„Zeigen und Benennen“
„Zeigen und Benennen“ ist ein Spiel, das ich mit Hunden spiele, die auf irgendwelche Reize in der Umwelt mehr oder weniger heftig reagieren.
Soweit ich das herausfinden konnte, hat Ute Blaschke-Berthold (http://www.cumcane.de), bei der ich das gelernt habe, diese Trainingstechnik von Kayce Cover (http://www.synalia.com/) übernommen und/oder weiterentwickelt. Ziemlich zeitgleich habe ich das auch bei Leslie McDevitt als „Look at that“-Game in ihrem Trainingsprogramm „Control Unleashes“ (DVD und Buch) entdeckt. Ich weiß nicht, ob es „abgeschaut“ oder selber entwickelt wurde. Vielleicht forscht ja mal jemand nach ;D
Beim Zeigen und Benennen mache ich mir mehrere „Werkzeuge“ der Lerntheorie gleichzeitig zu nutze.
Dazu erst einmal eine Beschreibung, wie das Spiel aussieht und wie es aufgebaut wird:
Wenn der Hund etwas ansieht, wird das angelickt und bestärkt. Man kann, um das Konzept zu lehren, mit einem neutralen Targetgegenstand beginnen, wo sich der Hund nicht drüber aufregt, sondern einfach nur das Verhalten „ich guck das Ding an“ lernt.
Wenn man es mehrfach bestärkt hat, führt man ein Signal ein. Ich sage in dem Fall: „Wo ist das 'wasauchimmer'“.
Möchte man es draußen mit Auslösereizen spielen, ist es sinnvoll, das erst einmal unter Bedingungen zu machen, in denen der Hund den Reiz sieht/wahrnimmt, aber sich nicht darüber aufregen muss.
Beispiel: Wenn ein Hund fremde Hunde furchtbar findet, könnte man, um das Spiel einzuführen, das ganze erst einmal mit Hundekumpels auf einem gemeinsamen Spaziergang spielen. Der Hund sieht den anderen Hund an, Click, Belohnung. Ich möchte nach dem Click eine Umorientierung zu mir – wenn der Hund das anfangs nicht kann, reiche ich die (hochwertige) Futterbelohnung dem Hund direkt vor die Nase und ziehe es dann ein winziges bisschen zur Seite, sodass die Nase ein wenig mitschwenkt. Wenn der Hund sofort nach Nehmen des Leckerchens wieder zum anderen Hund guckt, prima, kann man gleich wieder clicken. Leckerchen wieder anreichen, leicht seitlich versetzt.
Bei manchen Hunden kann man das Leckerchen auch durch das Blickfeld plumpsen lassen. Ziel ist in jedem Fall, dass der Hund nach und nach lernt, nach dem Click den Blickkontakt vom anderen Hund löse zu können und mich ansieht – Jackpot.
Besonders wenn man in anderen Situationen schon freiwillige Blickkontaktaufnahme bestärkt hat, fängt der Hund meist ziemlich schnell an, den anderen Hund anzuzeigen: guckt anderen Hund an, guckt zum Menschen, wieder zurück zum Hund – nach dem Motto, hey, da, ich hab den Hund gesehen, ich weiß, dafür gibt’s einen Keks.
Prima Sache, denn jetzt hat der Hund „Hund anzeigen“ als Trick gelernt – jetzt kann man dem Verhalten einen Namen geben: bei mir „Wo ist der Hund?“
Ich frag es, kurz bevor die Nase wieder Richtung anderer Hund schenkt, click, Keks.
Das ganze wiederhole ich mehrfach und ändere dann irgendwas – z.B. gehen wir einfach ein paar Schritte weiter, oder bei totalem Trainingsluxus nehmen wir einen anderen Hund... Damit sich das Signal generalisiert, braucht's ein paar verschiedene Situationen mit möglichst unterschiedlichen Hunden.
Was ist nun das gute daran?
Es verbindet, wenn man besonders anfangs jede Hundesichtung, egal wie weit weg der ist, als Trainingsgelegenheit nutzt, mehrere bewährte Trainingswerkzeuge, nämlich:
systematische Desensibilisierung: systematische Desensibilisierung heißt, dass der Hund sich schrittweise an einen Reiz gewöhnt, indem man diesen Reiz anfangs nur sehr abgeschwächt präsentiert. Zum Beispiel einen Hund auf größerer Entfernung. Einen Hund der nicht „gar so furchtbar“ ist. Oder einen Hund, der sich möglichst nicht bewegt.
Was dabei „abgeschwächt“ ist, ist von Hund zu Hund verschieden.
Klassische Gegenkonditionierung. Klassische Konditionierung wird hier: http://www.slideshare.net/Cave…lassische-konditionierung sehr nett erklärt. „Gegen“Konditionierung heißt, dass ein bereits konditionierter Reiz mit einer anderen Konditionierung „überschrieben“ werden soll. Wenn z.B. ein Hund schon gelernt hat „anderer Hund“ - „ich reg mich auf“ (wobei das keine bewusste Reaktion ist, sondern reflexiv abläuft), soll er per Gegenkonditionierung lernen, „ich sehe einen anderen Hund“ = „gute Dinge passieren“
operante Gegenkonditionierung. Während bei der klassischen Konditionierung ein Reiz einen Reflex (z.B. bestimmte Hormone werden ausgeschüttet) auslöst, kann der Hund natürlich auch lernen, auf einen Reiz ein bestimmtes Verhalten (bewusst) auszuführen (das ist im Prinzip nichts anderes, als dass der Hund auf ein altes „Signal“ ein anderes Verhalten ausführen soll – leider ist das nicht so einfach, wie es sich anhört, wie jeder weiß, der schon versucht hat, einem Hund bei zu bringen, dass „Türklingel“ nicht mehr „Randale an der Tür machen“ auslösen soll, sondern „geh auf Deine Decke und bleib da bis ich dich wieder abhole“). Hier kommt das „Alternativverhalten“ ins Spiel.
Wenn bisher der Ablauf „ich seh einen anderen Hund“ → klassische Konditioniere Reaktion = Stresshormone werden ausgeschüttet“ → operante Gegenkonditionierung = „in die Leine springen, bellen, kreischen“ war, soll das Trainingsziel dann vielleicht so aussehen: „ich seh einen anderen Hund“ → klassische Konditioniere Reaktion = Entspannungshormone werden ausgeschüttet“ → operante Gegenkonditionierung = „zum anderen Hund gucken, zu Frauchen gucken, an lockerer Leine weitergehen“
Außerdem umgeht man mit dem „Zeigen und Benennen“ viele Stolperfallen.
Zum Beispiel wird gerne als Maßnahme gegen Leinenpöbeln „Blickkontakt zum Menschen“ auftrainiert. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, genau das selbe Alternativverhalten baut „zeigen und benennen“ ja auch auf... Es kommt aber ein bisschen darauf an, wie man es aufbaut (und wie stringent der Hund es dann durchführen soll) – und das kann man ja sehr unterschiedlich. Man kann es ganz auf Freiwilligkeit auslegen – und einfach angebotenen Blickkontakt einfangen, und/oder aus „in meine ungefähre Richtung gucken“ ein „schau mir in die Augen, Kleines“ formen. Man kann es mit Leckerchen locken, bestimmt gibt es auch immer noch Trainer, die mit Hundenase in meine Richtung drehen“ per Zwang trainieren... Man kann ein Signal dafür einführen, oder es lassen
Wenn man sehr „signalorientiert“ ist, und Blickkontakt nur bestärkt, wenn man zuvor das Signal gegeben hat, kann man ungewollter weise lehren, dass es sich nur lohnt, zu gucken, wenn man vorher angesprochen wird.
Wenn man das „Schau“ als „Scheuklappe“ gegen „fixiert den anderen Hund“ benutzt, kann es u.U. den Hund in ziemliche Konflikte bringen, z.b. wenn der Hund Angst vor anderen Hunden hat und eigentlich sein Nervensystem verlangt, dass er im Auge behält, wovor er sich fürchtet. Auch für Hunde, die aus Frust, nicht zum anderen Hund zu dürfen an der Leine Pöbeln, ist „wegschauen müssen“ oftmals noch frustrierender – es wird gemacht, weil es ja befohlen wurde – aber der Mensch wird als Spaßbremse verknüpft – als „Gegener“ in dem Konflikt – nix gut.
Außerdem fehlt in dem Aufbau mit „Schau“ oft der Part mit der Klassischen Gegenkonditionierung – der Hund soll den Mensch anschauen, obwohl Stresshormone geradezu nach Bewegung schreien. Und manchmal wird dann sogar gleichzeitig noch ein weiteres Verhalten für Hochschulabgänger („bei Fuß“) erwartet... oder per kurz gehaltener Leine erzwungen.
Warum ich so ein großer Fan bin.
Es ist ein tolles Werkzeug um die Sozialisation eines Hunde fortzusetzen (bzw. den Welpen direkt so zu sozialisieren – eine Freundin bekommt nächste Woche einen, mit dem werden wir das machen, da wird toll, ich freu mich), denn man kann einfach alles, was der Hund „plötzlich“ bemerkt, mit C&B = guten Sachen verknüpfen.
Wichtige Kategorien können einen „Namen“ bekommen: Hunde, Männer, Frauen, Kinder, Autos, Flugzeuge, verschiedene Spielzeuge... Der Hund lernt ganz nebenbei „Vokabeln“.
Hat man einen Hund, der sich über gewisse, plötzlich auftretende Umweltreize aufregt, und er bemerkt ein Auftreten des selben erst, wenn der fast auf ihm drauf sitzt (z.B. ein anderer Hund, der off-line um die Ecke kommt, während der eigene grad vertieft an einer Stelle schnuppert, könnt man ihn rechtzeitig mit „Wo ist der Hund?“ darauf aufmerksam machen, dass da was kommt, damit er sich noch darauf einrichten kann.
Dadurch, dass der Hund durch den Ablauf gleich ein (meistens sogar mehrere= Alternativverhalten erlernt, kann er im Gegenzug den Menschen darauf aufmerksam machen, wenn da was kommt, worüber er sich gleich aufregen muss. Er hat als Lösungstrategie beim Auftauchen von Auslösereizen gelernt, sich an seinen Menschen zu wenden.
Die Hilfe, die der Hund braucht, schleicht sich ganz von selber aus, denn der Hund zeigt nur Sachen von alleine an, die ihn aufregen (oder als „Spiel“ mit seinem Menschen). Ganz oft fällt mir auf, dass das „Wo ist XY“ gar nicht mehr ausgeführt wird, wenn der Reiz den Reiz ;D verloren hat. Böser Hund, reagiert nicht auf „Befehle“ kicher
es wird zu einem tollen „ich ehe was was du nicht siehst und das ist DA!“-Spiel.
Es ist sehr vielseitig auf alle möglichen Auslösereize, Situationen, Hunde und Probleme anwendbar.
Es ist leicht mit weiteren netten Trainingswerkzeugen kombinierbar, z.B. mit dem Entspannungssignal, mit dem Geschirrgriff, mit Pedeltraining, mit BAT...
So. Roman beendet, Feuer frei