Aggressives Verhalten durch Schlafmangel?

  • Hallo Leute,


    wir haben ein Problem mit unserem Cairn-Terrier-Welpen. Er ist jetzt 15 Wochen alt und kam mit 10 Wochen zu uns. Um es kurz zu fassen: Er beißt und macht in der Wohnung alles kaputt, was ihm in die Quere kommt (Möbel, Kabel, Einrichtungsgegenstände...). Ich schreibe bewusst "beißen" und nicht "zwicken" oder "schnappen", weil die Intensität so ist, dass es gern auch blutet, und ich aus Erfahrung mit anderen Welpen sagen kann, dass es schon eine andere Nummer ist als das mir von dort bekannte Zwicken. Mittlerweile habe ich den Eindruck, er hat nur noch Interesse am Beißen. Etwas Anderes macht er kaum noch - es sei denn, er hängt in der Küche rum und wartet aufs Fressen. Er beißt jetzt nicht mehr nur, wenn das Spiel zu wild wird, sondern auch einfach so. Ich liege auf der Couch, stelle meinen Fuß auf den Boden: Zack, der Hund ist da und beißt. Ich laufe durch den Flur: Der Hund ist da und beißt sich in meinen Klamotten fest. Ich komme aus dem Badezimmer: Der Hund beißt mir in den Fuß. Ich will den Hund streicheln: Er beißt mir in die Hand. Ich sage "Aus!" und setze seine Vorderbeine auf den Boden, wenn er am Tisch hochspringt oder unsere Möbel annagt: Er beißt.


    Wir haben alles Mögliche versucht (hohes "Aua!", Spielabbruch und ignorieren, Auszeit), aber bisher hat nichts wirklich geholfen und er macht weiter wie vorher. Ausnahme ist, wenn man die Auszeit länger als drei, vier Minuten macht. Dann wird er entweder ruhig oder randaliert im Flur. Leider dauert es im ersten Fall dann meistens nur wenige Minuten und er beißt erneut.


    Uns ist allerdings aufgefallen, dass er recht wenig schläft. Nachts funktioniert das zwar ganz gut (zumindest verhält er sich dann relativ ruhig und macht nichts kaputt), aber tagsüber schläft er zusammengerechnet nicht mehr als zwei bis drei Stunden. Wenn er sich dann doch mal hinlegt und döst, ist er sofort wieder wach, wenn sich jemand bewegt. Er schläft nachts in seiner Transportbox. Auch wenn wir die über Tag ins Wohnzimmer stellen, schläft er darin nicht lange. Wir haben - um ihm quasi Ruhe zu verordnen - zwischendurch mal das Gitter geschlossen. Er hat dann für eine Minute gewinselt, sich dann aber hingelegt und geschlafen - hat eigentlich ganz gut geklappt. Inzwischen ist es aber so, dass er auch in seiner Box tagsüber nicht mehr schlafen will, sondern wachbleibt und winselt. Also irgendwie klappt es nicht, ihn zur Ruhe zu bringen. Das ist inzwischen sehr nervenaufreibend, weil wir permanent damit beschäftig sind, entweder uns oder unsere Einrichtung (dabei haben wir schon alles, was irgendwie zu retten ist, weggeräumt). zu retten.


    Ich würde gerne von euch wissen, a) was ihr von meiner Hypothese, dass das Verhalten von Schlafmangel begünstigt wird, haltet und außerdem, b) was ihr tun würdet, um dem Hund seinen Schlaf zu ermöglichen. Aber ich bin auch offen für alle weiteren Hinweise zum Thema.


    Kurz zum Tagesablauf/Umgebung: Wir haben eine große Wohnung mit kleinem umzäunten Garten. Er kann sich (Ausnahme: Schlaf- und Badezimmer) frei bewegen und meistens auch in den Garten gehen (was er auch gern macht). Er hält sich in der Regel dort auf, wo wir uns aufhalten, ist aber auch sehr selbstständig, wenn er gerade Lust hat, in im anderen Zimmer an Möbeln zu nagen. Er kann sein Geschäft im Garten machen, zusätzlich gehen wir aktuell ein Mal pro Tag für etwa 15-20 Minuten mit ihm spazieren (kein Gewaltmarsch, sondern viel Rumschnüffeln und neue Dinge sehen).


    Achja: Ich schreibe zwar von "ihm" (wegen DER Hund), aber es handelt sich um eine Hündin - ich muss mir das abgewöhnen.


    Liebe Grüße
    Anna

  • Ja, klar kann Schlafmangel das Verhalten auslösen. Dazu findest du im Netz sicherlich reichlich Artikel drüber.


    Ruhen und Schlafen müsste er eigentlich um die 20 Stunden pro Tag.


    Und wer selbst keine Ruhe findet, muss halt dazu gezwungen werden.


    Ich würde den Alltag klar strukturieren, das freie bewegen in Haus und Garten sehr stark begrenzen, dem Hund ausreichend Kaumaterial anbieten und erst mal nur zum Lösen und kleiner Gänge raus plus vielleicht eine kleine Konzentrationsaufgabe, wo der Hund mental ein bisschen angesprochen wird.


    Das Beißen wird nicht nur mit Schlafmangel im Zusammenhang stehen, sondern hat auch etwas damit zu tun, dass jeder Welpe eine Beißhemmung erst lernen muss (wie gehe ich mit Menschenhaut um) und zusätzlich seine Umgebung erst mal mit den Zähnen erforscht. Zahnwechsel kann auch anstehen.
    Hier wäre es einfach wichtig, nicht nur dem Hund etwas verbieten zu wollen, sondern, da wo ich was verbiete auch eine Alternative anzubieten. Also Stuhlbein anfressen nein, Kauknochen kauen ja. Ohne Alternative weiß der Hund ja nicht, was aus eurer Sicht erwünschtes Verhalten ist bzw. er steht mit seinem Bedürfnis, auf etwas rum kauen zu müssen, genauso da wie vorher. Wird das Bedürfnis nicht umgelenkt und befriedigt, kommt Frust auf.


    Kauartikel sind einfach wichtig und das Kauen hilft dem Hund sogar, runter zu kommen und zu entspannen.

  • Wenn er überdreht, kannst du ihn kommentarlos im Haus anleinen. Bei uns war das der massive Wohnzimmertisch. Körbchen daneben, fertig. Da wurde anfangs auch gemotzt, aber irgendwann wurde unsere Hündin insgesamt viel ruhiger.

  • ich sehe das wie gorgeous. ich würde das zugängliche areal des welpen massiv verkleinern. nicht einsperren natürlich, sondern einfach zimmer schliessen, garten nicht andauernd zugänglich halten usw... wenn man bedenkt dass erwachsene hunde 18-21 stunden schlafen, dann sollte der welpe sicher auch so viel ruhe haben.


    ich würde generell auf den frust achten, der ist bei welpen ein grosses thema. plötzlicher spielabbruch und auszeit können für einen welpen schon frustration erzeugen. daher lieber drosseln und langsam zur ruhe kommen. anleinen und in box sperren kann auch sehr schnell frustration aufbauen.


    wie gorgeous schon gesagt hat, alternativen geben ist das wichtigste. nicht einfach aus und fertig.

  • Ich würde gerne von euch wissen, a) was ihr von meiner Hypothese, dass das Verhalten von Schlafmangel begünstigt wird, haltet und außerdem,

    Aus eigener Erfahrung: JA!!
    Meine war als Welpe unausstehlich, wenn sie nicht genug Schlaf hatte. ;) Keine Geduld, extrem niedrige Reizschwelle und ihre Reaktion war meistens völlig unverhältnismäßig. Haben wir immer dann zu spüren bekommen, wenn wir nicht zuhause, sondern zB das Wochenende bei meinen Eltern waren. Dort wars einfach zu spannend. Kaputt gemacht hat sie zum Glück nichts. Aber sie dafür hatte sie den Ruf ein schlechterzogener, bissiger Welpe zu sein.


    Zitat

    b) was ihr tun würdet, um dem Hund seinen Schlaf zu ermöglichen. Aber ich bin auch offen für alle weiteren Hinweise zum Thema.

    Vielleicht indem du den Raum begrenzt und so die Reize verringerst. Dass sie sich eben nicht mehr selbstständig frei bewegen kann, sondern die Türen auch mal zu sind.


    Ansonsten Beschäftigungen wählen, die den Hund nicht noch mehr aufdrehen und ihn vom Kopf her müde machen. Nasenspiele zum Beispiel. Bei uns gibt es aus diesem Grund zB keine Ballspiele mehr, weil sie da völlig hochdreht.

  • Erstmal Glückwunsch zum Cairn Terrier - die sind hier im Forum noch unterrepräsentiert, finde ich. ;)

    Und wer selbst keine Ruhe findet, muss halt dazu gezwungen werden.

    Zur Ruhe "zwingen" klingt immer etwas fies, aber langfristig tut man so einem Tierchen schon eher einen Gefallen, wenn man es nicht den ganzen Tag die Bude auf den Kopf stellen lässt. Ausgeschlafen lernt und lebt es sich besser.


    Viele Hunde müssen das Ruhe halten wirklich erst lernen - ich habe hier auch so ein Cairn-Exemplar (dessen Spitzname die ersten Monate übrigens "Schnappratti" war), der, wenn er nicht Ruhezeiten verordnet bekommen hätte, auch von früh bis spät durch die Gegend getobt wäre.


    Geholfen hat die Box - da gab's einen Kong und/oder was zu Kauen rein und darüber ist er dann oft weggepennt. Am Besten funktioniert das, wenn man sich gleichzeitig daneben haut und auch Ruhe hält - bei mir ging das gut, weil Welpi ziemlich bald mit ins Büro gekommen ist und Mensch am Schreibtisch ja ziemlich unspektakulär ist.


    Heute habe ich drinnen einen ziemlich entspannten Hund. Die Boxen aus der Welpenzeit gibt es immer noch, sie stehen offen rum, da er sie als Höhlen und Rückzugsort liebt.

  • Ich möchte mich noch herzlich für eure Ratschläge bedanken! Das hätte ich schon vorher tun sollen, aber um ehrlich zu sein, war ich in den letzten Wochen oft so fertig mit den Nerven, dass ich es einfach nicht geschafft habe.


    Ich möchte kurz schreiben, wie sich das Ganze entwickelt hat. Inzwischen ist sie fünf Monate alt und im Großen und Ganzen ruhiger geworden, aber so ganz einfach ist es noch nicht. Nach euren Tipps habe ich angefangen, dem Hund Ruhezeiten zu verordnen und den Bewegungsfreiraum etwas einzuschränken. Unsere Tage sehen jetzt ungefähr so aus:


    06 Uhr aufstehen. Hund verhält sich ruhig und wartet, bis es ca. 30 Minuten später nach draußen geht. Wir gehen dann etwa 25 Minuten spazieren. Danach gibt es Futter.


    Um ca. 8 Uhr geht es wieder antandslos in die Box. Ich schließe die Tür, weil sie sonst dauernd wieder aufsteht und nicht zur Ruhe kommt. Um 11 Uhr ist sie dann wieder wach und darf raus. Als erstes geht es zum Lösen kurz nach draußen.


    Zwischen 11 und 13 Uhr stehen Dinge an wie Kochen und Aufräumen in der Küche. Etwa beim Spülmaschinenausräumen übe ich öfters mal Platz und Bleib. Der Hund beschäftigt sich in dieser Zeit auch teils selbst mit Spielzeug/Kaumaterial und ist meist ganz entspannt.


    Von 13 bis 16 Uhr ist danach wieder Schlafen in der Box angesagt.


    Ab 16 Uhr: Wenn danach dann allerdings mein Freund nach Hause kommt, gehen die Probleme los. Die Wiedersehensfreude ist natürlich riesig und der hund dreht dann leider sehr schnell auf, geht über Stühle und Bänke, zerfetzt, was sie so finden kann und hat sich ein Spiel daraus gemacht, aufs Sofa zu springen und nach der Person, die gerade draufsitzt, zu schnappen. In dieser Zeit läuft sie fast nur mit geöffnetem Maul rum und schnappt z.B., wenn man sie streicheln will o.ä. Ich habe den Eindruck, wenn sie sich freut oder einfach so aufdreht, dann vergisst sie alles zum Thema Beißhemmung und auch sonst alles, was in den ruhigen Phasen super klappt. Abendessen ist sehr schwierig, weil der Hund an den Tisch kommt und uns das Essen runterholt. Das sind Dinge, die wir natürlich konsequent durch "Aus" und Runtersetzen unterbinden, es hatte aber keinen Erfolg. Nachdem sie einige Male mit Wucht aufs Sofa und über die Lehne hinweg wieder auf den Boden sprang, haben wir dann irgendwann einen Welpenauslauf fürs Zimmer geholt - einerseits aus Selbstschutz für den Hund und auch weil wir einfach nicht stundenlang hinter ihr herlaufen und sie von Dingen abhalten können. Beim Abendessen oder wenn sie zu sehr aufdrehte, kam sie dann darein und bekam Kaumaterial. Leider hilft das nicht wirklich, weil sie darin öfters mal anfängt, ihren Schwanz zu jagen. Um überschüssige Energie loszuwerden? Außerhalb des Hauses macht sie das nie.


    In dieser Zeit ist es sehr schwierig, sie zu beruhigen. Sie auf den Arm nehmen, hat früher ganz gut geklappt, heute schnappt sie aber auch gern, um wieder runtergelassen zu werden.


    Manchmal wird sie nach ca. einer Stunde auch von allein ruhig, meistens tigert sie aber den ganzen Abend umher, wobei man ihr dann regelrecht ansieht, wenn sie wieder eine neue Idee hat und etwas anstellt. Sie hechelt dann auch sehr viel.


    Abends geht es dann nochmal für ca. 25 Minuten spazieren.


    Wir waren beim Tierarzt, der die Analdrüsen geleert hat. Ich meine, das Schwanzjagen ist danach etwas besser geworden, aber wenn sie aufgedreht ist, macht sie es immer noch. ich habe auch das Gefühl, dass es manchmal Langeweile ist. An Tagen, an denen mal etwas mehr ansteht und der Hund häufiger mal mit uns unterwegs und nachher müde ist, ist alles super und er der liebste Hund der Welt. Sie macht dann nichts kaputt, verhält sich lieb und ruhig, hat nichts dagegen, mal gestreichelt zu werden und jagt auch nicht den Schwanz. Aber so viel Action ist ja für junge Hunde auch nicht gut, lese ich immer.


    Habt ihr Ideen, wie man sie aus diesen aufgedrehten Phasen rausholen kann? Auszeit klappt nicht wegen Schwanzjagen, auf den Arm nehmen ist schwierig, weil sie schnappt. Kleine Gehorsamsübungen mit Leckerchen klappen ganz gut, aber wenn wir damit aufhören geht es meist weiter wie vorher.


    Ich würde mich erneut sehr über Hinweise, Meinungen und Tipps freuen!


    Liebe Grüße
    Anna

  • Hallo,


    hmm, das mit dem Schwanz hinterherlaufen hört sich schon nach einem ritualisierten Verhalten an. Kann es sein, dass sie gelernt hat, dass sie Aufmerksamkeit bekommt, sobald sie das macht? :/


    Eure Tagesstruktur finde ich sehr gut - jedoch würde ich irgendwo bevor dein Mann nach Hause kommt ein bisschen Kopfarbeit einbauen! Wie wär's mit kleinen Tricks erlernen? Oder so etwas wie SniffleDog?

  • Leider hilft das nicht wirklich, weil sie darin öfters mal anfängt, ihren Schwanz zu jagen. Um überschüssige Energie loszuwerden?

    Das glaube ich nicht. Such mal nach Tipps, wie du den Welpenauslauf mit Entspannung verknüpfen kannst, denn ihr geht es dadrin offensichtlich sehr schlecht.


    Darf sie sich mittags gar nicht lösen oder habe ich das überlesen?

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