"psychogenes Trinken"

  • Hallo zusammen,


    Unser Terriermix aus dem TS, 9 kg schwer, der täglich zwischen 1,5 und 2,5 liter Wasser trinkt und entsprechend oft pinkeln muss, wurde nun tierärztlich auf den Kopf gestellt (Urinuntersuchung im Labor, großes Blutbild, Abdomen-US) ohne Befund. Der TA stellte nun die Diagnose "psychogenes Trinken", weil er insgesamt stark gestresst ist, schlecht runterfährt und viel Angst hat. Ansonsten ist er, rein körperlich, fit und agil.
    Das Trinkverhalten passt auch dazu. Er dreht, wenn er unruhig wird, seine Runden durch die Wohnung und nimmt immer wieder ein paar Schlucke Wasser zu sich, wenn er am Napf vorbeikommt. Er hat extreme Trennungsangst, pinkelt sofort in die Wohnung, wenn ich selbst sie verlasse (alleine ist er bisher nie - wenn, dann ist immer mein Mann da). Über seine Vorgeschichte wissen wir wenig - er wurde im Keller gehalten, bevor er ins Tierheim kam, er ist zwischen zwei und vier Jahren alt.
    Der TA mente, dem beizukommen, sei unheumlich schwer und selten erfolgversprechend, weil man den Stressauslöser nur schwer bestimmen kann, weil das Urinieren in der Wohnung nicht adäquat beantwortet werden kann: ignorieren würde bedeuten: egal, jede noch so wnzige Reaktion verursacht Stress, denn der Hund merkt tatsächlich selber, dass etwas nicht gut gelaufen ist. Wenn er mal wieder einen See hinterlassenn hat, dann läuft er den Rest des Tages geduckt durch die Gegend. Wir vermuten, dass er geschlagen und viel angeschrien wurde.
    Ich hatte schon einige psychisch auffällige Hunde aus dem TS, aber noch nie einen, der seinen Stress durch Trinken abzubauen versuchte und dieses Verhalten sich offenbar gefestigt hat.


    Deshalb mal meine Frage an die versammelte DF-Gemeinde, ob jemand damit Erfahrungen gemacht hat? Und vielleicht erzählen kann, wie sich das ganze entwickelt hat? Welche Chancen es gibt, mit welcher Vorgehensweise auch immer man am Problem arbeiten könnte?


    Liebe Grüße!
    Birgitta

    • Neu

    Hi


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    • pinkeln und trinken kann ein gut verstärktes verhalten sein, welches der hund zeigt bei stress. zb. war der hund einmal sehr gestresst, musste dann pinkeln. der eigengeruch des urins hat zu einer beruhigung geführt, nun hat sich diese strategie erhalten. das kann wohl auch beim trinken funktionieren.


      ich denke da muss man irgendwie die stressoren umgehen. ist der hund überbeschäftigt und was genau macht ihm derart sorgen? sind eventuell die spaziergänge zu lange?

    • Nein - er kam schon so gestresst und mit entsprechendem Verhalten hier an. Er ist jetzt seit zehn Wochen bei uns. Nicht allzu lange, aber für eine Übergangserscheinung doch zu lang.

    • Ich finde es nicht unnormal, dass ein Hund mehr Durst hat, wenn er den ganzen Tag "unter Strom" steht und nie für längere Zeit zur Ruhe kommt. Dementsprechend oft muss er dann natürlich pinkeln.
      Ich denke, wenn man den Stresspegel herunterfahren kann, dann erledigt sich das viele Trinken und damit verbundenen Pinkeln von selbst.
      Das Herunterfahren des Stresspegels wird m.E. das größte Problem sein.
      Ich habe keine Erfahrung mit solchen Hunden, würde aber intuitiv diesen Hund die nächste Zeit mal komplett ignorieren und ihn alle 1-2 Stunden ohne großes Tamtam zum Lösen rausbringen, kein Gassigehen, sondern einfach nur kurz Lösen.
      Drinnen würde ich ihm in jedem Raum in dem er sich aufhalten darf eine Box hinstellen in die er sich bei Bedarf zurückziehen kann.
      Ich denke, je mehr man versucht auf den Hund einzugehen, desto stressiger wird das für so einen unsicheren/ängstlichen Hund. Ich glaube, dass man da mit Ignorieren gut weiterkommen könnte, weil er dadurch selbst entscheiden kann in welchen Situationen er dabei sein möchte und in welchen Situationen er sich zurückziehen möchte.


      Wie schon erwähnt, ich habe keine Ahnung von solchen Hunden, das war jetzt nur das, was ich denke, dass es richtig sein könnte.

    • Seit wann ist denn der Kerle nun bei Euch? Edit, hat sich überschnitten.
      Waren Erkrankungen wie Diabetes Insipidus, M. Addison und Co auch bei der Untersuchung dabei?


      Ich würde versuchen, das mehrgleisig anzugehen - zum einen über allgemein stressmindernde Maßnahmen wie einem ruhigen ritualisiertem Tagesablauf, von der Anwendung von entspannenden Ergänzungsfuttermitteln oder z. B. Adaptil, Entspannungssignale ritualisieren und zum anderen darüber, ggf. vorübergehend einen "legalen" Pinkelort anzubieten, denn auf Pieseln in der Wohnung gar nicht zu reagieren, ist nur schwer machbar, man muss es ja i-wie sauber machen. Um da den "Druck" rauszunehmen wäre vllt. tatsächlich mal ein Indoor-Klo angemessen.


      Aus meiner heutigen Sicht würde ich bei solchen Hunden sehr früh mit einem Fach TA für Verhaltenskunde zusammenarbeiten, um einen "Gesamtmanagement-Plan" für den Hund aufzustellen.


      LG, Chris

    • falls es mit ruhiger umgebung und enorm kurzen spaziergängen nicht funktioniert, wäre auch möglich, medikamentös etwas zu machen. ich denke zb. an serotonin- wiederaufnahmehemmer, l-theanin oder ähnliches.

    • Erziehungstipps von Tierärzten... also soweit ich weiß, funktioniert Ignorieren hervorragend. Man könnte damit vielleicht den Kreislauf von Unsicherheit durch genervte Halter, zu viel Trinken, wieder Reinpinkeln unterbrechen und man bastelt ja gleichzeitig daran, dass der Hund ein gutes Gefühl mit Draußen-Pinkeln verknüpft (mit welcher Belohnung auch immer man bei dem kleinen Stresshund arbeiten kann, das weiß ich nicht, ob es da was gibt.)
      Nach eurem Tagesablauf wurde ja schon gefragt. Vielleicht müsst ihr den Hund sogar abgeben, falls ihr nicht genug Routine und Ruhe bieten könnt. Wenn da das Maximum an Ruhe rausgeholt wurde und der Hund weiterhin wochenlang nur rumtigert und nicht zur Ruhe kommt, würde ich über Futterzusammensetzung, Adaptil, Nahrungsergänzungen oder sogar Medikamente nachdenken.

    • Spaziergänge sind momentan sehr kurz und an der Leine, also etwa 15 Minuten, dazwischen immer mal die 5 Minuten raus zum einfach nur Lösen. Wir hatten schon einen Versuch mit Zylkene, das hat überhaupt nichts verändert, jetzt soll er mal für eine Weil das astoral Sedarom bekommen. "Echte" Psychopharmaka möchte ich eigentlich noch nicht geben.
      Der Tagesablauf ist bei uns eigentlich immer der Gleiche: Aufstehen, Pipi-Machen, Frühstück, Kind in den KiGa bringen, kurze Runde gehen, ruhen (wenns denn klappt - wenn ich am PC sitze und arbeite dann geht es, stehe ich auf, um Kaffe zu holen, Wäsche zu waschen oder...oder..., dann fängt er ebenfalls an, seine Runden zu drehen.). Mittags Kind abholen (zu Fuß, hin und zurück etwa 15 Minuten), dann Pause (bis auf das dringende Rausmüssen etwa alle 2 Stunden), dann nochmals ein kleine Runde gegen 16-17 Uhr. Abendessen, raus zum Lösen, Kind ins Bett bringen, gegen 22-23 Uhr letztes Pipi-Machen, Betti-gehen... Die Nacht hält der kleine Mann übrigens sehr gut durch.
      Einen TA, der auf Verhaltensprobleme spezialisiert ist, versuche ich gerade, zu finden. Es gibt wohl nicht sehr viele gute...


      edit: @anfängerinAlina : an Routine im Alltag mangelt es hier nicht. Ruhe ist den halben Tag auf jeden Fall gegeben, wenn unser Sohn da ist, kanns natürlich auch mal unruhiger zugehen.
      Deinen Hinweis auf den Erziehungstip vom TA (der noch nicht einmal einer war) finde ich ein bisschen von oben herab, ganz ehrlich. Du kennst den Tierarzt doch gar nicht? Was willst Du also damit bezwecken?

    • Ich würde wahrscheinlich mal die Gassigänge weglassen, ich denke, er hat genug zu tun mit dem Rest des Tages, denn ständig Leute (und dazu auch noch ein Kleinkind) um sich herum ist für so einen Hund, der vorher nur einen Keller kannte, genug Stress. Da würde ich ihm nicht auch noch den Stress eines Gassiganges zumuten.
      Und das mit den Boxen würde ich ausprobieren. Man kann ja auch erstmal 1 Stuhl hinstellen und eine Decke drüberhängen, sodass er einen dunklen Rückzugsort hat.

    • Erziehungstipps von Tierärzten...

      Meinst Du da "meine" Fach-TÄ für Verhaltenskunde?


      Wenn ja - das hat in so einem Fall weniger mit Erziehungstipps zu tun, als mit einem tatsächlichen Gesamtkonzept aus Verhaltensberatung, auf den Hund angepasste Fütterung, die sehr viel bewirken kann, auf das Ritualisieren von Entspannungsmomenten und ggf. auch auf die Anwendung von Ergänzungsfuttermitteln oder Medikamenten.


      Eine Liste von FachTÄ für Verhaltenskunde gibt es hier: GTVMT – Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie


      LG, Chris

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