ANTIJagd oder MITJagd Training?

  • Hallo zusammen,


    Ich war letzte Woche mit zwei Weimaraner und zwei Vizsla Halterinnen beim Mantrailen und wir haben uns über Jagdtrieb im Allgemeinen und dem der genannten Hunde im Besonderen unterhalten. Die besagten Hunde waren noch relativ jung.


    Nun beschrieb die eine, dass ihr Ansatz war, möglichst alle Verhaltensweisen schon sehr früh zu unterbinden, die ihrer Meinung nach ein späteres unkontrolliertes Jagdverhalten fördern könnten. Dinge wie Blätter jagen, Mäuse jagen, sich an etwas anschleichen etc wurde also konsequent verhindert, insbesondere schon im ersten Lebensjahr. Der Hund bekam aber anderweitige jagdliche Beschäftigung, wie eben Mantrailen oder Arbeit mit dem Dummy.


    Die andere Halterin fuhr eine andere Schiene und förderte ein Anschleichen, sowie kontrolliertes Hetzen des Hundes mit ihr gemeinsam auf ein bestimmtes Kommando (zum Beispiel auf Vögel etwa meinte sie). Auch durfte der Hund auf ihrem Hof Mäuse jagen sowie töten, sollte im Wald frische Spuren anzeigen usw. Der Hund wurde also in seinen jagdlichen Anlagen gezielt ermutigt.


    Ich fand das total interessant, auch wenn ich einen ganz anderen Hundetyp halte.


    Beide Ansätze klangen im ersten Moment schlüssig. Die eine argumentierte, dass Erfolge und diesbezügliche Erfahrungen den Jagdtrieb verstärken und zwar völlig unkontrolliert. Die andere war davon überzeugt, dass ein "Deckeln" langfristig nichts bringt und man auf gemeinsame Jagderlebnisse setzen muss. (Die andere machte irgendwie eine Kombination aus beiden Ansätzen xD )


    Mal vom Sinn und Unsinn von Jagdspezialisten in Nicht-Jäger-Hand abgesehen, kann man beide Strategien theoretisch ja bei sämtlichen Hunden fahren.


    Was macht in euren Augen mehr Sinn?
    Kommt es auf den Hund an, wie man vorgeht, lehnt ihr manches teilweise oder komplett kategorisch ab oder welche Erfahrungen habt ihr da?? :winken:

  • Ich finde die Schiene "gemeinsam jagen" total interessant. Ob ich mich das bei einem jungen Jagdhund trauen würde? Vermutlich bräuchte ich eine extrem gute Idee, wie ich auch das gemeinsame Jagen unter Kontrolle halten kann. Ich hätte da wohl zu viel Sorge, es verselbständigt sich. Aber es wäre ja schon ideal... Gut, ist eh nicht mein Hundetyp, also nicht meine Zwickmühle.


    Ich schaue schon ein wenig, was bringt der Hund an Verhalten bei Wildsichtung mit, aber wo wirklich "hetzen" im Sinne des Hundes ist, deckel ich, da bin ich ehrlich. Lucy damals durfte viel, auch Fährten folgen... einmal habe ich sie gezielt ein ausgebüxtes Kaninchen aufstöbern lassen. Aber bei ihr wusste ich halt, sie im Zweifelsfall kontrollierbar. Faszinierend fand ich es schon.


    Bei Grisu und Joey gehe ich wohl den einfachen Weg :ops: .


    Mit einem Vollblut-Jagdhund ist ja eh die Frage, wie laste ich ihn seinen Anlagen entsprechend aus. Ich vermute, ich würde auch die Richtung Mantrailing/Dummy wählen und wäre nicht mutig genug, ihm in der Natur das Nachgehen von Jagdambitionen zuzugestehen. Ich hätte wohl auch zu viel Sorge, irgendwann die Kontrolle zu verlieren. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass auch der andere Weg funktioniert (und eigentlich gefällt er mir besser). Man muss wohl sehr fein und genau reagieren und Freigaben/Kontrolle/Lenkung/Erfolgserlebnisse dosieren.


    Mäuse jagen dürfen allerdings alle meine Hunde und jeder meiner Hunde weiß, was ein Blatt ist und dass es kein Kaninchen ist. Wer das Blatt jagen mag, bitte sehr. Das hat bei allen keinerlei Konsequenzen auf das Verhalten bei Rehsichtung (sorry, Bild hatte ich ja kürzlich erst gezeigt, passt grad), Grisu würde hetzen, wenn er dürfte...




    und Joeys eintrainierte Reaktion (ohne dass ich gerufen habe)




    also das ist mein Weg, möglichst wenig Risiko

  • Hehe, das Reh is aber auch echt ne coole Socke... :D Das steht da und guckt wie das Raubtier von Dannen zieht. :D


    Ich hab mit Newton die erste Variante gewählt. Seine "Standardeinstellung" bei Sichtung von für ihn interessanten Reizen ist es, mich anzugucken. Meist rufe ich ihn dann und er bekommt ein Lecker. :smile:

  • ich gehöre mehr zu denen, die mit dem Jagdtrieb trainieren.
    Mein Hund soll lernen trotz des Reizes gedanklich bei mir zu bleiben, und dass sich Kooperation mit mir lohnt.


    Ich möchte nicht in Konkurrenz mit der Reaktionsgeschwindigkeit meines Hundes treten (da würde ich zumeist verlieren), was ich zwangsläufig müsste, würde ich jegliches Jagdverhalten verbieten wollen - ich müsste jeden Jagdreiz zumindest zeitgleich mit meinem Hund bemerken. Blöd, wenn der Hund durch diese Taktik immer frühzeitiger auf Jagdreize reagiert (ich bin mir sicher, dass Jin das würde). Daher lernt mein Hund, dass es sich für ihn lohnt, mir Jagdreize anzuzeigen - das gibt mir mehr Zeit zu reagieren.


    Auch die "Jagd" auf wehende Blätter o.ä. habe ich nie verboten, auch wenn das oft von Windhundeleuten empfohlen wird. Zum einen wäre ich mit dem Verbot meistens zu spät gewesen (wenn der Welpe/Hund schon hinterher hüpft, kommt mMn das Verbot zu spät), zum anderen fand ich es zu niedlich, wenn Klein-Jin hinter einem Blatt hergehüpft ist. Nun, mit knapp über einem Jahr, geht Jin Blättern nur hinterher, wenn sie Lust zum Spielen hat.
    Ich glaube, dass ein Hund sehr gut unterscheiden kann, ob er etwas lebendiges oder etwas totes jagt, daher macht es für mich keinen Sinn, die - gerade bei Welpen und Junghunden geringe - Impulskontrolle hierbei "aufzubrauchen".


    Die Jagd auf Vögel habe ich immer zu unterbinden versucht (durch Loben und Belohnen des Anzeigens und Verbot, wenn sie zu angespannt wurde/zu schnell auf die Vögel zu lief), hat nicht immer funktioniert und trotzdem hat sich das "Problem" zu einem großen Teil von alleine erledigt, weil Jin als "instinktsicherer" Jäger schnell gemerkt hat, dass sie ohnehin keine Chance hat - manchmal scheucht sie trotzdem zum Spaß Vögel auf, aber man sieht ihr dabei an, dass es ihr nicht ernst ist. Allerdings passiert das auch nur, wenn ich geschlafen habe - weil ich mir Jins Erziehung schon zu sicher war.
    Tiere dürfen bei mir nur gejagt werden, wenn sie gejagt werden möchten (Menschen/Hunde im Spiel). Mäuse sind allerdings eine Ausnahme: die erfolgreiche Jagd auf Mäuse kann ich - in "guten" Mäusejahren - nichtmal an einer 1m-Leine verhindern, der Kampf wäre also aussichtslos. Wobei Jin - jedenfalls bisher - keine Mäuse jagt.


    Ihren Trieb ausleben darf Jin im Spiel mit mir/anderen Hunden/Spielzeug und - rassegerecht - beim Coursing. Auch Spuren darf sie - nach (kurzer) Konzentration auf mich - (an der Leine gesichert) ein paar Meter verfolgen. Und auch das Beobachten von Wild ist mMn wenigstens ein wenig Triebauslebung, was wir allerdings - mangels beobachtbaren Wild auf unseren üblichen Spazierrouten - eher selten machen.


    lg

  • - ich müsste jeden Jagdreiz zumindest zeitgleich mit meinem Hund bemerken. Blöd, wenn der Hund durch diese Taktik immer frühzeitiger auf Jagdreize reagiert (ich bin mir sicher, dass Jin das würde). Daher lernt mein Hund, dass es sich für ihn lohnt, mir Jagdreize anzuzeigen - das gibt mir mehr Zeit zu reagieren.

    Letztlich läuft das hier ähnlich. Ich möchte, dass die Hunde auf das Wild (in meinem Sinne) reagieren und es nicht abhängig davon ist, ob ich das Wild auch sehe oder früh genug brülle oder so. Finde ich letztlich auch einfacher für den Hund




    Zitat

    Ich glaube, dass ein Hund sehr gut unterscheiden kann, ob er etwas lebendiges oder etwas totes jagt, daher macht es für mich keinen Sinn, die - gerade bei Welpen und Junghunden geringe - Impulskontrolle hierbei "aufzubrauchen".

    absolut! Es mag Hunde geben, die hetzen halt (kopflos) einfach gerne absolut alles. Aber die wirklichen "Jäger" dürften das dann eh nicht sein. Lucy war deshalb so einfach, weil es ihr immer nur ums Beute machen/fressen ging. Hase ist Futter, das blöderweise noch wegrennen kann. Sie hat immer abgewägt, ob sie eine Chance hat. Selbst Smilla frisst Mäuse, Grisu würde liebend gerne alles in Rehgröße hetzen/kontrollieren. Aber Bälle, Blätter... sind da Wurst, haben nichts damit zu tun.

  • Mein Terrier war ein Hetzer, als ich ihn bekommen habe. Da war er schon 1 Jahr alt und versaut.


    Er rannte hinter allem her: Wild, Jogger, Autos ..., aber weniger um zu fangen, waren eher Sparringspartner für Energieabfuhr.
    Das habe ich mit Rückruf-Training und Ersatzangeboten in den Griff bekommen (2 Jahre konsequente Arbeit).


    Das Mäusebuddeln habe ich nicht unterbunden. Ist halt Terrier-Job.
    Und Beschäftigungen in dieser Richtung (Futtersuche, Käse an Bäume geklebt usw.) habe ich gezielt als Alternativangebote genutzt.

  • Es mag Hunde geben, die hetzen halt (kopflos) einfach gerne absolut alles. Aber die wirklichen "Jäger" dürften das dann eh nicht sein.

    Ich denke, dass es sich bei solchen "Jägern" häufiger um Hunde handelt, deren Rassen nicht für die Jagd (inkl. "Hüten") eingesetzt werden - ihnen fehlt das genetische "Wissen", was ist jagdbar/was lohnt sich zu jagen.
    Bei manchen Hunden (eher Junghunde) handelt es sich auch um mangelnde Erfahrung.
    Und dann gibt es noch Hunde, die aus Übersprung jagen.
    Meine Ex-Sitterhündin ist z.B. mal nach einem stressigen Gassi mit einem Jung-Rüden-Macho einfach in ein Gebüsch abgedüst, Puck neigt nach längeren, stressigeren Spaziergängen dazu, Autos am Horizont jagen zu wollen.


    lg

  • Interessantes Thema, was mich auch sehr beschäftigt.
    Ich habe bei unserer Hündin mit ausgeprägtem Jagdtrieb schnell gemerkt, dass reines Unterbinden nichts bringt. Außerdem zeigt sie im Alltagsleben kaum Jagdverhalten, geht also keinen rumfliegenden Blättern hinter her, interessiert sich nicht für schnell rennende oder fahrende Kinder usw. Und Spielzeug wie Bälle oder Wurfdummy sind auch völlig uninteressant. Reizangel hat sie ebenfalls schnell durchschaut und es für langweilig befunden.
    Am Besten hat dann das herausarbeiten von Anzeigeverhalten und ruhigem gemeinsamen "Wild-Kino oder Katzen-Kino guggen" geholfen. Zum Stressabbau und als Belohnung renne ich mit ihr ein kurzes Stück und tobe rum, oder ich lasse nach der entsprechenden Situation einzelne Leckerchen fliegen/rollen, denen sie hinterherjagend darf.
    Das nutzen wir auch für bestimmte Kontrollübungen, sodass ich Ashanti beispielsweise jederzeit von dieser Aktion abrufen oder ins Sitz beordern kann.
    Als Auslastungsprogramm haben wir Trüffelsuche speziell im Wald eingebaut, weil man das relativ einfach gestalten kann, und vor allem im wildreichen Wald den Fokus auf unsere "gemeinsame (Trüffel-)Jagd legt, und eben die Konzentration eher bei mir bleibt, anstatt unkontrolliert nach Spuren zu schnüffeln.


    Und dennoch unterbinde ich auch gewisse Verhaltensweisen. Dazu habe ich mir ganz genau Ashantis Schnüffelverhalten angeschaut, und kann relativ schnell und sicher ein normales Zeitunglesen von Spurenschnüffeln unterscheiden. Bevor also meine Maus während des Schnüffelns abdriftet und in ihrer Jagdwelt versinkt, rufe ich sie ab, oder fordere ein anderes Alternativverhalten ein. Auch unterbinde ich rumstromern fernab der Wege, da dort der Reiz einer Spur nachzugehen einfach zu groß ist. Lediglich mit mir gemeinsam oder zum Geschäft erledigen darf sie den Weg verlassen.


    Bei uns steht als das gemeinsame Jagen und Impulskontrolle bei Wildsicht an oberster Stelle. Ich denke dass unterbinden jeglichen Jagdverhaltens schon im kleinsten Ansatz evtl kontraproduktiv sein kann. Das hieße ja, dass man selbst an einer Tour unterbinden und ggf. maßregeln müsste und der Hund in gewisser weise andauernd "unterdrück" wird, um es mal überberspitzt auszudrücken . Da der Jagdtrieb nunmal genetisch veranlagt ist, lässt er sich einfach nicht so abtrainieren. Jeder Hund braucht dabei seine eigene Methode und eine den Neigungen entsprechende Auslastung, denke ich.
    Und wenn aus diesem Auslastungsprogramm noch eine engere Bindung durch zum Beispiel gemeinsames Jagend entsteht, umso besser.
    Uns hat das Training jedenfalls viel enger zusammen gebracht und Ashanti orientiert sich insgesamt viel mehr nach mir.

  • Komplettes Unterbinden jeglichen Jagdverhaltens funktioniert meines Erachtens nach nicht und empfinde ich auch nicht als sinnvoll. Anfixieren, anschleichen, stöbern, Spuren nachgehen und ja, auch mal Mäuse buddeln, finde ich völlig okay. Die Grenze ist die Jagdsequenz des unkontrollierten Loshetzens.

  • Ich habe Sanny damals auch kontrolliert "jagen" (Vögel, gerade Krähen bieten sich dafür wunderbar an, denen macht das auch noch Freude 2m neben einem wieder zu landen ;) :D ) lassen und bin mit ihm frische Wildspuren nachgegangen. Hat ihm viel Freude gemacht und Endeffekt war, dass er bei Wildsichtung immer zu mir geschaut und "gefragt" hat, ob er jagen darf, oder nicht. Für uns perfekt.


    Allerdings ist der Cane Corso natürlich keinesfalls mit einem Vollblutjäger zu vergleichen. Wie ich das das machen würde, wüsste ich ehrlich gesagt auch nicht. Ein Grund warum hier nie ein typischer Jagdhund einziehen wird.

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