Neuer Hund und das alleine bleiben

  • Liebes Forum,


    seit eineinhalb Wochen wohnt nun unser Hund bei uns. Er ist ca. ein Jahr alt (geschätzt, da er gefunden wurde), Rüde, gerade erst kastriert worden. Er ist ein Mischling und wurde im Tierheim als Labradormix bezeichnet. Allerdings glauben wir das nicht, er sieht meiner Meinung eher wie ein Ridgback-Boxer-Mix (?) aus. Es könnte aber auch alles andere mit drin stecken.
    Jetzt ist der Gute ja erst relativ kurz hier und gewöhnt sich noch ein. Ich denke er ist auf einem sehr guten Weg und schon halbwegs angekommen. Zumindest hat er seine anfängliche Schüchternheit abgelegt und wird zunehmend frecher. Alles ganz normal für einen Junghund und er macht sich sehr gut insgesamt. Er ist stubenrein, hat akzeptiert dass manche Räume für ihn tabu sind, ist freundlich zu jedem Mensch und Hund und spielt sehr gerne, wenn auch sehr körperbetont.


    Das einzige was uns derzeit noch etwas Kopfzerbrechen bereitet ist das alleine bleiben. Anfangs haben wir das vermieden. Wegen der Kastrationswunde hätten wir ihm jedes Mal die Halskrause anziehen müssen, die wir ihm sonst tagsüber erspart haben. Am Samstag haben wir es nun das erste Mal ausprobiert und haben ihn ca. eine Stunde alleine gelassen. Er hat etwas zum Knabbern bekommen und wir haben per Skype die Kamera eingeschaltet um ihn zu beobachten. Zunächst hat er glaube ich kaum registriert dass wir weg sind, sondern hat sich auf sein Ziegenohr konzentriert. Die Kamera hat zumindest keinen Hund gezeigt an der Tür (darauf war sie ausgerichtet) und man hat Kaugeräusche gehört. Dann ist dummerweise nach ca. 5 Minuten der Anruf abgebrochen und wir wissen nichts über den Rest der Zeit. Allerdings war als wir zurück kamen der Sichtschutz an unserer Haustüre kaputt (nur so eine Art Vorhang, nichts was uns wichtig wäre). Und auch als wir später im Vorgarten unsere Bäume geschnitten haben und er drinnen war hat er gejault und hinter Fenster und Türe Rambazamba gemacht. Er macht sonst nichts kaputt, aber er will eben einfach zu uns und er war jedenfalls definitiv nicht entspannt. Also denke ich, dass wir das alleine bleiben in kleinen Schritten von nun an aufbauen müssen. Ich bin seit dem einige Male kurz vor die Türe gegangen für eine Minute. Dabei habe ich die Kamera wieder an gehabt. Er registriert es sofort und läuft zur Türe und fiept ein bisschen. Nicht extrem, aber trotzdem. Ich bin jedes Mal wieder rein wenn er ruhig war und habe ihn beim Gehen und Kommen ignoriert. Ist das Vorgehen so richtig?


    Ist es noch mal sinnvoll ihn länger alleine zu lassen mit Kamera um herauszufinden ob er nach einiger Zeit auch entspanntere Phasen hat oder ob er die ganze Zeit hinter der Türe wartet? Ich denke eigentlich nicht, dass er wirklich Verlassensängste hat, sondern dass es eher eine Art Protest ist. Sonst hätte er doch anfangs nicht gefressen. Oder was meint ihr?


    Auch im Haus ist er uns anfangs immer hinterher gelaufen. Das ist allerdings schon etwas besser geworden. Ich habe öfter mal eine Türe hinter mir zu gemacht, bin viel sinnlos hin und her gelaufen oder habe ihn auf seinen Platz geschickt (das hat er in der kurzen Zeit schon gelernt).


    Immer wieder hört man ja den Tipp, dass es dem Hund hilft ihn räumlich zu begrenzen wenn er alleine sein muss. Leider ist das bei uns im Haus etwas schwierig. Unser Wohnzimmer ist offen hin zur Haustüre, der Küche plus Essbereich und dem Büro (hierzu ist der Durchgang enger, da könnten wir ein Gitter davor machen). Oder wir könnten ihn in unser Gästezimmer tun. Allerdings hält er sich dort sonst kaum auf und hat dort auch keinen Schlafplatz und Wasser (das könnte man aber ja ändern). Ich denke aber ihn dort rein zu schicken würde das alleine bleiben noch komplizierter machen, oder?


    Was sind eure Erfahrungen? Wie würdet ihr vorgehen? Er ist ja erst sehr kurz hier, aber wir wollen das auf jeden Fall schnell angehen. Er muss zwar aktuell nicht alleine bleiben, aber es ist so natürlich schon sehr einschränkend für uns.

  • Ich nehme schon mal was von den Bedenken, die auch unfreundlicher ausfallen werden, voraus und bin schon ein wenig erstaunt.


    Ihr habt den Hund seit 1,5 Wochen bei Euch und lasst ihn schon eine Stunde alleine?


    Er ist ja erst sehr kurz hier, aber wir wollen das auf jeden Fall schnell angehen. Er muss zwar aktuell nicht alleine bleiben, aber es ist so natürlich schon sehr einschränkend für uns.

    Was ist daran einschränkend- dass Ihr einen Hund habt, sehr jung, sehr unsicher- der sollte nun also möglichst schnell ganz brav mindestens eine Stunde alleine bleiben?
    Warum darf er nicht mit Euch raus, wenn Ihr im Garten werkelt?
    Warum habt Ihr den Hund, was macht Ihr ansonsten mit ihm?


    Ich versuche, höflich zu bleiben, aber das ist eine erstaunliche Einstellung.

  • Wir haben ihn eben ein mal alleine gelassen um es zu testen (deswegen ja auch die Kamera). Ansonsten musste er ja noch nie alleine bleiben. Und einschränkend ist es eben im Alltag weil es schon etwas umständlicher ist wenn man nicht mal eben kurz einkaufen kann oder andere Dinge erledigen. Hunde sind ja nun nicht überall erwünscht.
    Im Garten ist er mit uns normalerweise natürlich draußen. Aber der Vorgarten ist nicht eingezäunt. Da war er anfangs auch mit dabei an der Leine. Wirklich zur Ruhe kam er dort aber auch nicht weil wir da ja sehr häufig an ihm vorbei laufen mussten. Und da er immer mal wieder sehr in sein Geschirr gesprungen ist dachten wir es wäre drinnen entspannter für ihn. Er konnte uns ja hören und sehen. Und im Haus akzeptiert er das ja auch wenn wir in einem anderen Raum sind (er schläft vor unserem Schlafzimmer, bei offener Türe).
    Ansonsten hat er bisher noch kein besonders großes Programm. Wir gehen spazieren und versuchen uns an ein paar Grundkommandos und sind dabei erst mal die Hausregeln zu lernen (was auch alles schneller klappt als gedacht). Gespielt wird natürlich auch.
    Es geht uns ja nicht darum dass er sofort ewig alleine bleiben soll. Wir versuchen eben nur einen Mittelweg zwischen Eingewöhnung und einem realistischen späteren Alltag, der eben auch das alleine bleiben beinhaltet, hinzubekommen.
    Und ich denke er ist mittlerweile schon relativ entspannt bei uns. Selbst als es vorhin stark und laut gewittert hat, hat er einfach weiter gepennt.

  • Eine Stunde ist für den Anfang reichlich ambitioniert. Ich würde dringend davon abraten, testweise nochmal so lang oder gar länger wegzubleiben. Im schlimmsten Fall habt ihr einen Hund, der die ganze Zeit gestresst ist und randaliert, und die dadurch gemachten negativen Erfahrungen auszubügeln dauert meist viel länger, als von Anfang an das Alleinebleiben als etwas aufzubauen, was überhaupt nicht schlimm ist. Ich würde ihn die nächste Zeit nur für Trainingszwecke allein lassen und die Zeiten auch entsprechend kurz halten. Eine Minute ist für den Anfang möglicherweise sogar das Maximum; viele Leute fangen teils im Sekundenbereich an und gehen wieder rein, bevor der Hund überhaupt das Fiepen anfängt. Dass es Protest ist, bezweifle ich mal; der Hund kennt euch und seine neue Umgebung noch kaum und weiß schlicht nicht, dass ihr immer wieder kommt. Ob er jetzt richtige Verlassensängste hat, kann man natürlich aus der Ferne nicht beurteilen, mindestens aber hat er noch Stress, wenn er allein sein muss. Das solltet und wollt ihr ja abstellen.


    Abgesehen vom langsamen Steigern gäb's für mich zwei Punkte, die ihr im Auge behalten könntet: Kauartikel und Begrüßung/Verabschiedung. Beides ist nicht falsch, so wie ihr es macht. Es kommt aber auf den Hund an, wie er damit umgeht. Hier gibt's beim Alleinebleiben grundsätzlich keine Kauartikel mehr, das haben wir ausprobiert und es hat nur dazu geführt, dass unser Hund sich eine andere Beschäftigung gesucht hat, wenn er mit dem Knabberkram fertig war - in der Regel hat er was kaputt gemacht. Manchen Hunden hilft der Kaukram, bei manchen ist es kontraproduktiv; da muss man wirklich auf den Hund gucken. Was die Verabschiedung und Begrüßung angeht: auch das ist meiner Meinung nach eine individuelle Entscheidung. Klar sollte man kein riesiges Brimborium drum machen. Wir fahren aber mit einem kleinen Abschieds- und einem ebenfalls kleinen Begrüßungsritual ganz gut. Hund weiß dann Bescheid, dass wir gehen und hebt schon lange nicht einmal mehr den Kopf. Das müsst ihr also für euch entscheiden.


    Ich würde euch jetzt erstmal raten, ganz langsam weiterzutrainieren, evtl. auch erstmal im Haus, sodass der Hund dann erst kurz, später auch länger mal in einem anderen Raum ist als ihr, idealerweise in dem Bereich, in dem er auch später allein bleiben soll. Dann auch mal kurz das Haus verlassen. Grundsätzlich macht ihr es schon richtig, auch wenn ich anfangs tatsächlich mal noch kürzer wegbleiben würde als eine Minute. Sperrt ihn bitte auch nicht mehr allein ein, wenn ihr im Garten seid. Seine Reaktion zeigt ja, dass ihn das stresst; ihr macht es euch so nur schwerer.


    Ansonsten gibt es übrigens einen ganzen Thread für Probleme beim Alleinebleiben: Lonely Barkers - die Alleinbleib-Selbsthilfegruppe


    Das Wichtigste: Habt Geduld! Euer Hund ist gerade in einem ohnehin nicht einfachen Alter, in dem im Gehirn sehr viel Umbauarbeit stattfindet. Dazu der Ortswechsel, neue Bezugspersonen... an all das hat er sich noch nicht wirklich gewöhnt; es kann sein, dass es noch Wochen oder gar Monate dauert, bis er richtig bei euch angekommen ist. Übt dosiert, stresst ihn nicht noch zusätzlich durch eine zu hohe Erwartungshaltung. Selbst Hunde, die früher schon einige Zeit allein bleiben konnten, können gerade in dem Alter nochmal "Rückfälle" haben. Ihr schafft das schon, aber nehmt euch und vor allem dem Hund den Druck raus.

  • Der erste Versuch ist leider etwas unglücklich verlaufen. Der bessere Weg wäre gewesen, ihn "testweise" 5 min allein zu lassen, wenn man den Müll rausbringt. Oder sogar kürzer, Zimmertür schließen, zum Briefkasten, und wieder zurück. Das dann je nach Hund steigern, das hab ich bei meinen Welpen gemacht und das hat bei beiden super geklappt und recht schnell waren größere
    Zeitabstände möglich.


    Es ist gut, was ihr sonst macht. Immer mal wieder Türen schließen, das würde ich beibehalten. Ihm damit zeigen, dass das absolut nichts aufregendes ist. Ich würde mich, wenn möglich, auch mehrmals am Tag, so 3-4x, pro Einheit gerne 10x, an und wieder ausziehen. Volle Montur - Schuhe, Jacke, Tasche, Schlüssel. Damit herumlaufen, Hund nicht beachten, wieder ausziehen, das ganze Prozedere direkt wieder. Wenn das klappt, ohne dass er euch großartig bestaunt und verfolgt, würde ich weiter gehen und für ein, zwei Minuten für die Tür. Bei vielen Hunden können die Abstände schneller erhöht werden, wenn es mal 30-60min gut und entspannt geklappt hat.


    Ich habe bei beiden Hunden auch eine Verabschiedung, ich streichel jedem über den Kopf, "Sei schön brav, bis später" - meistens gibt noch nen Küsschen xD Und wenn wir wieder kommen, begrüße ich schon ordentlich *hups* - aber meinen beiden macht alleinbleiben eben auch nichts aus und wir freuen uns ja alle uns wiederzusehen, wieso soll ich mich da nicht freuen.


    Meine Hunde bekamen zur Übung nie was zum Futtern, auch jetzt nicht. Ach doch, das allererste mal gabs nen gefüllten Kopf, mit selbstgemachtem Bananeneis. Ich gebe keine Kauartikel aus Angst, dass sie sich daran ernsthaft verschlucken oder verletzten können.


    Aber sonst klingt euer Vorgehen doch ziemlich vernünftig.
    Bleibt kleinschrittig, nicht nochmal lang probieren in der Hoffnung, er würde sich vllt entspannen. Damit zieht ihr euch dann womöglich erst richtig ein Problem heran, das möchte ja niemand.


    Ach, manchen Hunden hilft es auch, wenn zB Radio läuft, wenn sie allein bleiben. Wäre vllt auch eine Möglichkeit.

  • Das mit dem Radio werden wir mal ausprobieren. Vielleicht hilft ihm das ja zusätzlich.
    Wir werden weiterhin das kleinschrittig probieren. Aber ist der Schritt denn schon zu groß wenn er aufsteht und zur Türe läuft ohne zu fiepen?


    Das mit dem an- und ausziehen können wir uns zum Glück sparen. Wir leben derzeit nicht in Deutschland und bei uns ist es warm. Aber den Schlüssel werde ich mal öfter in die Hand nehmen.
    Den Kaukram planen wir nicht jedes Mal einzusetzen.


    Am besten ist es wahrscheinlich wenn ich die Haustüre und den Garagenausgang gleichermaßen trainiere wenn wir durch beide manchmal potentiell verschwinden in der Zukunft?


    Das er in einem schwierigen Alter ist ist uns durchaus bewusst. Und wir haben auch eigentlich wenige Erwartungen an ihn. Wir sind eher überrascht wie schnell er vieles lernt. Auch wenn es natürlich alles noch nicht gefestigt ist und wir rechnen auch mit Rückschlägen. Er ist bei vielem ein traumhund bisher, auch wenn sich das noch ändern kann.


    Daher ist eben auch das alleine bleiben das einzige was uns bisher etwas sorgen bereitet und woran wir direkt arbeiten wollen. Und ihn überall hin mit nehmen wird hier nicht so funktionieren. Hunde sind meistens verboten. Und wir gelten ja schon als verrückt dass wir täglich mit ihm spazieren gehen (auch noch mehrmals) und uns über alleine bleiben überhaupt so viele Gedanken machen und ihn nicht einfach in einen Käfig sperren wo er nichts kaputt machen kann. Andere Länder, andere Sitten.

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