Übersprungshandlung - Erfahrungsaustausch / Lösungsmöglichkeiten gesucht

  • Hallo ihr Lieben,


    ich suche Rat zu einem Problem, was ich mit meiner Hündin habe. Sorry für den langen Text, aber ich muss etwas ausholen.
    Zunächst einige Fakten, die es sicherlich sinnvoll ist zu wissen, bevor ich das Problem schildere.
    Feta (Foxterrier-Mix) ist 8 1/2 Monate alt und wohnt seit 2 1/2 Monaten bei mir. Bevor ich sie übernommen habe lebte sie mit den Elternhunden und anfangs auch ihren Geschwistern auf einem kleinen Innenhof (50-70 qm) ohne viel Grün mit einer Hundehütte. Kennengelernt hat sie dort zwei Erwachsene und zwei Kinder (schätze etwa 9 und 12). Laut Aussagen der Vorbesitzer kam auch immer mal Besuch. Draußen war sie in den gesamten 6 Monaten nur zwei, dreimal. Tierarztbesuch inbegriffen. Im Haus war sie, außer ganz am Anfang, wohl gar nicht. Viel mehr weiß ich zu ihrer Vorgeschichte nicht.


    Sie hat sich seit sie hier ist schon recht gut eingelebt, Straßenverkehr kennengelernt, Menschen kennengelernt usw. Natürlich ist sie bei vielen Dingen noch vorsichtig, aber wird auch immer neugieriger. Wir besuchen auch die Hundeschule und haben eine super Trainerin. Bei ihr gehen wir etwa alle 10 Tage zum Einzeltraining (dort werden und Dinge wie Leinenführigkeit, Begegnungsläufe mit anderen Hunden usw. gezeigt, gewaltfrei und sehr auf Bindung Mensch-Hund bezogen). Ich fühle mich da gut aufgehoben und lerne viel über die Mensch-Hund Beziehung und sehe auch Erfolge im Alltag. Soll heißen, wir machen gute Fortschritte und ich bin ganz stolz auf die kleine Maus, die Tag für Tag mehr ihre Ängste verliert.


    Nun zum Problem:
    Wenn ich mit Feta draußen bin passiert es alle paar Tage, dass sie ziemlich krass ausklinkt und verrückt spielt. Das äußert sich so, dass sie mit eingekniffenem Schwanz erst wie wild im Kreis oder hin und her rennt und dann beginnt mich anzuspringen und auch ziemlich heftig zubeißt in Arme und Beine. Das ganze ist definitiv kein Spielverhalten sondern wahrscheinlich eine Übersprungshandlung auf etwas worauf sie nicht klarkommt. Oft passiert es nachdem sie intensiv an einer Stelle geschnuppert hat oder eine Situation für sie stressig oder unklar war. (z.B. nachdem uns ein anderer Hund passiert hat, vorher Rehe über die Wiese gelaufen sind auf der wir dann waren).


    Ich habe mit meiner Trainerin darüber gesprochen und sie konnte die Situation auch schon in einer Trainingsstunde live beobachten. Sie sagte auch, dass es nach Übersprungshandlung aussieht, wenn Feta Frust hat. Sie nimmt mich dann als Bezugsperson war und lädt die übersprudelnden Gefühle bei mir ab.
    Nun habe ich bisher auf Rat der Trainerin versucht sie am Geschirr zu halten (ohne Gewalt, nicht auf den Boden drücken o.Ä., nur halten) und beruhigend auf sie einzuwirken. Ruhige Stimme („Ist ok, Feta, alles gut…“) Nach etwa 30 sek. ist der Spuk dann vorbei und wir können langsam weiterlaufen.Ich bekomme sie am Geschirr aber nicht so gut gehalten, dass sie mich nicht immer noch in die Unterarme beißen könnte und das tut echt verdammt weh. Schon alles grün und blau und ein kleines Loch vom Eckzahn gabs auch schonmal.
    Ich habe nun auch getestet sie laut anzusprechen, Nein zu sagen (Nein kennt sie schon aus anderen Zusammenhängen, in denen sie etwas nicht darf). Bringt auch nix. Langsam gehts an die Substanz, wenn man bei jedem Spaziergang wieder damit rechnen muss, dass irgendwas ist.


    Hier noch kurz unser (sehr regelmäßiger) Tagesablauf:
    9.00 Uhr - kleines Gassi auf unserem Grundstück zum Lösen und schnuppern (15 min)
    14.00 Uhr - Wald und Wiesenrunde (es gibt 3 Runden, die sie kennt, wir wechseln immer mal) (30-50 min)
    19.00 Uhr - Runde um den Block (20-30 min)
    24.00 Uhr - kleines Gassi zum Lösen auf dem Grundstück
    Ich erkenne mittlerweile recht gut, wann ihr die Spaziergänge zu viel werden und verlängere dann oder breche eher ab.
    Zwischen den Spaziergängen machen wir zu Hause immer mal ein Suchspiel / Kong / Leckerli aus Papier auswickeln o.Ä. ansonsten schläft Feta sehr gern und viel.
    Alle paar Tage bleibt sie auch mal für 2-3 Stunden allein. Ohne Probleme.


    Ich dachte mir, vielleicht hatte von euch schonmal jemand ein ähnliches Problem und kann mir mit einer Lösungsstrategie weiterhelfen. :dafuer: Gerne beantworte ich natürlich auch noch Fragen.

  • Finde, du gehst das schon ganz richtig an, indem du den Spaziergang ggf. einkürzt oder abbrichst.
    Die Regelmäßigkeit und gute Strukturierung hilft auch sehr, und sonst wird einfach Geduld gefordert sein. Sie braucht Zeit, wobei es auch sein kann, dass sie es nie komplett ablegt. Aber abschwächen wird es sich bestimmt noch!


    Wenn sie dich beißt in dem Moment, dann wäre es vielleicht ganz gut, ihr einen Maulkorb aufzutrainieren. Wenn sie den kennt und sie das als normal empfindet, schützt er dich.


    Was hilfreich sein kann (nicht zwingend muss, aber es hilft vielen solchen Hunden), ist beim Futter genauer hinzuschauen.
    Zuviel Eiweiß im Futter kann z.B. auch ein hibbeliges Verhalten fördern. Zu wenige Kohlenhydrate ebenso.
    Uns bzw. Max hat es sehr geholfen, dass ich Eiweiß reduziert, und dafür die Kohlenhydrate hochgeschraubt habe. Er ist damit (und viel Übung und Geduld natürlich) bedeutend ruhiger geworden, und hält viel mehr Frust und Stress aus als früher.


    Du kannst auch mal hier im Hibbel-Thread schauen: Unsere Hibbelhunde - schneller, höher, weiter!
    Da gibts viele Tips im Umgang mit etwas verhaltensoriginellen Hunden :smile:

  • @persica Danke für den Futterhinweis. Mit dem Futter hab ich auch schon überlegt. Im Moment bekommt sie Wolf of Wilderness TroFu 2mal am Tag + Immer mal ne Möhre, Gurke oder was zum kauen. Will aber mittelfristig sowieso auf Barf umstellen. Vielleicht gehe ich das jetzt doch schon eher an und kann so auch die Inhaltsstoffe besser kontrollieren.
    An einem Maulkorb dachte ich auch schon, lieber wäre es mir, wir schaffen es ohne irgendwie :)

  • An einem Maulkorb dachte ich auch schon, lieber wäre es mir, wir schaffen es ohne irgendwie :)


    Kann ich nachvollziehen! Bei Max stand es auch im Raum, weil er zum Frustabbau durchaus heftig zugebißen hatte. Wir haben es dann aber auch so hinbekommen. Kommt halt auch immer auf den Hund an, und wie sehr er verletzen kann und inwieweit man das Problem eingrenzen kann.


    Wenn bei ihr Stress allgemein der Auslöser ist, ist es auch schwierig das zu vermeiden. Mit der Zeit und genauem Hinsehen erkennst du Vorzeichen. Die sind nicht immer einfach zu sehen, manchmal ist es bloß ein Weiten der Pupillen, bevor es losgeht.
    Sie ist ja noch nicht lange bei dir, ihr müßt euch noch besser kennenlernen.
    Mit dem wachsenden Vertrauen zu dir wird sich bestimmt auch noch Einiges verbessern.

  • Ja, ich hoffe auch, dass die Zeit noch einiges bringt. Ich versuche auch sehr geduldig zu sein und bin ihr nicht böse, wenn sie wieder mal einen Austicker hatte. Ich denke mal, sie wird auch bald das erste mal läufig, das bringt vielleicht auch noch einiges an Veränderung mit sich.


    Es ist gut zu lesen, dass auch andere Hunde derartige Anwandlungen haben. Irgendwie hilft es schon zu wissen, dass man nicht den einzigen schrulligen Hund hat ;)
    Und gerade beim ersten Hund ist man sich eben bei manchen Dingen etwas unsicher. Trotz prima Trainerin und durchforsten von Büchern und dem allwissenden Internet.


    Was hast du in der Situation gemacht wenn Max dich gebissen hat?

  • Hi und willkommen!


    Übersprunghandlungen sind ja immer einem Konflikt/Überforderung geschuldet. Ich kenn das von meinem Rüden, der zwar optimal aufgezogen wurde, dessen extreme Arbeitsveranlagung aber immer wieder in Konflikt mit den ganz alltäglichen Anforderungen geraten sind.


    Ich musste sein Erziehungsprogramm ziemlich stark drosseln, konnte ihm trotz oder gerade wegen der Arbeitsveranlagung viel weniger zumuten als meiner Hündin, die diesbezüglich viel durchschnittlicher war.


    Wenn es meinen Hund in Übersprung katapultiert, dann hilft es noch heute am besten, neben viel innerer Ruhe einfach was völlig Banales abzufragen und fürstlich zu belohnen. Mein Standard-Notnagel ist da fast immer das Sitz, weil das für uns schon immer ganz elementar war - das kann für euch was anderes sein. Wchtig ist nur, dass man den Hund dabei auf eine positive Schiene kriegt, wie trivial auch immer. Denn mit Verboten und Ansagen stresst man den ohnehin äusserst gestressten Hund noch viel mehr. Mit dieser positiv gestalteten Umlenkung war das für uns der Durchbruch, der uns den Weg aus Verbell- und Verbeissattacken ermöglicht hat. Ganz wichtig dabei ist aber, dass du da absolut positiv dabei bist - ein grimmiges einfordern eines Befehls wird eher das Gegenteil bewirken und den Hund noch mehr stressen, anstatt ihm einen Weg da raus zu zeigen.

  • Was hast du in der Situation gemacht wenn Max dich gebissen hat?

    Persönlich war ich glaube ich insgesamt nur zweimal überhaupt das Ziel. Sonst war es mein Mann, aber viel öfter meine Töchter. In der Situation half nur komplett rausnehmen.
    Also ihn in die Box schicken (Ruhezone), oder mittels Hausleine (es fand immer zuhause statt) wegholen.
    Als ich mal das Ziel war, hab ich ihn einfach ruhig weiter mit den Händen festgehalten, so, dass er mich nicht erwischen konnte, und er hat sich sehr schnell wieder beruhigt, als er gemerkt hat, das bringt so nichts und ihm passiert auch nichts.


    Er hat sich gerne Blitzableiter gesucht, an denen er seinen Frust herauslassen konnte. Da waren meine Töchter insofern aus seiner Sichtweise ideal, weil sie nicht mit ihm rausgegangen sind und nicht gefüttert haben und auch zum Schmusen nicht oft da waren. Also sozusagen "verzichtbar" für ihn...


    Das ging einige Monate so, und zeitweise bin ich da schon auf dem Zahnfleisch gegangen.
    Aber es hat sich gelohnt dranzubleiben, konsequent zu sein (klare Hausregeln aufzustellen), dass seine Fruststrategie so nicht laufen darf, und sein Stresslevel so runterzuschrauben, dass erst garnicht soviel Frust aufkam.
    Heute ist es ein Unterschied wie Tag und Nacht, wobei er trotzdem nicht so "sicher" ist, wie Dexter es ist. Es wird immer Situationen oder Momente geben, wo man bei Max vorsichtig sein muss. Er hat einfach von seiner Vergangenheit eine Macke weg, und die wird wahrscheinlich immer bleiben.
    Solange man weiß, wie man ihn nehmen muss, ist aber alles gut, und er ein ganz wunderbarer, verschmuster, liebenswerter und lebensfroher kleiner Hund!

  • @naijra Heute ging es wieder los, erste Anzeichen für "ich dreh gleich durch". Hab mich dann hingehockt und als sie zu mir kam freundlich ins Platz aufgefordert. Das hat sie auch gemacht und dafür Leckerli und Lob bekommen, danach gings relativ ruhig weiter. Ich war echt überrascht und erfreut. Vielleicht ist genau das der Lösungsansatz nach dem ich gesucht habe. Ich werde das erstmal weiter so probieren. Nochmal vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis.

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