Knurren und verbellen ... bin ratlos

  • Heute wende ich mich auch mal an Euch, weil ich irgendwie mit unserem Labrador-Junghund in einer Sackgasse bin und hoffe, mit der ein oder anderen Idee da wieder rauszufinden.


    Geht um Winston, er ist jetzt ein Jahr jung. Er ist ein wirklich sehr gehorsamer und braver Hund. Bin wirklich sehr zufrieden, er stellt nix an, läuft nicht weg, hört im Grunde aufs Wort, kann ruhig abwarten usw. ... benimmt sich im großen und ganzen tadellos. Leinenführung ist okay ... Fuß, Platz, Hier usw. funzt. Vor kurzem lief ein Reh wenige Meter vor uns über den Waldweg ... wir waren gerade am Dummywerfen und Winston hat zwar kurz irritiert geguckt, hat sich dann aber mir und dem Dummy zugewandt. Da war ich selbst erstaunt und ein bissle stolz, dass er da schnell wieder bei mir ist und nicht hinterher ging.


    Sein Sozialverhalten im Freilauf mit anderen Hunden ist top - haben wir mehrmals die Woche, machen schöne lange Touren mit den Hunden. Er ist sehr kontaktfreudig, begrüßt recht stürmisch, wird aber nicht körperlich bedrängend. Als typischer junger Labrador freut er sich über jeden Hund (und Menschen), der mit ihm spielen möchte, merkt aber schnell, wenn der andere nicht will und bedrängt ihn dann nicht weiter - bis hin zum Ignorieren. Wir haben im Freilauf Kontakte zu vielen verschiedenen Hunden, die ihm auch mal ein zeigen, dass sie keinen Bock auf ihn haben und auch mal mürrisch werden ... er kennt das also und kann wirklich gut damit umgehen. Bisher gab es keinen einzigen Fall, bei dem er mal angriffslustig wirkte oder aggressiv - auch nicht bei fremden Hunden, die neu in der Gruppe sind oder sich unterwegs angeschlossen haben - so lange alle ohne Leine sind ist alles gut. Also, man kann nicht meckern ...


    Aber wehe wir sind an der Leine unterwegs und er erblickt einen anderen Hund. :muede:
    Von klein auf, will er da unbedingt hin, fing an zu quietschen und zu ziehen ... teils hat er sich schon wirklich sehr aufgeregt, wenn er da nicht hindurfte. Nasenkontakt an der Leine lassen wir freiwillig nicht zu. Wenn uns doch mal jemand mit angeleintem Hund unerwartet zu nahe kam - okay, dann ist das eben so und war bisher auch noch nie ein Problem. Wir gingen dann allerdings recht zügig weiter. Oder haben nochmal ordentlich Abstand genommen und in gegenseitigem Einverständnis Leinen los und die Hunde konnten so kontakten, wie sie es wollten - gabs auch nie ein Problem.


    Erfahrungen mit keifenden und auch echt aggressiven Hunden haben wir auch schon gesammelt, da hab ich rechtzeitig angeleint und bin einen Bogen gegangen oder hab den Rückmarsch angetreten, um zu vermeiden, dass er mich dann doch irgendwie dort hinziehen kann (ist schon kräftig das Kerlchen). Das funzt auch ganz gut. Winston schaute zwar schon interessiert bis ebenfalls aggressiv reagierend, aber wenn ein gewisser Abstand da war, hat er das Interesse schnell verloren.


    Nun hat sich das ganze seit ein paar Wochen so entwickelt, dass er nicht mehr freudig wirkt und zu dem anderen fremden Hund hin will ... sondern er grummelt und grollt. Und fängt auch teils heftig an zu bellen und lässt sich da auch fast nicht beruhigen/ablenken/umlenken. Vor allem, wenn wir aus der Situation abstandsmäßig nicht rauskommen. Zum Beispiel saßen wir die Woche im Warteraum des Tierarztes - waren erst alleine und dann kam ein Hundchen rein ... und Winston hat sich fast nicht eingekriegt. Oder wir sitzen entspannt im Biergarten und plötzlich kommt jemand mit Hund - da ist fast nicht zu halten. Er wirkt schon recht aggressiv ...und erst wenn wieder ein gewisser Abstand da ist ... gibt er wieder Ruhe. Bleibt der Hund im Blick grummelt er dann jedoch schon noch ab und an vor sich hin ... ganz leise.


    Ich habs mit einem NEIN versucht ... steigernd zu einem scharfen NEIN!!! - eigentlich ein Kommando, bei dem er sonst sekündlich wie gewünscht reagiert. Auch SCHLUSS JETZT funzt beim Spiel mit anderen Hunden einwandfrei. Aber in dieser Situation nicht. Gar nicht. Er zittert regelrecht vor Aufregung. Beruhigen lässt er sich auch nicht, ebenso wenig wie durch Futter ablenken. Er ist dann total außer sich. Er trägt neben der Retrieverleine auch deshalb ein K9-Geschirr mit Griff, so dass er mir nicht entkommen kann. Also Erfolg hatte er bisher keinen. Aber manchmal ist es echt knapp ... 32 Kilo ... sind nicht leicht ...


    Unser Ersthund, Charly vier Jahre, der ja meist dabei ist, ist in der Regel (natürlich gabs auch schon Ausnahmen, beim Erzfeind zB) dann die Ruhe selbst, wirkt gelassen und fast gelangweilt ... normalerweise orientiert sich Winston sehr an ihm - aber in dieser Hinsicht überhaupt nicht.


    Zuhause zB, liegen beide Hunde auf der Terrasse und beäugen die Straße ... sobald da was tierisches auf der Gasse ist, fängt Winston an zu grollen - je nachdem wer da läuft, artet das schon mal in eine heftige Bellerei aus und er rast hin und her am Geländer ... Charly ist ruhig, Winston tobt. Das ist aber schon wirklich weniger geworden - anfänglich bin schauen gegangen, hab gesagt, da ist nix schlimmes und hab seine Gehabe ignoriert, dann hab ich die Methode mit schimpfen getestet, hat ihn auch nicht beeindruckt ... dann hab ich ihn irgendwann kommentarlos reingeholt und die Tür zu gemacht, weil es mir zu lange dauerte, bis er sich einigermaßen beruhigte. Mittlerweile genügt in der Regel wenn ich von drinnen rufe, "halt die Klappe" ... also dieser Lernprozess dauerte nur wenige Monate, haben wir in den Griff bekommen.


    Mir ist rätselhaft, warum Winston sich so labradoruntypisch entwickelt hat - freudig erregt kenn ich von Charly ... und von anderen Labradoren, auch zu anderen Hunden unbedingt hinwollen. Aber so aggressiv wirkend und sich nicht unter Kontrolle bringen lassen ... Seltsam. Er hat weder eine schlechte Erfahrung gemacht ... noch wirkt er außerhalb solcher Situationen besonders hibbelig. Ganz im Gegenteil ... er ist die meiste Zeit tiefenentspannt und ein wirklich lieber Hund, schmust gerne und spielt wunderschön und fair mit ihm zugetanen Hunden. Auch mit unserem Charly.


    Wie soll ich das nun angehen? Mir wird schon mulmig, wenn ich irgendwo sitze und ein anderer Hund kommt um die Ecke ... ich versuche ruhig zu bleiben, die Lage erstmal zu ignorieren - aber wenn der Terrorzwerg anfängt, bin ich natürlich im Handlungszwang. Was soll ich in dem Moment tun?! :ka: Wie reagiere ich richtig?


    Es ist übrigens egal, ob ich alleine mit ihm bin oder mein Mann und Charly dabei sind, oder wir in unserer Freilaufgruppe sind und kurz angeleint haben, weil uns jemand mit einem angeleinten Hund entgegen kommt. Winston muss dumm machen ...


    Freue mich über jede Idee, wie ich das in den Griff bekommen kann. :gott: Im Moment weiß ich einfach nicht wo ich ansetzen soll.


    Ach ja, in der Hundeschule sind wir seit ein paar Wochen - und zwar explizit im Gruppentraining. Wenn wir dort ankommen ist Winston noch sehr aufgeregt (wie eigentlich die meisten Hunde dort) ... aber es wird besser. Wenn die ersten stressigen 10 Minuten rum sind, sinkt sein Aufregungslevel schnell ab ... Leinenkontakt gibts da natürlich keinen und es wird auf Abstand geachtet. Er kann sich dann auch wieder auf mich konzentrieren und die Übungen klappen dann auch recht gut.


    Noch ein Nachtrag. Probleme mit Menschen gibts zu 99,9% keine - Winston ist aufgeschlossen und lässt sich auch gerne durchknuddeln von Bekannten. Aber Menschen, die seltsam in der Landschaft stehen, also jemand steht zB auf dem einsamen Waldweg und beobachtet mit einem Fernglas irgendwas, werden auch misstrauisch begrummelt und auch mal verbellt ... bei solchen Menschen allerdings geht er dann eher zurück, also nicht nach vorne - auch mag er es nicht, wenn Kinder auf ihn zugehen, um ihn nach meiner Erlaubnis zu streicheln. Er versucht Abstand rein zu bringen, zeigt eher ängstliches und unsicheres Verhalten.

  • Nun hat sich das ganze seit ein paar Wochen so entwickelt, dass er nicht mehr freudig wirkt und zu dem anderen fremden Hund hin will ... sondern er grummelt und grollt. Und fängt auch teils heftig an zu bellen und lässt sich da auch fast nicht beruhigen/ablenken/umlenken. Vor allem, wenn wir aus der Situation abstandsmäßig nicht rauskommen. Zum Beispiel saßen wir die Woche im Warteraum des Tierarztes - waren erst alleine und dann kam ein Hundchen rein ... und Winston hat sich fast nicht eingekriegt. Oder wir sitzen entspannt im Biergarten und plötzlich kommt jemand mit Hund - da ist fast nicht zu halten. Er wirkt schon recht aggressiv ...und erst wenn wieder ein gewisser Abstand da ist ... gibt er wieder Ruhe. Bleibt der Hund im Blick grummelt er dann jedoch schon noch ab und an vor sich hin ... ganz leise.

    Klingt alles nach einer ganz klassischen Leinenaggression. Die hat sich durch Frust entwickelt, würde ich mal vermuten. Gerade, weil er scheinbar immer schon die Tendenz hatte, andere Hunde an der Leine unbedingt begrüßen zu wollen und dies ja auch im Freilauf immer darf. Über die Zeit hat sich also das positive Gefühl, das er bei Hundesichtung an der Leine hatte, in ein negatives umgewandelt, weil er nie hindurfte.

    Von klein auf, will er da unbedingt hin, fing an zu quietschen und zu ziehen ... teils hat er sich schon wirklich sehr aufgeregt, wenn er da nicht hindurfte.

    Da habt ihr leider versäumt, entsprechend zu reagieren und ein Alternativverhalten zu erarbeiten.

    Ich habs mit einem NEIN versucht ... steigernd zu einem scharfen NEIN!!! - eigentlich ein Kommando, bei dem er sonst sekündlich wie gewünscht reagiert. Auch SCHLUSS JETZT funzt beim Spiel mit anderen Hunden einwandfrei. Aber in dieser Situation nicht. Gar nicht. Er zittert regelrecht vor Aufregung. Beruhigen lässt er sich auch nicht, ebenso wenig wie durch Futter ablenken.

    Seine Erregungslage ist sehr hoch und eben eine ganz andere, als im Spiel oder sonstigen Situationen. Völlig klar, dass das nicht funktioniert. ;)



    Wie soll ich das nun angehen? Mir wird schon mulmig, wenn ich irgendwo sitze und ein anderer Hund kommt um die Ecke ... ich versuche ruhig zu bleiben, die Lage erstmal zu ignorieren - aber wenn der Terrorzwerg anfängt, bin ich natürlich im Handlungszwang. Was soll ich in dem Moment tun?! Wie reagiere ich richtig?

    In dieser Situation kannst du nur Management betreiben. Mehr Raum zwischen dich und den anderen Hund bringen und den Hund eventuell sogar außer Sicht herunterfahren.
    Ich würde mit Dingen wie Click für Blick oder Zeigen und Benennen arbeiten, um die Situation "Ich bin an der Leine und sehe einen Hund" wieder positiv zu besetzen. Denn Leinenaggression ist leider eine Abwärtsspirale. Auch kann ich dir Social Walks ans Herz legen. Das sind Leinenspaziergänge mit Hunden, die ähnliche Probleme haben.
    Sicher ist jedenfalls: Ohne ein strukturiertes Training wirst du das nicht in den Griff bekommen und ich bezweifle sehr, dass die Gruppenstunden in der Hundeschule etwas helfen. Denn da ist der Kontext ein anderer.


    Er muss lernen, seinen Frust im Alltag in den Griff zu bekommen. Wenn du dir das alleine nicht zutraust, würde ich dir auch einen Trainer ans Herz legen.



    Mir ist rätselhaft, warum Winston sich so labradoruntypisch entwickelt hat - freudig erregt kenn ich von Charly ... und von anderen Labradoren, auch zu anderen Hunden unbedingt hinwollen

    Labradore sind halt auch nur Hunde. Und ne Leinenaggression kann so ziemlich jeder Hund jeder Rasse entwickeln...aus unterschiedlichen Gründen.

  • Da habt ihr leider versäumt, entsprechend zu reagieren und ein Alternativverhalten zu erarbeiten.

    Wir haben schon einiges ausprobiert, also reagiert und ihn nicht einfach machen lassen.


    Von daher ... weiß ich auch nicht, was da schiefgelaufen sein sollte. Kannst Du mir ein paar Beispiele nennen, von wegen Alternativverhalten? Schau her, Bogen laufen, stehen bleiben, Rückwärtsgang, mit Leckerli ablenken ... mal so mal so. Immer alles ganz ruhig ... da müsste sich doch eine Gelassenheit beim Hund einspielen?


    Und nicht das Gegenteil?
    Lief ja bei Charly auch nicht anders und funzte. Natürlich war hin und wieder auch mal ein scharfes Wort notwendig, wenn die Ohren auf Durchzug waren und die Aufmerksamkeit nicht wie gewünscht, bei uns landete.


    Was ich halt nicht so richtig verstehen kann, ist sein wahnsinniges Interesse an anderen Hunden - obs jetzt positiv oder negativ ist, ist ja erst mal zweitrangig.


    Er hat wirklich genug Gelegenheit zu kontakten - aber es muss doch auch mal ohne gehen, ohne das er gleich ausflippt?


    Wie gesagt, er ist sonst gar nicht so "übereifrig", auch wenn ihm Sachen Freude machen, lässt er sich gut umlenken, stoppen, zurückrufen was weiß ich.


    Wir haben auch explizit geübt, dass er eben angeleint nicht zu jedem Hund darf (ob befreundet oder nicht) und sind auch mal einfach in gewissen Abstand nebeneinander gestanden oder eine kleine Runde zusammen gegangen. Haben mit ihm in der Stadt gesessen, wo viele Hunde unterwegs waren usw. Und es gibt regelmäßig Gassigänge, wo gar nicht abgeleint wird und kein Kontakt stattfindet. Mit den Freilaufzeiten hält sich das so 50:50 die Waage.


    Warum kann er es scheinbar immer schwerer akzeptieren und gelassen bleiben, auch wenns nicht nach seinem Plaisier läuft? Man übt doch solche Situationen eben genau deshalb.

  • Auch kann ich dir Social Walks ans Herz legen. Das sind Leinenspaziergänge mit Hunden, die ähnliche Probleme haben.

    Wir das nicht chaotisch, eben weil alle ähnliche Probleme haben? Im Grunde ist das doch ähnlich wie im Gruppentraining - da sind sich ja auch nicht alle grün oder hätten lieber Lust zu spielen ...


    Diese Walks finden dann pur angeleint statt und ohne jeglichen direkten Kontakt - in der normalen Umwelt - also nicht auf dem Hundeplatz?

  • Von daher ... weiß ich auch nicht, was da schiefgelaufen sein sollte. Kannst Du mir ein paar Beispiele nennen, von wegen Alternativverhalten? Schau her, Bogen laufen, stehen bleiben, Rückwärtsgang, mit Leckerli ablenken ... mal so mal so.

    Mal so mal so ist kein Erarbeiten eines Alternativverhaltens, sondern Management. ;)
    Ein Alternativverhalten ist ein Verhalten, das man dem Hund anstelle einer unerwünschten Verhaltensweise aufkonditioniert. Der Schlüssel zum Gelingen ist, dass das Verhalten IMMER das Selbe ist. Das kann sein: Anschauen, ein Hand-Touch, ein Hinlegen, ein Absetzen usw.

    da müsste sich doch eine Gelassenheit beim Hund einspielen?

    Nein. Weil der Hund eben keine Alternative lernt, sondern stattdessen einfach irgendetwas tun soll. Und das nichtmal aktiv, weil Bogenlaufen, Ablenken etc von dir veranlasst wird. Er macht nur mit/rennt dir hinterher.



    Und nicht das Gegenteil?
    Lief ja bei Charly auch nicht anders und funzte. Natürlich war hin und wieder auch mal ein scharfes Wort notwendig, wenn die Ohren auf Durchzug waren und die Aufmerksamkeit nicht wie gewünscht, bei uns landete.

    Charly ist nicht Winston. Was bei ihm gut funktionierte, muss beim Jungspund noch lange nicht klappen.



    Was ich halt nicht so richtig verstehen kann, ist sein wahnsinniges Interesse an anderen Hunden - obs jetzt positiv oder negativ ist, ist ja erst mal zweitrangig.


    Er hat wirklich genug Gelegenheit zu kontakten - aber es muss doch auch mal ohne gehen, ohne das er gleich ausflippt?

    Du hast da scheinbar einen Hund, für den Hundekontakte das Nonplusultra sind. Sie haben für ihn offenbar einen hohen Stellenwert und es löst eben dementsprechend Frust in ihm aus, wenn ihm das, aus für ihn völlig unverständlichen Gründen, entzogen wird.



    Warum kann er es scheinbar immer schwerer akzeptieren? Man übt doch solche Situationen eben genau deshalb.

    Weil sich das jetzt schon gut eingeschlichen hat und die Erregung offenbar nun ins Negative gekippt ist. Das geht schneller, als man denkt.



    Wir das nicht chaotisch, eben weil alle ähnliche Probleme haben? Im Grunde ist das doch ähnlich wie im Gruppentraining - da sind sich ja auch nicht alle grün oder hätten lieber Lust zu spielen ...


    Diese Walks finden dann pur angeleint statt und ohne jeglichen direkten Kontakt - in der normalen Umwelt - also nicht auf dem Hundeplatz?

    Nein. Die Spaziergänge finden an der Leine statt und tun problematischen Hunden überaus gut. Der Lerneffekt ist gut, wenn man es richtig macht.
    Sie finden natürlich da statt, wo das Problem ist - nämlich im normalen älltäglichen Umfeld.

  • Hallo charly 2802,


    Ich würde das ebenfalls als klassiche Leinenaggression sehen. Mit der Leine begrenzen wir unsere Hunde und schränken sie ein. Besteht ein Hund eigentlich auf eine grössere Individualdistanz, als wir sie ihm geben, kommen Angst und Frust auf. Das Resultat siehst Du an Deinem Hund.


    Zusätzlich würde ich behaupten, dass die 'Freude' über Begegnungen mit Artgenossen, die ihr da in das Verhalten Eures damaligen Welpen hineininterpretiert habt, gar keine war. Gerade Welpen neigen bei Stressituationen häufig zu extremem Flirten oder eben einem 'to fiddle' - also einer Herumzappelei, die schnell als Freude ausgelegt werden kann. Häufig ist das eine Reaktion auf Stress. Weil das Verhalten anderen Hunden (auch der Mutter) und Lebewesen gegenüber noch gut funktioniert, gibt es keinen Anlass, dieses zu ändern. Wird der Hund aber älter und ernsthafter, muss er seinem Bedürfnis nach Abstand anders Ausdruck verleihen, weil die alte Strategie einfach nicht oder nicht mehr funktioniert.


    Du beschreibst, dass er andere Hunde recht stürmisch begrüsst. Auch wenn sein Sozialverhalten ansonsten 'top' ist, hätte ich da ein genaues Auge drauf. Viele Hunde haben nie gelernt, dass man Kontakte mit anderen Hunden oder Menschen auch vermeiden kann und darf. Sie kennen die dazu nötigen Strategien nicht und sind mit diesen Begegnungen heillos überfordert.


    Euer Hund hat die Leine von klein auf als Begrenzung und Einschränkung erfahren. Zusätzlich steigt mit zunehmendem Alter die für einen Hund nötige Individualdistanz zu anderen Hunden. Wenn wir das nicht respektieren, lassen wir ihm keine andere Wahl als sich zur Wehr zu setzen und dem fremden Individuum mit Knurren und Bellen zu verstehen zu geben, dass er gerade im Begriff ist, den Dunstkreis eines anderen Hundes zu unterschreiten.


    Was Du nun tun kannst? Deinem Hund das Vertrauen zurück zu geben, dass Du sein Problem respektierst. Das tust Du nicht, indem Du mit ihm schimpfst, sondern ihm zeigst, dass Du die Situation für ihn regelst. Dabei würde ich mich vom Gedanken lösen, dass es sich bei Deinem Hund um einen 'harmlosen' Labrador handelt, der freundlich sein 'muss'. Auch Hunde sind Individuen, denen oft keiner ihren Rassestandard vorgelesen hat. Rassestandards sind von Menschen geschaffene, ideale Konstrukte - mit dem Wesen eines echten, lebendigen Hundes haben sie oft nur wenig zu tun.


    Erste Massnahme bei leinenaggressiven Hunden ist ein 'Lass uns weggehen' Signal, mit dem Du die Distanz vergrösserst. So einfach es klingen mag, es fällt vielen Hundebesitzern furchtbar schwer, einfach weg zu gehen. Dein Hund schreit nach Abstand: gönn ihn ihm. Das ist der erste Schritt, dass Dein Hund Dir wieder vertrauen lernt und merkt, dass Du sein Problem wahrnimmst und vor allem auch lösen kannst.


    Weiterhin sind Übungen wie 'berühr meine Hand', 'schau mir in die Augen Kleiner,' 'folge dem Keks' und 'finde die Kekse auf dem Boden' sehr hilfreich, wenn man den Hund kurzfristig von einem Reiz ablenken muss. Das sind aber alles Tricks, die man langsam aufbauen muss und nicht auf Anhieb funktionieren werden. Was auch immer Du übst, bau es zuerst in der Wohnung und dann erst draussen auf. Wenn der Hund die Übung in wenig ablenkender Umgebung kann, darfst Du beginnen, die Anforderungen zu steigern. Und: das sind alles Notmassnahmen, die mit eigentlichem Training nichts zu tun haben. Daran würde ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht denken. Im Moment geht es darum, das Feuer zu löschen. Den Feuermelder und restlichen Brandschutz installierst Du erst, nachdem Du das jetzt lodernde Feuer gelöscht hast.


    Manchen Hunden hilft es, wenn sie sitzen bleiben und den fremden Hund vorbeigehen sehen können. Andere finden es einfacher, in Bewegung zu bleiben. Das musst Du ausprobieren. Vermeide es, frontal auf andere Hunde zuzugehen und lauf Bögen.


    Was ich nicht machen würde, ist den Hund zusätzlich mit Begegnungen zu stressen. Ich würde mich auch nicht darauf versteifen, dem Hund beibrigen zu wollen, dass andere Hunde toll sind, selbst wenn er an der Leine ist. Der Schlüssel ist, dass er lernt, sie zu ignorieren und dass er merkt, dass sie ihm nichts tun. Noch besser ist es, wenn Du Deinem Hund zeigen kannst, dass er durch sein eigenes Verhalten (ich ignoriere andere Hunde einfach) dasjenige der fremden Hunde beeinflussen kann.


    Vielleicht wäre auch Grisha Stewart's BAT Training etwas für Euch. Social Walks würde ich persönlich meiden wie der Teufel das Weihwasser.

  • Winston schaute zwar schon interessiert bis ebenfalls aggressiv reagierend, aber wenn ein gewisser Abstand da war, hat er das Interesse schnell verloren.

    Ich denke dass ihr wohl erst, wenn das Verhalten EURE Schwelle übersteigt, handelt - aber schon das Hinglotzen ist Teil der Kette.


    Hört sich insgesamt so an, als wenn ihr immer eher reagiert darauf, wie sich die situation entwickelt. Besser wäre es, wenn ihr völlig klar macht, so und nicht anders läuft das. IMMER.


    Bei mir heisst das: Angeleinter Hund ist quasi unsichtbar für mich. Ich schau da nicht hin oder sonstwas, interessiert mich nicht, ich mache auch kein Bohei mit meinem Hund, ausser ihn ggf an die andere Seit zu zitieren. Ich nehme den Hund immer an die abgewandte Seite. Und dann gehen wir da vorbei, gleiches Tempo, zügig, geradeaus, kein Hingucken, kein Nix. Ich schau mir da nicht an, was mein Hundi jetzt wohl macht, oder was der andere jetzt wohl macht - das ist egal. Und das Verhalten übernimmt dann irgendwann auch der Hund (solange noch keine gefestigte Aggression oder echte Angst da ist). Wenn du konsequnet und klar bist.


    In der Lernphase (und weils ne Umlernphase ist, kann das dauern, bis es fest ist) gibt es da auch keine Ausnahmen, kein Doch noch hinlassen, kein Schnüffeln, Stehenbleiben und GANZ SICHER kein Hinziehen lassen. Und zwar keinen Zentimeter.
    Wenn dein Hund dich irgendwo hinziehen kann, musst du halt noch ganz intensiv an der leinenführigkeit arbeiten - ausserhalb von Ablenkung.
    Jeder kleine doch-noch-Erfolg bestärkt ihn darin, doch hinzuziehen, und das setzt die Frustspirale in Gang.
    Ich benutze immer lieber meinen Körper als die Leine, um den Hund abzubremsen, falls das nötig wäre - denn das löst weniger Frust aus als der Zug am Hals. Den würde ich um jeden Preis zu vermeiden versuchen. Wenn mich was am Hals einengt, werde ich auch aggressiv.... lieber beherzt ein bein in den Weg.


    ich würde um ERwartungshaltung abzubauen erst mal noch auf doch-noch-ableinen verzichten und Freilauf mit anderen halt so vorher verabreden, dass du nicht aus dem Frust raus ableinst.

  • Ich finde es übrigens durchaus Labbi-typisch - gerade aus der Begeisterung für Artgenossen entsteht ja der Stress an der Leine (ziehen, halten müssen, Nein!, Unsicherheit - Darf ich/Darf ich nicht? usw) und so der Frust, der dann halt erst zu einer negativ Verknüpfung mit dem Auslöser "Hund" führt. Aber es ist der Stress der die Aggression auslöst, nicht der Hund.


    Ich finde ja, je begeisterter der Junghund von anderen Hunden ist, um so mehr lohnt es sich, auf "an der Leine gehen uns alle nix an" und Kontaktsperre an der Leine zu achten. Von Tag 1 und ohne Ausnahme. Man spart sich viel Ärger (und kann das ja später lockern, wenn der Hund von sich aus entspannter und halbwegs erwachsen ist)


    Sozialkontakt OHNE Leine sollte natürlich stattfinden (finde ich). Ausgiebig und oft. Das gehört für einen jungen Hund einfach dazu (es sei denn er mag es nicht natürlich)

  • Vielen vielen Dank für Eure bisherigen Beiträge, da sind viele Ansätze dabei, jetzt muss ich mir nur überlegen, was für uns so passt - zeigt - viele Wege führen nach Rom und jeder Halter hat da so ganz eigene Vorstellungen von dem Grundgehorsam. Ich kann zum Beispiel schlecht mit einem "reizgeilen" Hund irgendwo zügig vorbei gehen, der nicht 100% leinenführig ist ... bei Charly geht das zu 95%. Watson ist noch Azubi, auch wenn er das schon prima macht und wenn kein Reiz auftaucht, gibts echt nix zu meckern.


    Social Walks fallen flach ... es gibt keine Hundeschule und kein Verein in der Umgebung, der das anbietet, habe eben mal geschaut. Privat könnte ich es auf die Beine stellen, Halter mit ausschließlich angeleinten Gassigängen zu finden - aber das ist mir echt zu mühsam - die Freilaufgruppe hat schon über 2 Jahre gebraucht, bis sich ein harter und toller Kern etabliert hat ... ich muss jetzt in die Gänge kommen ... und nicht erst in ein paar Monaten.
    Abgesehen davon machen solche Walks erst wirklich Sinn, soweit ich das verstehe, wenn einer dabei ist, der Ahnung hat, also ein Trainer und den Haltern hilft zu korrigieren usw.



    Hört sich insgesamt so an, als wenn ihr immer eher reagiert darauf, wie sich die situation entwickelt. Besser wäre es, wenn ihr völlig klar macht, so und nicht anders läuft das. IMMER.

    Stimmt, situationsbedingt ... Du hast recht. Für Watson war scheinbar oft nicht klar, wie es nun weitergeht. Obwohl er zu 95% eh keinen Kontakt haben durfte, also dann nicht abgeleint wurde, habe ich immer ein wenig anders reagiert. Da liegt glaube ich der Fehler. Darauf werde ich mich jetzt konzentrieren. Watson ist sehr gelehrig und folgsam - er weiß schnell, was er darf und was nicht ... weil wir da sehr KLAR waren, in manchen Bereichen, die uns extrem wichtig waren. Bei uns liegt zum Beispiel oft was leckeres auf dem Wohnzimmertisch ... auch mal über Nacht. Bisher liegt es am Morgen auch noch da ... obwohl beide Hunde sehr sehr gerne futtern.


    Leider lässt sich das schwer üben, wo es jetzt aktuell die Probleme gibt. Wie geschrieben, in Situationen, in denen ich nicht mit ihm ausweichen bzw. weggehen kann, die vor allem auch überraschend sind. Wie zB in einem Biergarten oder im Wartezimmer des Tierarztes. Da kann ich schlecht weg - vor allem, weil ich ja dann auch noch an dem Auslöser vorbei muss ...


    Also muss ich erstmal ohne Reiz was aufbauen, was dann angewandt wird, wenn ein Fremdhund ums Eck kommt. Konkrete Tipps? Vielleicht ne Futtertube die ich rechtzeitig zücke? Ihn dann aber erst mal kurz darauf warten lasse, bis er wirklich ganz bei mir ist? Ein Stück Fleisch kann ich schlecht laufend mir mir vorsorglich rumtragen. Wenns um Fressen geht, ist er auch recht extrem - vielleicht sollte ich das nutzen? Aber was passiert, wenn die Tube leer ist - es geht mir ja vor allem um Situationen die er lernen muss auszuhalten, WEIL wir ja eben den Ort nicht verlassen wollen/können. Im Sitz und Platz bleibt er nicht zuverlässig mit Hunde-Reiz von außen ....


    Im übrigen darf man sich unsere Freilaufgruppe nicht als wild tobenden Haufen vorstellen, die vor allem raufen und rangeln. Die meisten Hunde agieren gar nicht großartig miteinander sondern nebeneinander. Es läuft meist sehr ruhig ab. Wie ne große Familie die loszieht und nach vorne blickt. Also so amüsant ist es nicht für Winston, er fühlt sich wohl - ja, aber wenn sein Lieblingsspielkamerad mal nicht dabei ist, auch nicht schlimm - mit Charly wird mal kurz gespielt und gerast - okay, aber dann ist schnell gut und jeder zwei wendet sich wieder etwas anderem zu. Er genießt schnüffeln und flitzen ... plantschen und nach dem Dummy schwimmen - wenn ich den Dummy am See zücke, sieht er nix außer mich bzw. jeden der was werfen könnte ... Aber ich versuche das nicht zu übertreiben, weil ich solche "Ball-Junkies" einfach nicht mag. Er soll auch was anderes machen unterwegs ... schnüffeln, traben ... Gebüsche erkunden, was weiß ich ... Und bedrängt wurde er von den anderen Hunden eigentlich noch nie ... ganz im Gegenteil, eher ignoriert und gerne geduldet. Er war der jüngste und mit Welpen und Junghunden haben die meisten erwachsenen Hunde der Gruppe so gar nix am Hut. Haben jetzt aktuell zwei Junghunde mit vier und sechs Monaten dabei ... sogar Watson hat an denen kein Interesse in Form von spielen. Begrüßen ja, aber das wars dann schon. Außerhalb der Gruppe kann ich auch nicht sagen, dass er mal irgendwie bedrängt wurde - ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Aggression daher kommt, dass er sich nicht zu helfen weiß.


    Noch mal danke, ich habe aus allen Beiträgen wichtige Erkenntnisse mitgenommen!

  • Wir arbeiten ja an einer sehr ähnlichen Baustelle. Bei uns ist es klares Frustpöbeln weil ich keinen Kontakt an der Leine zulasse, sie aber gerne abchecken und ggfs. spielen will.
    Ich fand es sehr wichtig zu erfahren ob mein Hund zu den anderen hin möchte (und mit welcher Intention) oder ob sie lieber so weit weg wie möglich will und das Gepöbel auf Grund der unterschrittenen Wohlfühldistanz geschieht.
    Dementsprechend sollten auch die Herangehensweisen unterschiedlich sein. Begegnungen schönfüttern vs. das Ignorieren bzw. Alternativverhalten belohnen.


    Also muss ich erstmal ohne Reiz was aufbauen, was dann angewandt wird, wenn ein Fremdhund ums Eck kommt. Konkrete Tipps? Vielleicht ne Futtertube die ich rechtzeitig zücke? Ihn dann aber erst mal kurz darauf warten lasse, bis er wirklich ganz bei mir ist? Ein Stück Fleisch kann ich schlecht laufend mir mir vorsorglich rumtragen. Wenns um Fressen geht, ist er auch recht extrem - vielleicht sollte ich das nutzen? Aber was passiert, wenn die Tube leer ist - es geht mir ja vor allem um Situationen die er lernen muss auszuhalten, WEIL wir ja eben den Ort nicht verlassen wollen/können. Im Sitz und Platz bleibt er nicht zuverlässig mit Hunde-Reiz von außen ....

    Wäre mein Hund verfressen, dann würde ich das mit der Futtertube ausbauen bzw. versuchen. Es geht ja nicht darum für immer eine Tube dabei zu haben, sondern dem Hund zu zeigen, dass auch ohne Kontaktaufnahme eine Hundbegegnung etwas positives sein kann.
    Also an der Tube vorbeiführen, schauen ob er entspannt ist und ausgiebig loben. Das Loben nach der Begegnung kann auch ohen Tube erfolgen, z.B. durch das nachschnüffeln lassen der anderen Hundespur.
    Voraussetzung dafür ist halt, dass die Futtertube attraktiver ist als als die Hundebegegnung (daher fällt das bei uns leider weg).
    Ich übe das mit Luna gerne nachdem wir in der Hundeschule oder auf der Hundewiese war. Dann ist ihr Bedürfnis an Hundekontakten oftmals recht gut gestillt und wir haben gute Begegnungen an der Leine die ausgiebig gefeiert werden.
    Kleine Erfolgserlebnisse machen bei uns eine Menge aus.

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