Fehlende Impulskontrolle oder Jagdtrieb?!

  • Hallo liebes Forum !!


    Wir sind hier neu und haben vielleicht ein Problem, und ich weiß echt nicht, wie man das am gescheitesten lösen könnte. :hilfe:


    Unser Sturkopf Schnautzer/DeutschDrahthaar-Mischling Locke, kastriert und 4 Jahre alt, hält mich fast jeden Tag auf Trap. Er kommt aus einer sehr schlechten Haltung von der Türkei, wo er vor allem Mit Männern sehr schlechte Erfahrungen hatte. Höchstwahrscheinlich an einem kurzen Lederband als Wachhund im Hof gelassen, ohne Essen.
    Ich hatte anfangs sehr große Probleme mit ihm gehabt. Angefangen von der Fehlenden Leinenführigkeit über Gehorsam und Respekt vor mir.


    Als Notfall ist er zu uns gekommen, weil die vorherige Besitzerin nach 1 Woche gesagt hat, das er ein unglaublich, bärenstarker, furchtbarer Jagthund ist, der kein bisschen hört. Er hat die Katze der Mutter gejagt, gefasst und gerissen. Er hat den Garten umgegraben, am See Enten gerissen und sonst überall markiert und nur das gmacht, was er wollte.
    Also ein echter Schlingel :)


    Mittlerweile hat sich das schon sehr gebessert. Er geht (mit einigen aussetzern) gut an der leine, und hört fast immer auf mich (wenn er angeleint ist). Das hört aber fast schlagartig auf, sobald er an der Schleppleine ist. Teilweise ist er ein echter Musterschüler, aber das hört direkt auf, wenn er zb Vögel am Wegesrand sieht. Er sprintet sofort los und will hinterher. Egal ob Pferd, Katze, oder rennender Hund, er muss sofort hinterher. Im Wald (nicht auf den Gehwegen) ist der Hintern oben, die Schnautze unten, da kennt er nur Fährte suchen und verfolgen. Einmal ist der Karabiner geplatzt und ist mir entwischt. Er kam aber nach 5 Minuten mit einem Freudestrahlen, die Zunge am Grund und die Rute wild am Wedeln zu mir. Seine Aufmerksamkeit gilt dann erst mir, wenn wir da wieder weg sind und er sich beruhigt hat. Zieht aber währenddessen (und mittlerweile) (im Wald) kaum mehr wie eine Zugmaschiene, worauf ich sehr stolz bin. Er muss dringend, sofort und unverzüglich nach jeder Bewegung her, in der Dämmerung, vor allem Nachts ist nicht ans Gassi gehen zu denken. Da jagt er ohne unterbrechung und bringt eine wahnsinnige Konzentration zu Tage, die nicht nur mich sehr beeindruckt. Am Badesee ist es mit ihm kaum auszuhalten. Er liebt Wasser, Springt, zieht, zerrt, springt, hoch und zur Seite, sitzt nach mehrmaliger aufforderung um direkt wieder aufzustehen. Macht Männchen, bäumt sich auf um wieder zu ziehen und zu zerren. Er ist wie von Sinnen, nicht zu kontrollieren. Jede Welle muss erstürmt und beschnüffelt werden. Gejagt und geschnappt werden. Enten werden verfolgt, da muss er auch dringend und sofort hin. Er hat erst Ruhe, wenn er im Wasser ist und die Enten für ne Minute nichts von sich geben. Ansonsten ist außerhalb des Wassers keine 5 Sekunden Ruhe angesagt.


    Könnt Ihr mir vielleicht Übungen oder Training vorschlagen, was helfen würde? :gott:


    Ich bin zurzeit mit meinem Latein am Ende, egal wie oft wir hinfahren und ich ihn zu beruhigen versuche. Sitzen und Entspannen ist kaum möglich, ohne das meine Hände feuuerrot aufglühen und ich mega geladen bin. Denn da fällt es sehr schwer, ruhig zu bleiben.


    Das er sich von der ultimativen Neugier in seinem Umfeld wie ein Welpe benimmt, ist mir klar. aber wie helfe ich Ihm, dass er ruhig ist und anfängt, sich auch draußen zu entspannen?


    Liebe, liebe, verzweifelte Grüße :shocked:

  • Hey...
    Magst Du mal deinen normalen Alltag mit dem Hund beschreiben?
    Wie oft geht ihr raus, was macht ihr draußen, was bietest Du dem Hund an Beschäftigung, wieviel schläft er usw.?


    Wie lange ist der Hund schon bei Dir?
    (Sorry, falls ich es überlesen haben sollte.)


    Wer kümmert sich um den Hund?


    Was genau trainierst Du mit ihm? Was möchtest Du erreichen (was sind die Ziele) und wie möchtest Du da hin kommen?


    Generell zum Thema Anti Jagd Training ist das hier ein gutes Buch, das schon viel helfen kann:

  • Das ist ein Jagdhund, zumindest schlägt er in der Mischung durch. Er hat vier Jahre nichts kennen gelernt und bekommt nun die große weite Welt...kein Wunder, dass er sich überschlägt...


    Der Hund will und muss geistig beschäftigt werden. Mach mit ihm Mantrailing / Fährtensuche, das lastet ihn aus, macht ihn glücklich und ruhiger.


    Wenn so ein Hund nicht jagdlich geführt wird, muss man einen Ersatz anbieten, sonst flippen sie irgendwann aus. Diese Hunde wollen arbeiten.

  • Impulskontrolle würde einer Jagdsau trotzdem nicht schaden. Ich würde auch daran arbeiten. Hunde die nichts kennen gelernt haben, haben da oft ein Defizit und sind schneller auf 180.

  • Wie lange ist der Hund denn schon bei euch?
    Was habt ihr schon alles trainerisch ausprobiert?
    Wie sieht der Tagesablauf aus?
    Was arbeitest du mit dem Hund ganz konkret?
    Wie ist sein Verhalten bzw. sein Ruheverhalten im Haus?
    Wie gut ist seine Frustrationstoleranz insgesamt?
    Wie gut ist die Impulskontrolle in anderen Bereichen bzw. habt ihr überhaupt schon in die Richtung etwas trainiert?


    Es mag sein, dass der Hund schon in seinem vorherigen Leben Jagderfolge hatte (der Erfolg bemisst sich nicht daran, ob er Wild oder andere Tiere gerissen hat, sondern bezieht sich auf das selbstständige Jagen/Hetzen von anderen Tieren, was schon stark selbstbelohnend ist).


    Grunddsätzlich gehört zu einer guten Führbarkeit/Kontrollierbarkeit eines Jagdhundes ein sehr gutes Maß an Impulskontrolle, eine sehr gute Frustrationstoleranz und ein sehr sicheres Abbruchsignal - auf der anderen Seite gehört dann aber auch dazu, einen Hund jagdalternativ arbeiten zu lassen und zwar sehr ernsthaft und möglichst auch auf einem recht hohen Niveau.


    Wenn er draußen so wenig ansprechbar ist, macht es keinen Sinn, direkt in diesem hohen Erregungslevel mit irgendeinem Training zu starten. Üben würde man erst mal im häuslichen Bereich und ohne jegliche Ablenkung und erst auch nur an sogenannten Stellvertreterkonflikten.


    Um da genaueres zu sagen zu können, fehlen aber noch ganz viele Infos.

  • Für mich hört sich das nach einem extrem gestressten Hund an. Solange er draußen so unter Strom ist, kann er kaum etwas lernen. Ein gestresster Jagdhund geiert noch extremer nach jagdlichen Reizen.


    Er muss lernen, draußen auch mal runterzukommen.


    Darf er, z.B. in einem eingezäunten Auslauf, auch mal ohne Leine rennen?

  • Hallo Millemaus !!


    Wie oft gehen wir raus?
    Mindestens 2 mal am Tag, insgesamt mindestens 1,5 h meistens ungefähr 2 bis 3 h (abends immer länger als morgens)


    Was machen wir draußen?
    Erleichtern :D, Leinenführigkeit üben, nach Möglichkeit Kontakt zu Artgenossen haben (durchhängende Leine, Ständige Aufmerksamkeit meinerseits und loben wenn es toll geklappt hat), bei Jagtverhalten "gucken" üben, sitzen und auch mal für 10 min auf ne Bank sitzen und Entspannen. Mein freund geht 2-3 mal in der Woche mit ihm Joggen um ihn körperlich etwa mehr auszulasten, was Locke ganz toll findet.


    Welche Beschäftigung bieten wir ihm an?
    Rinderkopfhaut, momentan vermehrtes gewöhnen am Futterdummy um hoffentlich bald zu apportieren, Futtersuche in der Ganzen Wohnung, Gehorsam, Quietscheesel zum spielen (und Training für ihn, das er auch sachen haben darf ohne das es ihm weggenommen wird), Kong.... Grundlegend Entspannung, das er sich zurückziehen darf wann er will, vor 3 wochen hat er es sich abgeguckt auch mal streicheleinheiten einzufordern und das er das auch darf.


    Wer Kümmert sich um ihn?
    Hauptsächlich fast nur ich, bin also die bezugsperson. Dann mein Freund, der abends daheim ist und auch mal mit ihm Gassi geht oder mit ihm tobt.


    Was genau trainiere ich mit ihm ?
    Gehorsam !!!! , Leinenführigkeit ! seit wenigen Tagen das Apporieren (er muss noch verstehen, das der Futterdummy gaaanz toll ist). Da er vor einem Halben Jahr erst zu uns kam und null Erziehung hatte, sind wir seit der ersten Woche mit ihm dabei. Da er auch mein erster hund ist, will ich ihn nicht überfordern und hab mit den ersten beiden sachen angefangen. mittlerweile möchte ich ihn auch anders auslasten, da kommt der Dummy ins spiel. Sein super Qietschesel hat er bereits bis in den Wald apporiert ( 50 Meter), um ihn dann auszuspucken und zeitweise nur ein paar meter weiterzuschleppen.


    Was will ich erreichen und wie will ich das anstellen?
    Das er gehorsam ist und ich nicht 10 mal rufen muss, bis er entscheidet, doch vielleicht zu folgen. Da er Bewegungs- und geräuschgeil ist, dieses abzuschwächen und umzuleiten in dummyarbeit und vielleicht Nasenarbeit. An der Leine sollte er super laufen, ohne mir die Arme rauszureißen, weil 10 m weiter ein Reh unser Weg kreuzt. Auch mal zusammen schwimmen gehen, ohne das er enten reisst und mich volle kanne ins wasser zerrt. Er sollte jetzt nicht 20 Kunststücke flüssig vorführen können, es wäre nur meiner (und unser wunsch) das er auf uns hört und keinem anderen Schaden zufügt.

  • Hallo erstmal :winken:


    Aufgrund der Mischung würde ich primär auch einmal spontan auf Jagdtrieb tippen. ABER: das primäre Problem sehe ich hier in der totalen Überforderung mit der Umwelt, deshalb auch die grosse Reizempfänglichkeit.
    Ganz persönlich hatte ich mit meiner Hündin (die mit grosser Wahrscheinlichkeit aus reiner Wohnungshaltung stammt) ähnliche Probleme.
    Wie lange ist denn der Hund bei euch? Und was machst du mit ihm?
    Zudem: Kopf hoch, du hast ja schon viel erreicht! :dafuer:


    Mein Ratschlag: Entschleunigung :D . Hat bei mir lange gedauert. Es geht nicht darum, möglichst weit oder schnell zu gehen, sondern draussen zu sein, den Puls wieder runter fahren, Zeit zu geben. Lass ihn nicht in seiner Aufregung hängen und vor allem- bleibe du selbst möglich ruhig. Mir hilft es manchmal wenn ich bei Aufregung sage "das ist okay". Mittlerweile ist das auch für sie ein Entspannungswort geworden, zu Beginn war das aber vor Allem für mich. Hund sieht einen weissen Stein und rastet aus? "Das ist okay", ich weiss ja, dass es nur ein Stein ist und Hund halt auch nur ein Hund...
    Das heisst nicht, dass sonst die Auslastung vernachlässigt werden soll. Persönlich fände ich ZOS ganze toll, weil man das halt auch im ruhigen Wohnzimmer machen kann.


    Bezüglich dem Jagen wirst du dich wahrscheinlich ordentlich reinhängen müssen. Das Buch von @Millemaus finde ich in diesem Fall ebenso empfehlenswert.


    tschuldigung, zu spät :D

  • Für mich hört sich das nach einem extrem gestressten Hund an. Solange er draußen so unter Strom ist, kann er kaum etwas lernen. Ein gestresster Jagdhund geiert noch extremer nach jagdlichen Reizen.


    Er muss lernen, draußen auch mal runterzukommen.


    Darf er, z.B. in einem eingezäunten Auslauf, auch mal ohne Leine rennen?

    Leider nein, ich bin noch auf der Suche nach einem Platz, wo man ihm ableinen kann. Wir gehen auch mal aufs Feld mit der schleppleine vorraus und laufen gemeinsam um die wette. da aber oft Vögel viel interessanter sind, versuche ich seine aufmerksamkeit auf mich zu lenken mit leckerlies, komandos das er zu mir kommen soll oder durch spielzeug.

  • Generell klingt das alles etwas viel.
    Ich würde ein Entschleunigungsprogramm vorschlagen.
    2 Wochen lang morgens, mittags und abends dieselbe 15-20 Minuten Runde gehen, NICHTS von ihm verlangen außer Umwelt wahrnehmen und schauen, ob sich sein aufgeregtes Verhalten dadurch bessert.
    Wenn ja war er vorher überfordert.
    Wenn es auch nach zwei Wochen nicht weniger ist, dann war er unterfordert (glaube ich aber nicht!).
    IdR wird das aufgeregte Verhalten bei so einem 0-Programm erstmal schlimmer. Wie bei einem Junkie auf Entzug. Aber so nach 5-7 Tagen pendelt es sich im Normalfall ein und der Hund wird ruhiger.


    Ich würde anfangen mit dem Hund Entspannung zu üben. Drinnen, mit möglichst wenig Ablenkung. Entspannungswort, -decke, -musik, -geruch etc.
    Eventuell Isometrische Übungen, Geschirrgriff usw.
    Das sind alles Sachen, die helfen KÖNNEN.


    Zusätzlich würde ich nach einem positiv arbeitenden Trainer suchen, der sich mit hibbeligen Hunden und Jagverhalten auskennt. Der zu euch nach hause kommt und mit euch dort an den Problemen arbeitet, wo sie sich zeigen. Also nicht in einer Hundeschule/auf einem Hundeplatz.


    Ich würde Dir raten, dir eine Liste zu machen:
    Welches Verhalten ist das, was euch im Alltag am meisten stört? Welches stört am zweite meisten etc.
    Und dann diese Liste nach und nach abarbeiten. Nicht an allem auf einmal arbeiten.

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