Deprivationssyndrom

  • hallo zusammen!


    kennt ihr hunde, die darunter leiden? welche erfahrungen habt ihr gemacht?


    wie stehen die chancen, trotz aller widrigkeiten einen alltagskompatiblen hund zu bekommen, zeit und training vorausgesetzt?


    falls ihr einen hund mit deprivationssyndrom habt, beschreit doch bitte einmal euren alltag / werdegang! in welcher umgebung wohnt ihr? was macht ihr im urlaub? :smile:


    danke

    • Neu

    Hi


    hast du hier Deprivationssyndrom* schon mal geschaut? Dort wird jeder fündig!


    • Huhu!
      Du weißt, ich kann nichts dazu beitragen, sorry. :ops:


      Aber ich liebe Deine Signatur. Die haue ich immer meinen Kollegen, die diesbezügliche Defizite haben, um die Ohren. :lol:


      Musste ich mal loswerden.


      LG Astrid

    • Oft zeigen Auslandshunde nach ihrer Vermittlung in Deutschland Symptome eines Deprivationssyndroms - nicht, weil sie besonders schlecht aufgewachsen sind, sondern weil die Reize ihrer Heimat mit denen hier vor Ort nicht übereinstimmen. Deprivare = berauben, wir reden davon, dass Hunde über lange Zeit nicht den Reizen ihrer Umwelt ausgesetzt sind. Das ist eben bei Auslandshunden gerne mal der Fall, sie kommen hierher in eine komplett andere Umgebung, deren Reize sie bislang nie erfahren haben, deren Reize sie also beraubt waren. Am häufigsten reagieren Hunde mit Angst, ich kenne auch einige, die starke Anzeichen einer Depression zeigen. Du kannst also auf der Suche nach Antworten zu Deinen Fragen auch alle threads im Forum lesen, die ängstliche Hunde aus dem Ausland behandeln. Auch andere Angsthundthreads bringen Dich wahrscheinlich weiter - vielleicht formulierst Du Deine Frage auch um, denn die wenigsten Angsthundbesitzer werden ihre Hunde direkt mit einem Deprivationssyndrom in Zusammenhang bringen, obwohl die Parallelen gegeben sind.


      Zitat

      wie stehen die chancen, trotz aller widrigkeiten einen alltagskompatiblen hund zu bekommen, zeit und training vorausgesetzt?


      Das lässt sich leider nicht vorhersagen, manche Hunde kriegen die Kurve (mehr oder weniger), andere legen ihre Ängstlichkeit Zeit ihres Lebens nicht ab.

    • Der Unterschied zwischen einem Auslandshund, der "nur" die hiesigen Reize nicht kennt und einem Hund, der nichts kennenlernen durfte ist aber doch der, dass im Hirn zu wenig Verknüpfungen angelegt wurden, wie mit neuem umgegangen werden kann. Das würde für mich (und ich habe nicht besonders viel Erfahrung mit dem Thema) bedeuten, dass ein Hund, der gelernt hat mit verschiedenen Reizen umzugehen leichter mit den unbekannten neuen Reizen in unserer Umwelt klar kommen dürfte, als ein Hund, der nie gelernt hat mit verschiedenen Reizen umzugehen.

    • Ich bin nicht sicher, ob mein Eddie alle Symptome fuer ein Deprivationssyndrom erfuellen wuerde. Letztlich ist das fuer uns aber auch egal.


      Eddie ist jetzt etwas ueber 5 Jahre hier bei uns und lernt nur in unendlich kleinen, kaum wahrnehmbaren Schritten. Sein groesstes Problem dabei ist und bleibt die Zivilisation an sich, die ich nun mal nicht wegzaubern kann.


      Eddie kommt nach wie vor am besten in der Pampa zurecht: ohne Autos, Menschen, fremde Hunde, merkwuerdige Dinge die am Wegrand stehen. Gibt es solches, schreit Eddie in ohrenbetaeubendem Laerm. Er bellt nicht, er schreit aus tiefstem Herzen.
      Wir leben laendlich, von daher kann ich ihm das meistens bieten. Stresstechnisch ist es inzwischen so, dass er tatsaechlich einmal am Tag den Garten verlassen kann, frueher war das durchaus nur alle 2-3 Tage moeglich.
      Deutlich besser ist es fuer ihn, wenn er am Rad richtig rennen kann, dann blendet er scheinbar sehr viel aus, lernt aber natuerlich nix.


      Zuhause kommt Eddie ganz gut zurecht. Mit maennlichen Besuchern hat er so sein Problemchen und vergisst da auch, wenn er die schon kennt. Selbst unsere Soehne, mit denen er noch 2 Jahre zusammengelebt hat, kennt er heute nicht mehr wirklich. Ein potentiell gefaehrlicher Besucher darf nach Annaeherung auch nicht zur Toilette gehen... danach ist er wieder komplett fremd.


      Eddie kann nicht mit ins Dorf, in die Stadt, Wildpark, irgendeine Veranstaltung. Er muss leider oft alleine zuhause bleiben, was er zumindest stressfrei kann. Zelten kann man mit Eddie auf ausgewaehlten Plaetzen mit jeder Menge Stress fuer Mensch und Hund und sicher nicht fuer mehr als 2-3 Tage. Hotel kann man knicken. Ferienhaus nur in der Pampa und mit Zaun und bitteschoen nicht mit bodentiefen Fenstern auf ganzen Fronten. Arztbesuche moeglichst per Termin und ohne anderes Publikum und selbst dann braucht man noch ein dickes Fell ob der bloeden Sprueche.


      Eddie wird nicht mehr alltagstauglich. Mir geht es deutlich besser, seit ich eigentlich nix mehr von ihm erwarte. Vorher war es unendlich frustrierend, jeden Tag neu anzufangen und wieder die kleinsten Schritte zu ueben. Heute laeuft Eddie eher mit, clickert mit Spass aber ohne wirklichen Fortschritt, kann nach 5 Jahren endlich Ball spielen... und ist eine hervorragende Waermflasche im Bett.


      Ein zweites Mal wuerde Eddie hier nicht einziehen, nein.

    • Zitat

      Der Unterschied zwischen einem Auslandshund, der "nur" die hiesigen Reize nicht kennt und einem Hund, der nichts kennenlernen durfte ist aber doch der, dass im Hirn zu wenig Verknüpfungen angelegt wurden, wie mit neuem umgegangen werden kann.


      Jein, das ist weniger der Unterschied, eher die Gemeinsamkeit. Hunde lernen sehr situationsbezogen (z.B. müssen Hunde, die zuhause perfekt allein bleiben können, das in fremder Umgebung gerne mal neu lernen) - manche Hunde generalisieren besser und lernen, den Umgang mit neue Reizen auch auf Situationen zu übertragen, die sie bisher nicht erlebt haben, anderen fällt das schwerer. Eben darum gibt es ja viele Auslandshunde, die zwar in ihrer Heimat eine Menge gelernt haben, die dort wunderbare Verknüpfungen im Hirn angelegt haben, wie mit Neuem umgegangen wird, die aber dennoch hier in der reizfremden Umgebung lebenslang mit Ängsten zu kämpfen haben, die sie in ihrem Ursprungsland nicht gezeigt haben.


      Nun sind ja auch wie schon geschrieben nicht alle Auslandshunde "betroffen", und die Symptome sind unterschiedlich stark ausgeprägt, darum sollten auch wir nicht verallgemeinern. Die Ursache scheint mir dennoch die gleiche zu sein, zumal es kaum möglich ist, komplett reizfrei aufzuwachsen - selbst im Vermehrer-Beton-Verschlag gibt es Dinge zu riechen, zu sehen, zu hören, die Hunde lernen in ihrem Rahmen, mit Reizen umzugehen. Ich kenne entspannte, offene ehemalige Zuchthunde, die tatsächlich nicht mehr als ihren Verschlag kennengelernt haben, ebenso wie entpannte, offene Ausländer, und ich kenne auch Hunde dieser jeweiligen Herkunft mit unterschiedlich stark ausgeprägtem Deprivationssyndrom.

    • Was weißt du denn über die Herkunft des Hundes?
      Das Thema ist so groß - könntest du es ein wenig einengen oder spezifizieren, worum es dir geht?


      Für mich wäre eine wichtige Frage:
      Hat der Hund in den ersten Wochen liebevollen Kontakte zu Menschen gehabt? - Das halte ich für ziemlich entscheidend. Es ist mühsam, wenn der Hund Menschen erst später kennen lernt und sie nicht von Anfang an als Teil seiner belebten Umwelt erfahren hat. Ein solcher Hund hat dann einfach erschwerte Bedingungen, um eine Bindung an seinen Menschen einzugehen - die braucht es aber, für ein entspanntes und erfreuliches Zusammenleben für beide Seiten.


      Dann ist auch noch eine Frage, wie der Hund vom Typ her drauf ist, wie sein Naturell ist. Manche lernen besser, andere sind schon vom Wesen her ängstlicher, da haut die Deprivation dann noch mehr durch.
      Ein neugieriges Wesen ist auf jeden Fall von Vorteil!! Weil der Hund dann von sich aus in Kontakt mit "der Welt" geht, auch mit ihm Unbekanntem.


      Dann ist die Frage, was du mit dem Hund machen willst, wo er leben soll. Nicht jedem Hund mit Deprivation ist alles zumutbar. Und, nicht vergessen: Hunde können auch aus Stress und Überforderung nach vorne gehen.


      Ich habe ca 1,5 J massiv mit meinem Hund gearbeitet und nun ist sie alltagstauglich.
      Ich brauchte dazu eine spezialisierte Hundetrainerin, ca. 1,5 J Hundeschule (anfangs Sonderkurse, normale Kurse erst nach ca. 3/4 Jahr). Dazu gab es eine spezielle Ernährung (Stichwort L-Tryptophan) und spezielle Auslastung (täglich freies Laufen in reizarmer Umgebung um den Stresspegel runterzufahren) und Alltagstraining (immer wieder normale Vorgänge schönfüttern) dazu "Sondertrainingseinheiten" (wie Entspannung auftrainieren, Selbstbewusstsein stärken, Verkehrstauglichkeit, Umgang mit anderen Hunden,...)
      Ca. 6 Monate war sie nur an der Schleppleine, weil sie mitunter panisch weglief.


      Ich habe sie vor 5,5 J mit geschätzten 1-2 J zu mir geholt. Die Deprivationsproblematik hab ich erst nach und nach begriffen, ich dachte, sie wäre ein misshandelter Tierschutzhund aus schlechter Haltung - aber das Ausmaß, hab ich nicht geblickt =)


      Für mich ist die Frage, wie viel Zeit, Nerven und Geld du in den Hund investieren kannst.


      Bei Joy ist es heute so, dass sie ihr scheues Wesen behalten hat. Sie verhält sich mehr wie ein Fluchttier als wie ein Beutegreifer.
      Ich liebe sie sehr und mein Umfeld auch. Mit ihr in Kontakt zu sein, ist etwas Besonderes und alle haben ja ihren Werdegang und ihr Aufblühen erlebt.
      Sie ist immer bei der Arbeit mit dabei, auch auf (Geschäfts-)Reisen und das geht, denke ich, auch wegen ihres zurückhaltenden Wesens so gut. (Wobei Joy ist ein kleiner Hund, der zudem sehr rehhaft wirkt - mag sein, dass ein großer Hund nicht dieses positive Feedback von der Umwelt bekäme.)



      Mein nächster Hund wird übrigens aus guter Kinderstube kommen, mit perfekten Aufzuchtbedingungen.

    • hallo, danke schon mal für eure beiträge!


      ganz kurz: es geht mir nicht um die auslandshunde, sondern um hunde, die während der prägephase mit zu wenigen umweltreizen konfrontiert wurden.


      das deprivationssystem ist eine irreparable entwicklungsstörung, es sind schlicht rezeptoren überhaupt nicht vorhanden, die hunde lernen sehr langsam und ängstigen sich vor allen möglichen alltäglichen dingen. die hund haben zum teil autistische züge...


      es geht mir um das leben mit diesen hunden, wie sieht euer leben mit ihnen aus? :smile:

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