Jagdhunde in Nichtjägerhand - möglich, sinnvoll?

  • Wirklich schwierige Frage, die man bestimmt nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten kann. Vieles hängt sicherlich von der Rasse ab. Manche haben eben mehr Trieb als andere. Und es ist sicherlich nicht möglich, jeden Jagdhund in Nichtjägerhand glücklich zu machen.


    Ich hatte 15 Jahre lang Irische Setter, die nicht jagdlich geführt wurden. Beim ersten hatte ich noch keinen Jagdschein und den zweiten habe ich angeschafft, weil ich den Charakter der Rasse liebte, nicht weil er mich zur Jagd begleiten sollte. Hauptgrund war, dass der Hund kein "Blut lecken" sollte. Entspannte Spaziergänge im Wald ohne Leine wären nach den ersten Jagden sicherlich nicht mehr möglich gewesen. Abgesehen davon ist die Rasse für die hiesigen Jagdmethoden nur sehr bedingt geeignet. Die Hunde waren trotzdem glücklich. Sie hatten Ersatzbeschäftigungen.


    ABER: Ich weiß nicht, ob ich das noch mal so machen würde. Jetzt habe ich eine Rasse, die ebenfalls nicht zwingend jagdlich geführt werden müsste. Ein Cocker aus Formzucht ist ja nun wirklich nichts weiter als ein 0815-Hund, wie man ihn an jeder Ecke sehen kann. Aber als ich die das erste Mal auf einer Jagd erlebt habe, ist mir klar geworden, was es für einen Hund bedeutet, wenn der machen darf, wofür er geschaffen wurde - völlig egal ob Form- oder Leistungszucht. Damals war sie 11 Monate alt und ich überzeugt, dass die eh die ganze Zeit neben mir her zockeln würde. Und dann leine ich ab, mache einen Schritt vom Weg, die Hunde fangen an zu stöbern und Frieda dockt die Nase an den Boden und schießt im Zickzack unter die Fichten, als würde sie das schon ihr ganzes Leben lang täglich machen. :shocked: Die war so glücklich an dem Tag, ich schwöre, die hat nicht gehechelt, die hat über's ganze Gesicht breit gegrinst. Und sie hat alles genau so gemacht, wie sie sollte. Sie hat angejagt, ist aber nicht kilometerweit hinterher, sondern brav wieder zurück, sobald das Wild in Bewegung war - obwohl sie das nie gelernt hat (und sie ist nun wirklich nicht die hellste Kerze auf der Torte). Es ist einfach in ihr drin und ich hab es nicht übers Herz gebracht, ihr das wieder weg zu nehmen (obwohl sie eigentlich nur einmal mitgehen sollte).


    Anderes Beispiel: Erfahrene Hundeführerin aus dem Bekanntenkreis holt sich einen Griffon aus Leistungszucht, ausdrücklich um damit Mantrailing zu machen. Der Züchter stimmt zu, weil er selber gern mal sehen möchte, wie sich der Hund in dem Job macht. Der Hund trailt auch wirklich gut, bleibt aber dennoch ungeeignet, denn: Sobald ein Stück Wild die Fährte des Menschen gekreuzt hat, egal ob frisch oder alt, ist der Hund weg - und zwar mit traumhaftem, herzzerreißendem Spurlaut. Da wird einem dann schlagartig bewusst, dass auch Hunde Hobby und Beruf(ung) gut unterscheiden können.


    Ich persönlich werde mir keinen Jagdhund mehr anschaffen, der nicht jagen darf, halte es aber bei langjährig in Formzucht gezüchteten Rassen grundsätzlich für möglich, wenn man Ersatzbeschäftigungen bietet und sich bewusst ist, dass der Hund entgegen vieler "Züchter"-Aussagen auch in Formzucht den Trieb immer noch hat. Stichwort Einschränkungen: Man kann viele solcher Hunde zu leinenlosen Begleitern im Wald machen, aber man muss mehr Arbeit investieren, als in Hunde mit weniger Jagdtrieb. Wer sich darüber klar ist und von Anfang an konsequent daran arbeitet, wird sicherlich auch mit einem Jagdhund glücklich. Gibt halt nur genug Leute, die nur das Schöne und/oder Exklusive suchen, ansonsten null Ahnung haben und dann ganz übel auf die Schnauze fallen.


    Von Rassen, die immer noch zum Großteil in Jägerhände abgegeben werden (Weimaraner, Drahthaar, Jagdterrier, BGS, Griffon etc.), würde ich als Nichtjäger die Finger lassen, weil das meistens seinen Grund hat. Die Exklusivität muss man da dann sehr oft mit sehr viel Stress bezahlen und dafür wäre ich persönlich einfach zu faul.

  • Ich finde Jagdhunde genial und bin mit ihnen aufgewachsen, habe mich aber für meinen Alltag für die etwa gemäßigtere Richtung entschieden.
    Alle meine Hunde kommen aus jagdlicher Zucht und haben Eltern, die wirklich noch von Jägern geführt werden. Allerdings bedeutet das beim Retriever nun mal etwas anderes als z.b. bei einer Bracke. Die Geschwister von Atreju und Ikarus sind zum Teil in Jägerhand oder werden intensiv gearbeitet. Nur Begleit- oder Familienhund ist da keiner.
    Mit intensiv meine ich nicht, dass jeden Tag großes Programm aufgefahren werden muss. Aber es muss halt richtig gemacht werden. Den Dummy mal im Gebüsch verstecken und den Hund suchen lassen ist eine nette Sache, aber für meine Hunde einfach nicht genug. Ich trainiere Dummy etwa 2x die Woche. Es gibt aber natürlich auch Wochen ohne irgendwas (aktuell z.b. wegen meinem Bänderriss). Meine Hunde begleiten mich unheimlich gerne im Alltag, lieben ihren Job mit den Kindern, aber wenn sie mit den Dummys arbeiten dürfen, sind sie in ihrem Element. Voller Begeisterung, Hingabe und Fokus. Sicher wären sie ohne diese Arbeit keine durchgeknallten, neurotischen Terrortölen geworden, aber trotzdem würde ihnen wohl etwas fehlen.


    Mein Terrier hat mit 9 Monaten seinen ersten Fuchs gesprengt. Ist zum Glück glimpflich abgelaufen für alle Beteiligten. Danach war mir endgültig klar, dass man einen jagenden JRT anders händeln muss als einen jagenden Retriever. Er möchte noch viel intensiver Nasenarbeit betreiben. Bei ihm muss man immer hellwach sein und er kann auch nicht überall frei laufen. Bei Fuchsbauten z.B. fehlt es ihm immer noch an Selbstkontrolle. Er bekommt von mir regelmäßig Schlepp- oder Spritzfährten, die er verfolgen darf und wenn er sich von einer Spur abrufen lässt, darf er sie im Anschluss (nicht immer, aber wenn möglich) an der Leine verfolgen. Nach Mäusen lass ich ihn an einigen Stellen auch buddeln. Nie eigenständig, sondern immer nur auf mein OK. So ganz ohne “Jagen“ ginge für ihn einfach nicht. Inzwischen sind wir so weit, dass er auch mal direkt die Freigabe bekommt und Spielzeug hetzen darf. Das ging in den ersten Jahren gar nicht, weil er dann direkt am Rad gedreht hat.
    Ich denke Orion ist schon so ein Kandidat, der bei anderen Hundehaltern ein Leben an der Leine fristen müsste und ohne entsprechende Auslastung damit unglücklich wäre und das auch zeigen würde. Sicher kein Hund für Jederman, aber auch kein Hund, der nur in Jägerhand gehört. :ka:


    Ich kenne jemanden, der hat jetzt schon den zweiten Deutsch Kurzhaar als Rettungshund ausbildet. Das finde ich z.b. für einige Jagdhunderasse auch einen passenden Job.

  • Stichwort Einschränkungen: Man kann viele solcher Hunde zu leinenlosen Begleitern im Wald machen, aber man muss mehr Arbeit investieren, als in Hunde mit weniger Jagdtrieb.

    Das stimmt. Der Trainingsaufwand bei einem Jagdhund ist enorm. Wir sind jetzt im dritten Jahr und ich muss immer wieder mal nachkorrigieren. Es gibt Phasen meiner Hündin, da hat sie null Bock auf Jagen (zB. während und nach der Läufigkeit) und dann würde sie bei jedem Vögelchen am liebsten hinterher.


    Allerdings wusste ich das von Anfang an und habe entsprechend von klein auf entsprechend erzieherisch eingewirkt. Mittlerweile ist nur noch Fährte für sie mal interessant, wobei sie weiss, dass sie die Wege nicht verlassen darf und deshalb auch Rehe & Co in Ruhe lässt.


    Was sie darf, ist die Fährte von meinem Mann abzuarbeiten, wenn er auf dem Fussballplatz trainiert hat, danach habe ich einen wirklich glücklich und zufriedenen Hund.

  • @Mia2015:


    Genau das ist das, was ich meine. Wenn Leute keine Vorstellung davon haben, wie ein Jagdhund tickt, haben die oft auch keinen Trainingsplan. Z.B. dass der Hund den Weg nicht verlassen darf, wie du schreibst, und zwar keinen cm, das haben bei mir im Bekanntenkreis viele nicht verstanden. Die hielten das für eine total übertrieben militante Erziehungsmethode. Oder wenn man den Hund zum Radiustraining manchmal alle zwei Minuten zurückrufen muss und gefragt wird, warum das denn nötig ist, dass der Hund nicht mal "ein bisschen" weiter vorlaufen darf... :fear:

  • Ich glaube, wenn man alle Jagdhunde nur an Jäger abgegeben würde, gäbe es bald einige Rassen nicht mehr.
    Außerdem sind die Jagdhunde ja eine sehr große Kategorie,schon alleine die ganzen Terrier... Wenn man jetzt Jagdhunde nur als Jäger, Hütehunde und Herdenschutzhunde nur als Schäfer, Hof-und Wachhunde nur als Großgrundbesitzer bekommen würde, würden nicht mehr so viele Rassen übrig bleiben :D
    Finja ist ja mindestens halber Jagdhund. Allerdings von der weniger kooperativen Sorte (Bracke) und das merkt man auch.
    Ich habe noch das Glück, dass sie, wenn sie mir mal entwischt, sie nach spätestens 10minuten wieder da ist. Da gibt es wohl ganz andere Kaliber.
    Aber es ist schon interessant zu sehen, wenn sie einen Hasen wegrennen sieht, der aus ihrem Sichtfeld ist, sie wieder zu dem Punkt zurückrennt, wo der Hase aufgesprungen ist und sie dann die Spur verfolgt und das auch 3x hintereinander. Da ist sie auch nicht abrufbar.
    Muss allerdings sagen, dass ich keine reinrassige Bracke haben wollen würde.
    Ein bisschen mehr Wtp wäre oft nicht schlecht. Wenn ich eine Übung mehrmals von ihr verlange, kuckt sie mich an oder auch woanders hin und und denkt "Hey Alte, jetzt reicht's langsam mit dem Schei..."

  • Die hielten das für eine total übertrieben militante Erziehungsmethode.

    Das sind dann die Leute, die mit großen Augen da stehen, wenn der Hund abgeht....


    Ich versteh genau was du meinst und das ein jagdlich ambitionierter Hund wirklich klare Regeln braucht und auch kontinuierliche Erinnerungen daran. Ich kann da nicht durch den Wald daherschlendern, sondern muss wirklich wach sein und meine Umgebung beobachten. Aber es ist möglich einen Jagdhund offline zu führen und ich freue mich immer, wenn wir Rehe sehen und meine Hündin mich ansieht und ich sag: Ja, das ist ein Reh und das darf da sein :lol:



    haben die oft auch keinen Trainingsplan

    Und das finde ich total wichtig. Einen Plan zu haben, schon wenn der Hund ein Welpe ist. Meine lief das erste Jahr komplett an der Schleppleine und kam gar nicht erst in den Jagd- oder Hetzmodus. Was sie nicht davon abhielt Eichhörner auf Bäume zu scheuchen :hust: Also Schlepp wieder dran und von vorne. Meine Hündin ist mittlerweile im richtigen Moment absolut abrufbar, man darf diesen Moment nur nicht verpassen, deswegen gibt es auch bei uns Radiustraining,"bei Fuss" und "hinter mir" Training. Und es gibt Bereiche, da darf sie mit ihrem Spielzeug im Maul einfach rennen was das Zeug hält oder schwimmen und sich austoben :smile:

  • Ich glaube, wenn man alle Jagdhunde nur an Jäger abgegeben würde, gäbe es bald einige Rassen nicht mehr.

    Also es gibt ja mehr als genug Rassen, die zumindest von VDH Züchtern nur/ fast nur an Jäger abgegeben werden; DJT, die deutschen Vorsteher, viele Bracken, Wachtelhunde, etc. das führt zwar dazu, dass die Rassen keine große Verbreitung finden, aber dafür bleiben die Rassen leistungsfähig für genau die Arbeit für die sie gezüchtet werden. Die Rassen werden sicherlich fortbestehen solange sie für ihre Aufgabe gebraucht werden, und wenn das nicht mehr der Fall ist, sterben sie halt aus. Wenn eine Gebrauchshunderasse gänzlich zum Familienhund degradiert wird ist dies meiner Meinung nach genau das Gleiche wie das Aussterben, wenn nicht schlimmer; nur die Hülle bleibt und der ganze Charakter, der die Rasse ausmachte geht verloren.


    Man muss bei Jagdhunden sicherlich unterscheiden. Ein Vizsla, Dackel, Retriever oder Jagdspaniel lässt sich gut auch ohne Jagd auslasten. Rassen wie der DJT gehören meiner Ansicht nach bis auf Ausnahmen nur in Jägerhand. Sicher gibt es auch hier Hunde die Ausreißer sind, aber muss man es sich wirklich antun gezielt solche Rassen auszuwählen, wenn man ihnen ihre ursprüngliche Aufgabe nicht bieten kann? Wir haben hier eine riesen Weimaranerschwemme (aus der Diss natürlich) und viele dieser rassetypisch mannscharfen Hunde können nur mit Maulkorb geführt werden - wobei ich auch einen Weimaraner kenne, bei dem das Dasein als Familienhund gut funktioniert. Da wären einige Halter sicherlich mit einem Labrador oder meinetwegen einem gemäßigtem Vizsla besser bedient gewesen.

  • @lsra12345 so gesehen hast du absolut recht.
    Ich hab das jetzt nur allgemein auf das Thema "Jagdhunde nur in Jägerhand" bezogen.
    Kannte übrigens auch mal einen Weimaraner als Familienhund. Der hatte so wenig Jagdtrieb, der wäre wahrscheinlich sowieso irgendwann "aussortiert" worden.

  • Grundsätzlich sind meiner Meinung nach alle Hunde Jagdhunde...


    Aber ja, einige sind so gezüchtet, dass sie weniger zur Jagd gedacht sind, andere mehr. Wir haben uns trotzdem für den Vizsla entschieden in der Hoffnung, ihm gerecht zu werden. Er ist bisher (er ist erst 10 Monate alt) sehr gut abrufbar, steht erst vor und ist dann gut zu händeln. Ob sich das noch ändert weiß ich natürlich nicht. Aber wir haben meiner Meinung nach auch gute Voraussetzungen. Wir haben Zeit, viel Natur für viel Auslauf, eine tolle Freilaufwiese, wo man tolle andere Hunde trifft usw. Zudem schließen wir nicht aus, doch noch einen Jagdschein zu machen.


    In der Stadt mit Vollzeitjob sieht das meiner Meinung nach anders aus. Da verstehe ich nicht, wie man sich einen großen Jagdhund halten kann...

  • Das Kleinteil ist ja meine erste Jagdbratze.
    Vorher waren es Schäfchenmixe.
    Was soll ich sagen? Nachdem Madame ihren ersten Hamster gekillt hatte und ich gemerkt habe, so schnell kann ich nicht "Aus" sagen, wie das Tier tot ist, musste ich selbst sehr viel lernen.


    Die Zehntel Sekunde in der sie mir angezeigt hat dass da was ist, ihre Körpersprache, ihre schnellen Reaktionen.
    Wir haben dann gemeinsam gejagt. Sie darf Mäuse töten, sie darf auch nach Ihnen buddeln, ich zeige ihr auch die Löcher.
    Abrufen und die super Alternative anbieten. Ruhig Wild beobachten.


    Ömmel hat gelernt "jagen" mit mir zusammen macht mehr Spass. Zwischendurch ist sie halt auch mal ab und 50 Meter in den Wald rein, wenn ich zu langsam war, kam aber auf Abruf zurück.


    Das gute am Kleinteil, sie hat beschlossen auf Rente zu gehen. :D Sie wägt genau ab ob es sich rentiert zu jagen oder nicht.


    Ausser Füchse und Bauten. Bei Bauten ist Madame an der Leine. Und wenn ein Fuchs in der Nähe ist, zeigt sie den schon 500 Meter vorher an und wir wechseln die Richtung.


    Ach ja, und das schönste von Anfang an, Emmy ist eine Pussy. Im Dunkeln in den Wald flitzen? Ne... lieber nicht. :lol:

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