Ist Hundeerziehung heutzutage zu verkopft?

  • Meiner Meinung nach gibt es kein Schema.
    Sich aus vielen Methoden, Büchern, Schulen usw. das jeweils Passende für sich herauszusuchen und zu variieren- immer den eigenen Hund und sich selbst im Auge-, dagegen spricht ja nichts.


    Man konnte hier schon manchmal lesen, wie verunsichert besonders Anfänger durch die riesige Menge an Infos per buch, TV, Netz sind...irgendwo in der Mitte liegt vermutlich die Lösung?


    Mit Kopf, Wissen ist wichtig, und mit Bauch.
    Bei mir hat sich die Gewichtung ( in nahezu jeder Hinsicht... ;) ) im Laufe der Jahre vom Kopf zum Bauch hin entwickelt.
    Kann ja jeder nur für sich selbst sprechen.

  • Ich musste gerade etwas grinsen, weil ich gestern beinahe einen ähnlichen Thread aufgemacht habe.


    Ja. Ich finde es ist heutzutage (nicht nur in der Erziehung sondern in der gesamten Haltung) sehr verkopft. Es wird sich selbst in den Stress gedacht, damit den Hund gleich mit verrückt gemacht.


    Je länger ich selber Hunde halte umso weniger "verkopft" gehe ich noch an die Sache heran. Klar, ich habe meine Kommandos die ich immer umsetzen will, weil sie wichtig sind und ich möchte auch nicht, dass meine Madame jagen geht. Aber ich setze keine "Methoden" um. Ich clicker nicht, ich belohne nur bestimmte Dinge, manchmal auch gar nichts. Ich gebe sehr selten Leckerlies für toll gemachte Sachen. Ich belohne Individuell. Nicht aus der Tasche. Herr Hund mag als Belohnung eine kurze Spieleinheit, Frau Hund Körperkontakt oder aber die Freigabe Rennen zu dürfen (Situationsabhängig).


    Wenn ich mit den Beiden Gassi gehe, gibt es selten ein gesprochenes Wort. Poco muss schonmal angesprochen werden, weil er nicht mehr so aufmerksam durch die Gegend läuft wie früher und uns gern mal aus den Augen verliert.


    Aber meine Hunde müssen nicht stramm Fuß neben mir gehen, dürfen auch an der Leine mal vormarschieren (solange sie nicht ziehen) oder hinter mir bleiben. Ich sehe es nicht mehr so eng, wenn gewisse Dinge nicht sofort umgesetzt werden.


    Meine Hündin setzt sich draußen bei nassem Boden nur ungern und Platz macht sie draußen nur mit sehr viel Überzeugung. Also lassen wir's. Gibt für sie draußen eh keinen Grund beides aus Kommando zu machen. :ka:


    Ich entscheide mittlerweile sehr viel aus dem Bauch herraus. Aber um dahin zu kommen, musste ich selbst sehr viel lernen. Ich war anfangs auch sehr verkopft und wollte mit Poco (der mir das auch noch so einfach machte) den perfekten Hund haben. Das hat aber weder mir und schon gar nicht dem Hund gut getan.
    Mittlerweile bin ich froh das wir schweigend draußen die Natur erleben können und er sehr viel auch auf Handzeichen reagiert.


    Ich liebe nichts mehr als wenn er an einer Weggabelung stehen bleibt, sich nach mir umschaut und regelrecht fragt: "Wo lang?" und dann in die gezeigte Richtung weiterzuckelt. Dabei ist es mir auch (je nach Gebiet) egal ob er 10 Meter vor mir läuft, oder 100. Er muss halt nur Kontakt halten.


    Seit ich nicht mehr so verkopft bin, ist das Leben mit den Hunden auch sehr entspannt geworden. Ich mag das so und möchte das auch so bei behalten. Deswegen gibt es bei mir keine Hundeschule oder Erziehungsmethoden. Es wird immer der Situation und dem jeweiligen Hund entsprechend gehandelt. Geht auch mal schief, bin ja auch nicht perfekt, aber es ist kein Weltuntergang.

  • Leider liegt das Bauchgefühl ja bei vielen HH oft daneben. Viele Neu-User hier wollen immer wissen: "Wie stelle ich das ab, wie mache ich, dass jenes aufhört" - also der Gedanke an einschränken, strafen, abgwöhnen scheint immer der erste Gedanke zu sein.


    Da ist ein "verkopfter" Zugang erst mal gut - einfach mal WISSEN erwerben. Dass man gewünschtes Verhalten formen, nicht nur unerwünschtes abstellen sollte usw. Solche "modernen" Ansichten muss man erst mal kennenlernen.


    Andererseits wird dann aber aus dem erworbenen Wissen (frisch Bekehrte sind immer die eifrigesten) dann prompt eine Religion gemacht. "Das muss so" - aber wirklich verstanden wurden Zusammenhänge auch nicht. Wird halt ein neues Schema übergestülpt. Das ist menschliche Faulheit, früher wie heute, der Glaube, man muss nur die richtigen Knöpfchen finden, die fehlende Bereitschaft, bei sich selbst anzusetzen. Das ist nix neues.


    Ich bin ein Kopfmensch, es hilft mir, nachzudenken, ich will verstehen, warum zeigt der Hund dieses oder jenes Verhalten, was ist vorher passiert usw. Noch mehr beim Pferd. Bei beiden durfte ich von großartigen Leuten lernen, die mit Wissen UND Intuition herangehen und selbst ständig dazulernen.


    Eine solche "Verkopfung" wünsche ich mir von vielen viel mehr, bei vielen HH und noch viel mehr bei Reitern fehlt mir das immer noch sehr. Ist aber besser geworden. Und die Unterschiede sind so groß, einen allgemeinen Trend sehe ich da nicht.

  • Ich habe keine Ahnung wie Hundehaltung früher war (hab meinen ersten Hund ja erst vor 5,5 Jahren bekommen). Aus meiner Kindheit kenne ich einige Nachbarshunde und die sind halt mehr oder weniger schlecht mitgelaufen. Gut erzogen waren die wenigsten. Viele durften nie freilaufen. Man hat sich mit irgendwelchen auftretenden Macken einfach arrangiert und fertig.


    Mein Bauchgefühl (das natürlich durch meine früheren Erfahrungen und bis dahin gelesenem und gesehenem geprägt war) hat mir bei Finya anfangs genau gar nichts geholfen. Eher im Gegenteil. Es hat nur dazu geführt, dass wir nach einem halben Jahr schlicht nebeneinander spazieren gegangen sind, völlig ohne Kommunikation, denn sie war garantiert der Meinung, das ich schlicht unfähig wäre. Wahrscheinlich hatte sie Recht.


    Dass sie jetzt so ein toller Hund ist, verdanke ich ausgerechnet einer Trainerin, die mich in die Welt des neumodischen Hundeerziehungsschnickschnacks samt Clicker, Alternativverhalten, Zeigen und Benennen, etc. eingeführt hat. Und ich bin ihr dafür unendlich dankbar, nachdem ich davor 2 Trainerinnen getroffen habe, die nach angeblichem Bauchgefühl und "man muss den Hund nur richtig führen, dann wird das schon" erzogen haben.


    Dieser neumodische Kram war bei Finya goldwert! Und so haben wir beide mit der Zeit gelernt auf den anderen zu hören und zu achten und wieder gemeinsam spazieren zu gehen.
    Natürlich hätte ich auch einfach sagen können, "Ach sie pöbelt halt bei Menschen und Hunden, weich ich denen halt aus. Ist ja egal.", aber was hat der Hund davon? Ein Leben in Stress?
    Natürlich hat sie auch die Klappe gehalten, wenn ich mal wütend war und dementsprechend entschlossen vorne weg geschritten bin. Sie war eingeschüchtert und ein eingeschüchterter Hund hält sich logischerweise im Hintergrund. Das ist nichts was ich für ihren Alltag möchte. Ich möchte, dass sie entspannt an Hunden und Menschen vorbei gehen kann ohne in Panik zu verfallen und das kann sie nach langem positiven Training mit Clicker, Markerwort, Leckerli und Alternativverhalten.


    Ich bin stolz auf die tolle Beziehung, die Finya und ich haben. Natürlich ist die zu einem Teil auf Bauchgefühl begründet, aber das habe ich erst durch viel Lesen, Anschauen und Ausprobieren entwickelt und war nicht von vornherein vorhanden.
    Ich bin leider nicht mit Hunden aufgewachsen, dafür mit Katzen und die kann ich tatsächlich aus dem Bauch heraus sehr gut lesen, weil es für mich völlig natürlich ist. Das ist seit frühester Kindheit erlerntes Verhalten.


    Hätte ich als Ersthund einen einfachen Hund ohne zig Probleme gehabt, vielleicht hätte es auch mit meinem ursprünglich vorhandenen Bauchgefühl geklappt? Möglicherweise. Möglicherweise aber auch nicht.
    Ich möchte es gar nicht wissen. Ich bin mit meinem neuen Bauchgefühl sehr zufrieden und komme damit mit beiden sehr gut klar. Nur das zählt für mich.

  • Zitat

    Leider liegt das Bauchgefühl ja bei vielen HH oft daneben. Viele Neu-User hier wollen immer wissen: "Wie stelle ich das ab, wie mache ich, dass jenes aufhört" - also der Gedanke an einschränken, strafen, abgwöhnen scheint immer der erste Gedanke zu sein.


    Ich finde dieses Bauchgefühl samt dazugehöriger Gedanken nicht immer verkehrt.
    Manchen Hunden hätte es sicher gut getan, wenn sie in bestimmten Situationen eingeschränkt oder bestraft worden wären und es wären manche Probleme erst gar nicht entstanden.

  • Grunderziehung muss sein.


    Tricks hat meiner nur gelernt :???: , damit ich ihn beschäftigen konnte. Ob perfekt oder von ihm abgewandelt war mir immer egal.


    Ich habe festgestellt, dass ich meinen Hund 100000x auffordern kann sich in Bewegung zu setzen und alles viel zähflüssiger läuft, als wenn ich ihn in Ruhe seinen Weg schnüffeln lasse.


    Es läuft besser, wenn ich ihn still begleite. Dann bekomme ich erheblich öfter einen Blickkontakt. Und, wenn es "ernst" wird, dann ist er gehorsam.


    Es wird einfach oft zuviel vom Hund erwartet/verlangt.

  • Ich finds irgendwie interessant, daß viele Bauchgefühl mit Gewalt verbinden und mit reiner Unwissenheit. Und vielleicht
    schütteln wir ja in 30 Jahren den Kopf über den Umgang mit Hunden genauso wie heute der Kopf geschüttelt wird über den Umgang
    vor 30 Jahren.


    Und dennoch sind es die Leute heute, die von den Erfahrungen, Fehlern und Erfolgen der damaligen Hundehalter profitieren :)

  • Aber liegt das Bauchgefühl den oft so daneben, oder wird es einem vom Umfeld so suggeriert?


    Allein hier im Forum gibt es ja so unterschiedliche Herrangehensweisen in Sachen Erziehung und sehr häufig kommt es in Zuge dessen schon zu zum Teil heftigen Diskussionen was denn nun richtig ist. Ein Neuling, der sich gerade einen Hund angeschafft hat, wird von so etwas sicher auch erschlagen. Er muss erst seine eigenen Erfahrungen machen, bevor er einen Weg einschlagen kann.


    Oder aber er geht in eine Hundeschule. Wenn er Glück hat, erwischt er eine Gute. Wenn er Pech hat, erzieht er seinen Hund nach Schema F. Das kann gut gehen, aber auch in die Hose.


    Da erinnere ich mich immer daran, als ich das Paulchen neu hatte. Kleine Welpe auf dem Weg zum Junghund und lernte innerhalb weniger Stunden den Rückruf. Nachbarin mit ihrer Hündin hatte es nach Monaten in der Hundeschule noch nicht hin bekommen und verstand es nicht. Aber anstatt dann auch einen anderen Weg einzuschlagen, wurde Schema F immer weiter versucht.


    Aber sie war in der Hundeschule also muss es doch so klappen.


    Immer wieder wurde ich (als Poco noch jung war, sollte mir zu denken geben) ungläubig angeschaut, wenn ich negativ auf die Frage nach Hundeschule geantwortet habe. Als wäre es heutzutage eine Unmöglichkeit einen Hund ohne Hundeschule so zu erziehen, dass der Alltag klappt. Ich denke da setzt die "Verkopfung" irgendwo ein, aber auch aus. Die Menschen neigen immer mehr dazu, einfache Dinge von anderen vorgekaut zu bekommen.


    Merkt man hier im Forum auch immer wieder. Da wird sich gewundert, warum ein Hund den Rückruf nicht automatisch eingebaut mitgeliefert bekommt und das Forum soll es dann möglichst genau erklären wie es geht.


    Auf der einen Seite soll der Hund in manchen Erziehungsmethoden sich seinen Weg selbst erarbeiten, auf der anderen Seite sind manche Hundehalter selbst dazu nicht mehr in der Lage. :D

  • Ehrlich gesagt bin ich froh, eine Hundeschule besucht zu haben anstatt auf die Infos vom Umfeld zu hören. Denn dann hätte ich mit meinem Hütehund bereits im Welpenalter ein Beschäftigungspensum jenseits von Gut und Böse gehabt. Und was da sonst noch für kurioses Halbwissen rumschwirrt - nun ja.


    Ich finde, gerade für Neuhalter, die nichts oder nur wenig bisher mit Hunden zu tun hatten, eine grobe Führung in Form von Büchern, Hundeschule oder eben auch einem Forum wie hier richtig und wichtig. Einfach, damit man noch Möglichkeiten aufgezeigt bekommt, die jenseits vom eigenen Bauchgefühl sind. Das wichtige ist dabei, eben nicht bei Schema F zu bleiben, sondern seinen Hund zu beobachten, sich selber beobachten, und dann entscheiden, was funktioniert und was nicht. Eben dieses Wissen und dieses Ausprobieren wird dann über die Zeit zum "Bauchgefühl", aber vorher braucht es halt Erfahrungswerte. Und je mehr man weiß, umso weniger muss man rumprobieren und kommt eventuell schneller zu seinem Weg.

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