Leinenfrust für Hund und Frauchen - Hilfe!

  • Hallo ihr Lieben,


    ich schreibe euch, weil ich durch Lesen alleine im Moment nicht mehr weiterkomme (und ich habe schon sehr viel gelesen).


    Ausgangssituation: Rüde, 5 Mon. alt, Border Collie, aus nicht besonders guter Haltung (nicht sozialisiert worden, kannte nur seine drei Menschen und einen Haufen wild kläffender Hunde), seit zwei Monaten bei mir/uns. Wir haben schon mal geschrieben (zum Nachlesen: Charlies Sozialisation).
    Das Problem ist, dass er bei Begegnungen mit Menschen und Hunden nach wie vor den größten Terz* macht an der Leine. Ich glaube allerdings, dass ich die Situation am Anfang falsch eingeschätzt habe. Mein Eindruck ist: Der Hund hat Frust, keine Angst. Er WILL einfach ganz dringend DA HIN. Und wenn sich DAS (was auch immer) dann auch noch entfernt, HINTERHER. SOFORT.



    Zitat

    *Definition Terz: Aufmerksamkeit geht völlig verloren (Du hast Wurst? Wen interessiert Wurst?), wildes Geheule/Gebelle (wild durcheinander), Strampeln, kaum noch zu beruhigen, erst mit einigermaßen Abstand wieder. Absitzen lassen: keine Chance. Schimpfen: Zwecklos. Fest greifen, damit er nicht auch nur einen Schritt hinterer käme (den Griff hat mir die Trainerin gezeigt): mein Gott, das Tier entwickelt Kräfte, die man einem Hundekind kaum zutraut. Manchmal schafft er es dann auch, aufzuspringen, entwischt ist er mir aber noch nicht.


    Aktuell versuche ich: Frühzeitig am Wegrand hinsetzen (daneben geht es steil bergauf oder bergab, großartig ausweichen ist leider nicht), Aufmerksamkeit mit den tollsten Leckerchen auf mich ziehen, belohnen für mit den Augen bei mir bleiben. Spätestens, wenn fremde Hunde/Menschen direkt neben uns sind, ist das aber dahin. Wenn er sich wieder halbwegs beruhigt hat (dauert ca. eine Minute), hinsetzen lassen, belohnen, hinlegen lassen, belohnen. Warten. Ausruhen, runterkommen, denn der Hund steht dann völlig unter Strom. Wenn ich meine, es geht wieder, leine ich ihn ab und lasse ihn sitzen (wenn wir alleine sind, läuft er nicht los, solange ich nicht "Lauf" sage). Dann entferne ich mich ein Stück (Hund muss warten) und dann darf er entweder laufen (zu mir und in die entgegengesetzte Richtung von dem, zu dem er hin wollte) oder er apportiert seinen Dummy, kommt also nach dem Rennen wieder zu mir gerannt.


    Habe auch schon versucht, einfach, ohne ihm Aufmerksamkeit zu schenken, an solchen Gruppen stramm mit ihm an der Leine vorbei zu gehen. Das bringt nichts. Der Hund macht ein Theater, als ob er abgestochen würde. Es tut mir Leid, das zugeben zu müssen, aber die Blicke der Leute sind mir manchmal auch nicht gerade angenehm ... Wenn er schnuppern dürfte (wir lassen ihn nicht mehr, weil wir dieses Verhalten nicht belohnen wollen), würde das aufhören, aber sobald der andere Hund dann weitergeht, geht es trotzdem wieder los.


    Mmh ja, so viel zu meinem Problem gerade. Selbes Spiel mit nicht-hündischen sich bewegenden Lebewesen oder Dingen: Spaziergänger, Jogger, Radfahrer, Pferde ... auch Traktoren sind übel. Autos gehen mittlerweile und machen nur noch vereinzelt Probleme. Egal sind Kühe, die auf der Weide neben dem Weg grasen, aber im Gegensatz zu Pferden gehen die ja auch auf ihn zu, wenn er sich hinstellt und starrt. Also werden die mittlerweile ignoriert.


    Vielleicht hat ja einer Tipps für mich, wie ich mich richtig verhalte. Wie ich dem Hund klar mache, ey, hör mal, so nicht. Bisher scheitere ich nämlich kläglich. Und den Stress will ich weder dem Hund noch mir weiter antun.


    Danke fürs Lesen und liebe Grüße

  • Mmmh das erste was mir einfällt: Abstand halten! Herausfinden bis welche Entfernung dein Hund noch ansprechbar ist und selbst wenns 100m sind dort ansetzen. Wieso laufen die Leute direkt neben euch vorbei wenn du weißt das dein Hund damit überfordert ist; kann das (noch) nicht funktionieren und ist jedesmal ein Rückschlag. Allgemein also an Frustrationstoleranz und Impulskontrolle üben und dabei klein(!) anfangen. Im Notfall auch mal woanders lang laufen/umkehren wenn keine Ausweichmöglichkeit da ist und jedes ruhige Verhalten belohnen. Die Möglichkeit mit sitz, bleib und Dummy apportieren finde ich für 5 Monate ziemlich heftig, du überspielst/kontrollierst die Situation in dem du deinen Border in den Arbeitsmodus versetzt... Aber entspannt ist er dadurch nicht, sondern fällt von einem Extrem ins nächste!

  • Irgendwie finde ich es berechtigt, dass ein Hund an der Leine unruhig ist, schließlich wäre man selber auch frustriert, wenn einem die Bewegungsfreiheit abgeschnitten würde.
    Aber wenn es so extrem ausufert, dass er alles und jeden anpöbelt, wäre meine Idee: Die Objekte, die er anpöbelt, vorher entdecken und rechtzeitig nein sagen. Nicht erst, wenn er schon loslegt. Loben, wenn er ruhig bleibt. "Nein" und Schnauze zuhalten, wenn er nicht ruhig bleibt. Loben, wenn er "zwangsweise" ruhig bleibt. Oder mit einem Halti die Aufmerksamkeit vorsichtig auf dich ziehen (nicht rucken).

  • Ein Halti bei einem 5 Monate altem Hund? Ist nicht dein Ernst, das sollte wohl als allerletztes in Betracht gezogen werden... Bitte erst anders versuchen (Abstand etc) und das nicht ein paar Tage, sondern Wochen/Monate das dauert nämlich bis es verknüpft wird und "sitzt".

  • Wie lange ist der Hund jetzt schon bei Dir?


    Ich würde als erstes so viele Außenreize ausblenden, wie es nur geht (Prinzip Glasglocke), also möglichst nur da kurz spazieren gehen, wo diese Reize nicht auftauchen.


    Dann würde ich zunächst nur in Stellvertreterkonflikten trainieren was Impulskontrolle und Frustrationstoleranz angeht. Am besten erst mal nur zuhause ohne Ablenkung. Dann im Garten, dann in reizarmer Umgebung.


    Und dann bewusst leichte Reize wieder mit einbauen, dann schwerer werden.


    Direkt im Konflikt wirst Du keine Möglichkeit haben, das Verhalten deutlich zu verbessern, vor allem, wenn der Hund vielleicht schon erlerntes Verhalten zeigt.


    Die restliche Zeit würde ich von so einem jungen Hund ausschließlich Ruhe einfordern, mehrmals am Tag nur kleine Übungseinheiten einbauen und nach Möglichkeit gezielte Kontakte zu ruhigen und erwachsenen Hunden ermöglichen.


    Gerade beim Border Collie ist es wichtig, dass er Ruhe lernt und erst mal mit kleinsten Reizen konfrontiert wird, die er noch aushalten kann. Das Aushalten kann ich dann wieder belohnen und die Übungen erschweren.


    Ansonsten würde ich im Haus nur noch ein Abbruchsignal üben und den Hund auf seinen Platz zu schicken.
    Sitz, Platz und so was erst mal weg lassen und sich auf das Wesentliche konzentieren.


    Und Ruhe, Ruhe, Ruhe. Das ist für einen reizempfänglichen Hund das schwerste und das, was er unbedingt lernen muss.
    Auf keinen Fall irgendwas Hochpushendes machen.


    Der Hund ist noch sehr jung, da reicht mehrmals am Tag eine kleine Pipirunde, ein bisschen ruhiges Erkunden der Umgebung, mal irgendwo hinsetzen und NICHTS machen.

  • Ich hatte das Problem früher mal mit meinem alten Hund.
    Am Anfang dachte ich auch es wäre Angst und habe versucht ihn ruhig in die kritischen Situationen hinein zu führen. Geholfen hat es nichts. Die Symptome waren exakt die gleichen wie bei Dir.
    Das einzige was es damals ein wenig besser gemacht hat war, dass ich in kritischen Situationen den Hund bei Fuß genommen habe (kurze Leine) und mich selbst zwischen ihm und und seinem Ziel positioniert habe. Verbal habe ich ihm dann jede Aktion verboten und somit auch einen Teil seiner Aufmerksamkeit auf mich gelenkt. Klappte mal mehr mal weniger gut. Ganz weg ging es nie...

  • Schnauze zuhalten, wenn er nicht ruhig ist? :ugly:
    Wenn möglich diesen " Tipp" nicht ernsthaft erwägen.
    Ansonsten wie Zuckerfee schon beschrieben hat, weiter verfahren.
    Und viiiiiiel Geduld mitbringen, denn das geht wirklich nicht von heute auf morgen. :D

  • Schnauze zuhalten, wenn er nicht ruhig ist? :ugly:
    Wenn möglich diesen " Tipp" nicht ernsthaft erwägen.

    Gibts dafür auch eine Begründung oder ist das Glaubenssache?
    Abstandhalten finde ich ein bisschen wenig, vor allem, wenn es ein Hund ist, der schon bei entferntem Sichtkontakt ausrastet.

  • Irgendwie finde ich es berechtigt, dass ein Hund an der Leine unruhig ist, schließlich wäre man selber auch frustriert, wenn einem die Bewegungsfreiheit abgeschnitten würde.

    Ein Hund hat an der Leine nicht unruhig zu sein. Wenn er das ist, ist er miserabel erzogen oder gar nicht erzogen.


    Im Gegensatz zu meinen Vorrednern muss ich sagen, dass ausweichen die Dinge meist noch viel Interessanter macht und dein Hund dann erst recht hin will, wenn er wieder mit der Situation konfrontiert wird.


    Bewaffne dich mit einem guten Buch zum lesen, vielen Leckerchen und einem Klappstuhl. Den brauchst du nicht, wenn eine Bank in der nähe ist.
    Gehe in ein reichlich frequentierten Bereich, damit du üben kannst.
    Sichere deinen Hund an einem Baum am Wegrand mit Leine und Geschirr und warte den ersten Spaziergänger ab.
    Lege deinen Hund ins Platz und gib ihm in unregelmäßigen Abständen ein Leckerchen solange noch niemand kommt. Sollte jemand kommen, beobachte deinen Hund genau. Will er aufstehen, kommt das Kommando zum hinlegen. Tut er dies, dann wird ihm kommentarlos ein Leckerchen zwischen die Vorderbeine gelegt/geworfen (nicht von oben füttern, da dann der Hang zum aufstehen gefördert wird)
    Du beachtest den Spaziergänger nicht, sondern beobachtest aus dem Augenwinkel deinen Hund.
    Überschwängliches Loben nach dem Vorbeigehen würde ich lassen, da dies dazu führt, dass das Vorbeigegangene dann doch etwas besonderes ist und der Hund beim nächsten mal dann schaut was das ist. Einfach ruhig bleiben, deinen Hund belohnen wenn er etwas gut macht und ihn ansonsten wieder ins Platz legen.


    Gut klappt, gerade im Sommer auch eine Nebenstraße in der Einkaufszone wo man sich hinsetzen kann und Kaffee oder Tee trinken kann und so mit dem Hund zu üben.


    Um das Platz auch Zuhause zu festigen, wäre gerade beim Border eine Impulskontrolle ratsam.
    Lege ihn hin. Lege neben dich langsam auf den Boden einen Ball und bestätige im gleichen Moment mit der anderen Hand und einem Leckerchen, dass er nicht dran gegangen ist.
    Dies kannst du ausweiten indem du den Ball/Spieli mit dem Fuß bewegst, oder aus 10cm Höhe Fallen lässt, bishin zum werfen des Balles. Perfekte Übung für Hibbelige Hunde. Wenn er auf den Ball nicht so scharf ist, kannst du stattdessen ein Leckerli nehmen, welches er aber nicht bekommt. Immer aus der anderen Hand füttern.


    Das wichtigste an der Sache ist, dass du dich selbst kontrollieren kannst. Nur wenn du Ruhe ausstrahlst wird auch dein Hund ruhig werden.
    Achte auf deine Stimme. Es gibt die pipsestimme für Belohnung, das neutrale Reden und die Kommandos, welche klar kommen sollten. Gerade in dem Alter ist ein visuelles Kommando ratsam. Ansonsten einfach mal Klappe halten ;) und mehr über Körpersprache arbeiten.
    Vorteil am anbinden am Baum, du kannst dich auch mal vor deinen Hund stellen und hast eher die Möglichkeit auf ihn Einzuwirken.
    LG

  • Gibts dafür auch eine Begründung oder ist das Glaubenssache?Abstandhalten finde ich ein bisschen wenig, vor allem, wenn es ein Hund ist, der schon bei entferntem Sichtkontakt ausrastet.

    Abstand wird natürlich über einen längeren Zeitraum kleinschrittig verringert! Wenn der Hund nur ruhig ist wenn man ihm die Schnauze zuhält macht man was falsch. Damit bekämpfst du quasi das Symptom (bellen, jaulen etc) aber nicht die Ursache (Stress, Frust), außerdem kann es sein das der Hund sich so stark hochschaukelt; dass er als Übersprungshandlung schnappt! Das ist kontraproduktiv.

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