anzeichen von Schnappen oder ähnliches hat er noch nicht gezeigt. Er knurrt dann einfach nur und bewegt sich nicht.
    Ich habe bisher immer versucht ihn zu stoppen, indem ich mich ihm in den Weg gestellt habe, Nein gesagt habe und ihn in sein Körbchen geschickt habe. Hat aber alles nichts gebracht.

    Dieses Problem hatten wir als Luna neu bei mir war auch, allerdings im (Einzel-)Büro wo jeden Tag bekannte und unbekannte Leute hereinkommen.
    Besser wäre es sicherlich ein Ort zu schaffen an dem dein Hund sich zurückziehen kann und wo er erstmal gar nicht gestört wird, aber das ist ggfs. räumlich nicht machbar und dann ists wieder vergleichbar mit unserer Situation im Büro früher.
    Ich musste sehr schnell klar stellen, dass die Zugangskontrolle ausschließlich über mich erfolgt.
    Luna kannte das Kommando "Decke" und dies habe ich konsequent eingefordert wenn es an der Tür geklopft hat. Ganz am Anfang musste ich das mit einer Leine unterstützen. So konnte ich aber sowohl das mit den Besuchern regulieren, als auch die freie Platzwahl im Büro abschaffen.
    Jeder Versuch den Besucher zu begrüßen oder abzuchecken, gerne auch durch knurren, wurde unterbunden sofern keine Freigabe per Kommando erfolgte. Inzwischen regeln wir das zu 90% durch Blickkontakt und Körpersprache. Bei den übrigen 10% wird sie direkt wieder auf die Decke verfrachtet.
    "Decke" ist so ziemlich das wichtigste Kommando im Alltag bei uns solange wir daheim oder im Büro sind und auch nicht verhandelbar. Decke bedeutet immer ICH regel die aktuelle Situation (Klingel, Besucher, Postbote etc.).


    Eine Sache ist uns aber z.B. trotzdem geblieben. Unser Juniorchef wird immer angeknurrt. Drinnen, draußen, egal. Luna spielt mit ihm, lässt sich kraulen und auch füttern, aber trotzdem wird bei Sichtkontakt erstmal kurz geknurrt (keine weiteren Erregungsanzeichen in der Körperhaltung). :ka:
    Da es nur der Junior ist und diese genug Hundeerfahrung hat um das nicht falsch einzuordnen bin ich geneigt es zu akzeptieren, auch wenn ich es nicht nachvollziehen kann.
    Bei einem Familienmitglied wäre es mir jedoch nicht recht.

  • Aber egal wie viel Fressen ich ihm gebe, er nimmt nicht zu. Er hat nur dauernd Blähungen und Durchfall. Dabei bekommt er das selbe Futter aus dem Tierheim.

    Ich gehe auch davon aus das er das Futter im TH schon nicht vertragen hat.
    Was für ein Futter bekommt er denn, und was für Kausachen und Leckerlies. :???:

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