Ist Hundeerziehung heutzutage zu verkopft?

  • Ihm dafür eine zu knallen, wäre authentisch gewesen, weil der Biss schmerzhaft und ich für einen Moment unfassbar wütend (und zudem total übernächtigt) war. Was falsch daran gewesen wäre, einem frisch operiertem Hund mit Schmerzen eine runter zu hauen, muss ich wohl nicht beantworten.

    Ich finde es schade, dass eine Reaktion auf eine Aktion immer gleich mit Gewalt gleich gesetzt wird. Ich habe meinen Hunden noch nie eine runtergehauen, auch nicht wenn sie mir weh getan haben. Ich habe schon aufgebrüllt, sie an gebrüllt oder sie (von mir) runter geschubst. Aber geschlagen habe ich sie noch nie.


    Mein Rüde hatte letztes Jahr sehr starke Schmerzen und auch er hat mich zu keinem Zeitpunkt gebissen, selbst wenn eine Aktion die ich ausführen musste bei ihm zu Schmerzen geführt hat. Was er macht, ist meine Hand ins Maul zu nehmen nach dem Motto "Bitte lass es!" Und der Bitte komme ich immer nach.


    Das zur Impulskontrolle, die er und ich beide haben.


    Aber er hat gebrüllt, auch MICH angebrüllt. Ins Gesicht. Aber er hätte nach mir nie geschnappt.


    Ich habe Impulskontrolle. Wenn ich jedesmal um mich schlagen würde, weil mir jemand weh tut... meine armen Senioren. :D


    Also: Reaktion auf eine Aktion bedeutet nicht, dass man zuschlägt. Aber ich sage meinen Hunden schon, wenn mir etwas missfällt.



    Als er mich einmal sehr unsanft von den Beinen geholt hat, war meine erste Reaktion übrigens Lachen. So sehr, dass ich nicht aufstehen konnte. Er konnte mit der Reaktion irgendwie auch nicht wirklich was anfangen. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nicht anders als mit lachen reagieren können.


    Meine Hündin weiß das übrigens auch. Die macht manchmal so Spirenzen, dass ich lachen muss, wenn ich eigentlich ernst sein will. Sie nutzt das voll aus... und ich lasse sie. Aber auch da schauspielere ich nicht und tu so, als fänd ich das nicht amüsant.


    Ist ja nicht immer nur im Negativen. ;)

  • Ich glaube das Problem ist das unsere Hunde heute in einer ganz anderen Welt leben. Dazu die Umwelt die von uns verlangt das unsere Hunde "funktionieren ", was bei uns einen gewissen Erwartungsdruck auslöst.
    Bei meiner Hündin aus meiner Kindheit war egal ob sie erzogen war, sie sollte treu in der Familie sein und gut. Das sie andere Hunde nicht mochte interessierte keinen und das sie Fremde manchmal doof fand wurde als normal angesehen . Meine nächste Hündin führte ein ganz anderes Leben und meine jetzigen Hunde schon wieder ein völlig anders. Trotzdem erziehe ich gerne positiv, versuche sie zu verstehen und ihnen das zu geben was sie brauchen.


    Was ich aber gemerkt habe. Bei meinen Pflegehunden ist mir Erziehung nicht so wichtig, sie sollen das Leben kennenlernen und ein paar Grundregeln damit wir zusammen leben können. Trotzdem lernen sie und zwar schneller als jeder Hund um dessen Erziehung ich mich bemüht habe. Unser sein ist leichter, wenn ich meine Ansprüche runterschraube und einfach das nehme was ich bekomme. Ich versuche das auch auf meine eigenen Hunde zu übertragen , mal schauen ob mir das gelingt :smile:

  • Was ist denn Intuition beim Hund? Heutzutage doch eher die Übertragung menschlicher Gefühle auf den Hund.
    Wenn die totalen Klischeekleinhundehalterinnen wieder auf der Wiese gegenüber stehen und rätseln, ob ihre Rüden nun wirklich schwul sind, weil sie sich gegenseitig poppen?
    Wenn der junge Erstsemester von gegenüber sich freut, dass sein Hund so schön lacht, ihm dabei aber immer warm ist, weil er so stark hechelt?

    Wenn DAS für Dich "Intuition ist, dann reden wir über gänzlich verschiedene Dinge!


    Intuition ist NICHT gleich absolute Unwissenheit und Ignoranz des Hündischen im Hund!

  • wie ich schon vorhin schrieb, ich finde es interessant, daß Intuition, authentisch sein gleich mit Gewalt und Unwissenheit gleichgesetzt wird :fear:
    Aber auch das ist der Verdienst des heutigen Trends, alles was "anders" ist, ist gleich gewaltsam :/
    Ich werde weiterhin all die neuen methoden hinterfragen und sie auch weiterhin verkopft nennen, weil sie es für mich sind. Clicker usw sind super Hilfsmittel, ich habe die Zeit noch gut in erinnerung, als M. Pietralla den Clicker in Dtl bekannt machte :)
    Aber auch Clicker sind immer nur so gut wie der Anwender. Und wer clickert, ist nicht automatisch positiv.

  • Mein "Problem" war, dass ich nie eine Intuition hatte in Bezug auf Hundeerziehung. Und die "Ich-erziehe-einfach-so-wie-ich-denke"-Hundehalter in meiner Umgebung (mindestens 80%) waren eher ein abschreckendes Beispiel. Ich hab mich viel belesen. Zur Körpersprache von Hunden, typischen Krankheiten, aber auch klassische Erziehungsbücher. Natürlich habe ich nicht alles ohne nachzudenken übernommen. Aber ohne solche Bücher hätte ich wohl nie gewusst was eine Schleppleine ist und wie ich sie sinnvoll als Absicherung für meinen Dicken im Training nutzen könnte. Ich hab einige Sachen ausprobiert und passendes für uns übernommen.
    Als meine Maus ihren Bandscheibenvorfall hatte habe ich mich auch ausgiebig über Behandlungsmöglichkeiten informiert. Das war auch super hilfreich.
    Je mehr ich theoretisch wusste, desto sicherer wurde ich. Davon ab finde ich es auch einfach spannend. Ich beschäftige mich auch gerne mit Menschenpsychologie, da liegt es ja nicht weit auch ab und zu Hundebücher zu dem Thema zu lesen.


    Mir hat die Informationsflut auch bei der Kindererziehung geholfen. Nachdem mir mein gesamtes Umfeld ein schlechtes Gefühl gemacht hat, weil meine Jungs mit 6 Monaten noch keine Beikost aßen, immer noch zur Beruhigung rumgetragen wurden und immer noch nicht in ihren eigenen Zimmern durchschliefen, war es echt entspannend in einem Buch zu lesen, dass das alles ok ist xD

  • wie ich schon vorhin schrieb, ich finde es interessant, daß Intuition, authentisch sein gleich mit Gewalt und Unwissenheit gleichgesetzt wird :fear:
    Aber auch das ist der Verdienst des heutigen Trends, alles was "anders" ist, ist gleich gewaltsam :/
    Ich werde weiterhin all die neuen methoden hinterfragen und sie auch weiterhin verkopft nennen, weil sie es für mich sind. Clicker usw sind super Hilfsmittel, ich habe die Zeit noch gut in erinnerung, als M. Pietralla den Clicker in Dtl bekannt machte :)
    Aber auch Clicker sind immer nur so gut wie der Anwender. Und wer clickert, ist nicht automatisch positiv.

    Nein, es wird nicht gleichgesetzt, aber es ist die andere Seite der Medaille. Bauchgefühl kann einfach gehörig falsch laufen, genauso wie bei Erziehung nach Schema F.


    Um das “richtige“ Bauchgefühl zu bekommen, braucht es Erfahrung - und sei es nur die Erfahrung mit dem eigenen Hund. Hundeschule, Bücher und Co. können unter Umständen aber den Weg zum richtigen Bauchgefühl abkürzen.

  • Ich finde nicht, dass ein richtiges Bauchgefühl Erfahrung braucht. Jedenfalls nicht nur.


    Dafür müsste man auch definieren was Erfahrung in der Hundehaltung ist. Man kann durch zig Hundeschulen gehen, tausend Bücher gelesen haben, jahrzehnte lang Hunde gehalten haben. Aber ob man dadurch gleich auch Erfahrung hat, bleibt dahin gestellt.


    Wichtiger als Erfahrung ist in meinen Augen Selbstreflektion. Das Hinterfragen des eigenen Handelns und Tun. Das lehrt dir keine Hundeschule, kein Buch. Das musst du selbst können.


    Denn jemand der nur erlerntes runterleiert, kann nicht nach dem Bauchgefühl gehen... denn das hat er sich weg studiert.


    Würde ich zB nur nach den Lehrbüchern gehen die ich für meinen Job reinlesen musste, dann hätte ich mindestens die Hälfte der Herzinfarkte, Schlaganfälle oder andere lebensgefährdende Erkrankungen nicht erkannt. Auch in der Arbeit arbeite ich viel nach Bauchgefühl. Habe ich bei einem Bewohner ein schlechtes Gefühl, werde ich hellhörig.
    Ich arbeite schon einige Jahre in meinem Beruf, aber die Schule und die Bücher haben mich das nicht gelehrt.


    So ist das auch bei meinen Hunden. Das tägliche Zusammensein und das Zulassen von Selbstreflektion ist in meinen Augen mehr Wert als eine Schema F Schule und irgendwelche Bücher.


    Siehe das viel gelobte Buch "Am anderen Ende der Leine". Ich fands nicht gut, da es gut und schnell bei nicht vorhandener Selbstreflektion das falsche lehrt.

  • Natürlich braucht es nicht nur Erfahrung. Hab ich auch nicht gesagt. Aber Bauchgefühl ohne Erfahrung oder Wissen geht halt eventuell auch schief.


    Wie mein Anfangsbeispiel mit dem Rammeln. Wie kommt man ohne Wissen darauf, dass eine sexuelle Handlung auf Stress hindeuten kann?

  • Das ist wahr. Aber wenn dein Bauchgefühl anspringt, wenn du besagtes Verhalten nur unter bestimmten Vorraussetzungen beobachtest, wird dir das auch irgendwann bewusst.


    Das gleiche gilt für das allseits berühmte Schwanz wedeln. Je mehr du dich mit deinem Hund auseinander setzt und versuchst ihn zu verstehen, umso mehr wirst du erkennen was genau das Wedeln bedeutet und das es eben nicht immer nur Freude ist.



    Aber es gibt durchaus Hundehalter die seit Jahrzehnten Hunde halten und das Schwanzwedeln immer noch für Freude halten und Mobbing für lustiges Spielen. :ka:

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