Der Gassifrust und der Jagdtrieb

  • Hallo ihr Lieben,


    grade angemeldet komm ich direkt mit einem Anliegen an euch - auch nicht die feine englische Art :p


    Ich erkläre am besten erstmal die Situation:
    Vor etwas mehr als 4 Wochen habe ich einen kleinen bosnischen Stinker bei mir aufgenommen, bei dem nach wenigen Tagen klar war, dass er für immer bleiben wird. :pfeif:
    Er ist ein toller Hund, lernt sehr sehr schnell, ist mit seinen 1,5 Jahren allerdings auch noch entsprechend wuselig und handelt gern mal nach dem "Kopf durch die Wand"-Prinzip.
    Aber selbst das stellt kein Problem dar. Er ist mittlerweile ein selbstbewusster kleiner Kerl geworden, zu Hause eine Mischung aus selbstständig und anhänglich, bleibt gerne schon 2 Stunden allein, er kommt super gerne mit auf die Arbeit, ist verträglich mit allem und jedem (manchmal zuuuu verträglich, aber das ist ein anderes Thema).
    Wir haben direkt in der ersten Woche ganz sanft mit dem Clickern angefangen, dabei kann er sich trotz aller hibbeligkeit gut konzentrieren und macht das auch gerne.
    Draußen haben wir noch keinen Versuch ohne Leine in freier Wildbahn gestartet, auf dem Hundeplatz lässt er sich allerdings gut mit der Pfeife ranrufen.


    An der Leinenführigkeit arbeiten wir momentan, und unter Idealbedingungen klappt es in 90% der Zeit vorbildlich. Gelernt haben wir das mit Hund zieht - Richtungswechsel - wenn er neben mir läuft Click & Leckerchen. Soweit sogut. Wenn da das Wörtchen wenn nicht wäre...
    Sobald er nämlich draußen irgendwo einen Hasen/Eichhörnchen/sich verdächtig bewegendes Blatt sieht hängt er in der Leine und kann sich garnicht mehr beruhigen.
    Ich bin dann natürlich komplett ausgeblendet und kann machen was ich will, der Hund kriegt sich nicht ein und zieht und zerrt und jault und dreht sich im Kreis (sowohl am HB als auch am Geschirr).
    Mit meinem üblichen Richtungswechsel brauch ich ihm da natürlich garnicht zu kommen, egal in welche Richtung ich gehe wird gezogen und gezergelt bis zum geht nichtmehr.
    Einfach weitergehen ist dabei ja irgendwie auch keine alternative wenn er dann zieht wie ein Berserker, zurückgehen auch nicht, auch da zieht er dann. Wahrscheinlich könnte ich gen Himmel fahren und er würde trotzdem noch ziehen.
    Und der in der Überschrift genannte Gassifrust rührt genau daher: Egal, wo wir danach hingelangen, er kriegt sich nichtmehr ein bis wir wieder zu Hause sind.
    Da ist dann wirklich jedes raschelnde Blatt oder jeder vorbeigehende Mensch ein potentielles Jagdobjekt. Nochmal zur Anmerkung: Solange er kein Wildtier gesehen hat macht er sowas garnicht, geht auf jeden freudig zu etc.
    Dadurch, dass er garnicht mehr auf mich reagiert (an der Schleppleine dann auch nicht auf Pfeife etc.) bleibt da ein Trainingserfolg komplett aus. Obwohl er der verfressenste Hund ist könnte ich ihn wohl mit Fleischwurst bewerfen, er würde es nichtmal bemerken.
    Das macht mich echt fuchsig, grade deshalb, weil sonst alles ganz schön funktioniert und man bei den kleinen Problemchen die es gibt stetigen Fortschritt machen.


    Nur bei diesem Thema hab ich irgendwie keinen richtigen Ansatz.
    Ich hoffe andere (Ex-)Leidgeplagte können mir da weiterhelfen...


    Liebste Grüße,


    Lisa

  • Ich bin dann natürlich komplett ausgeblendet und kann machen was ich will, der Hund kriegt sich nicht ein und zieht und zerrt und jault und dreht sich im Kreis (sowohl am HB als auch am Geschirr).

    Völlig normal. Der Trieb ist vordergründig und alles andere ist dem Hund in dem Moment egal. Jegliche Bindung die er mit dem Menschen hat oder auch sämtliches Futter: Das Hirn knallt durch und braucht bis es wieder online geht. :D Ich kenne das von meiner Hündin.



    Mit meinem üblichen Richtungswechsel brauch ich ihm da natürlich garnicht zu kommen, egal in welche Richtung ich gehe wird gezogen und gezergelt bis zum geht nichtmehr.
    Einfach weitergehen ist dabei ja irgendwie auch keine alternative wenn er dann zieht wie ein Berserker, zurückgehen auch nicht, auch da zieht er dann.

    Und da kommt die Zeit ins Spiel: Du hast gemerkt das die Maßnahmen nicht funktionieren. Also lass es. Der Hund ist gesichert (wenn er extrem in der Leine hängt, würde ich ihn wohl eher mit Geschirr sichern) und dann soll er glooooootzen so viel er will. Sein Hirn muss erst wieder online gehen, erst DANN ist er überhaupt in der Lage wieder was zu lernen.



    Nur bei diesem Thema hab ich irgendwie keinen richtigen Ansatz.

    Mein Ansatz, der bei meiner Hündin (die aus Futterbeschaffungsmaßnahmen so spitz auf Wild war) geholfen hat und sicher kein Patentrezept ist, aber man kann es probieren.


    Wildsichtung (dafür bin ich auch extra in Wildreiches Territorium gegangen. Denn nur wenn der Reiz da ist, kann man üben) erfolgt, Hirnsicherung knallt raus. Wir sind stehen geblieben und Madame durfte gloootzen bis ihr die Augen rausgefallen wären. Währenddessen habe ich nichts gemacht. Sie nur gesichert und gewartet. Und zwar so lange bis sie aus dem "Wild Wild Wild" Denken raus kam und ich merkte, dass sie ihre Umgebung wieder wahr nahm. DANN habe ich sie angesprochen und sobald sie mir die Aufmerksamkeit schenkte, belohnt. Superleckerlie. ZB Fleischwurst. Es ist ein wenig Zeitraubend, aber irgendwann wird die Zeit zwischen Sicherung rausknallen und die Umorientierung an den Menschen kürzer. Ideal ist natürlich der Erfolg Wildsichtung, sofortige Orientierung an den Menschen und IMMER Keks! Rosie ist mittlerweile so weit, dass sie bei Wildsichtung die meiste Zeit sofort zu mir kommt, um sich eine Belohnung abzuholen. Das mag erkauft sein, aber ich möchte lieber das Hund zu mir kommt, anstatt dem Karnickel nach zu hetzen.


    Mensch, ich hoffe du kannst mein Durcheinander da oben verstehen. Bin heute nicht ganz auf schriftstellerischer Höhe. :D

  • Zur Ergänzung:

    Und da kommt die Zeit ins Spiel: Du hast gemerkt das die Maßnahmen nicht funktionieren. Also lass es. Der Hund ist gesichert (wenn er extrem in der Leine hängt, würde ich ihn wohl eher mit Geschirr sichern) und dann soll er glooooootzen so viel er will. Sein Hirn muss erst wieder online gehen, erst DANN ist er überhaupt in der Lage wieder was zu lernen.

    Um das zu beschleunigen gibts eine "kleine" Hilfe. Richtig aufgebaut funktioniert das super! Der Geschirrgriff.
    Anleitung gibts hier!


    Ich kann eure Situation ziemlich gut nachvollziehen. Wir haben in etwa dieselbe Problematik mit unserem Hund (den haben wir allerdings schon länger und machen Fortschritte!). Lass Dir gesagt sein, wenn Du ruhig und konsequent bist wird es besser! Vor allem wird es besser, je älter (und damit ruhiger) der Hund wird.
    Macht generell viele Ruheübungen (zum Beispiel sowas) und findet heraus, womit ihr euren Hund belohnen könnt. Whiskey liebt zwar Futter und würde verdammt viel dafür tun, aber wenn er jagen will, will er jagen. Dann könnte ich mit einem Gänsebraten wedeln und es würde ihn nicht interessieren. Weiß er aber, dass ich seinen Kaninchenfelldummy dabei habe, den er apportieren darf oder einen Zergel, um den er sich mit mir "prügeln" darf, lässt er sogar von auffliegenden Vögeln ab.
    Stichwort: Situationsbedingtes Belohnen.


  • Wir sind stehen geblieben und Madame durfte gloootzen bis ihr die Augen rausgefallen wären. Währenddessen habe ich nichts gemacht. Sie nur gesichert und gewartet. Und zwar so lange bis sie aus dem "Wild Wild Wild" Denken raus kam

    ich frag mal, wie lange standst du da? Wir stehen da 30min, irgendwann sind die Damen ruhig, kaum mache ich den 1. Schritt zum weitergehen (in die Richtung in die das Wild verschwunden ist) dann geht das Gekreische wieder los. Erst wenn ich die Stelle an der das Wild war überquert habe, oder in eine andere Richtung gehe, fahren die 2 sofort runter und wir können ruhig weitergehen.

  • Ich klink mich da mal ein, hab bzgl. Filous Jagdtrieb genau das gleiche Problem und einige Tipps oder Ansätze kann ich gut gebrauchen.
    Es war bis vor kurzem besser, aber seit ca. 2 Wochen dreht er wieder durch, wenn er Hasen sieht (vorher waren wir schon soweit, dass er auf mein Nein gehört hat und weiterlief. Jetzt zieht er wie so ein Wildschwein und fiept wie nochwas, wie ers gemacht hat, als er bei uns ankam)

  • genau das ist eigentlich auch unser Ansatz, wir wollten einen zuverlässigen Rückruf, den wir seit Anfang an üben und der auch klappt, aber eben nicht wenn Monsieur Hasen sichtet, da kriegt er gar nix mehr mit, außer das hoppelnde Tierchen vor ihm. Heute ist er ausgebüchst (als ich mit der Kleinen vorhin rauswollte musste natürlich genau in dem Moment als ich die Tür öffnete eine Hase vorbeihoppeln)und war im Garten im Gebüsch bis zum Popo in einem Kaninchenbau, ich stand direkt neben ihm und er hat null reagiert. ich musste ihn auf allen Vieren, mit der Taschenlampe im Mund, da "rauszerren"

  • Ich lasse Whiskey ganz bewusst nach Mäusen und Kaninchen buddeln. Er muss ein bisschen arbeiten und darf das dann als Belohnung.
    Gleichzeitig übe ich mit ihm, dass er von den Bauten/Löchern ablässt, wenn ich ihm das sage.


    Zu Anfang musste ich ihn auch wegziehen, sobald er sich auf mich konzentriert hat wurde er mit sehr hochwertigem Futter oder Spielen belohnt. Mittlerweile reicht es oft, wenn ich ihn nur an der Schulter antippe und er lässt vom buddeln ab.
    Ziel ist, dass er auf ein Wort vom Buddel ablässt und sich auf mich konzentriert. So kann man dann ein selbstbelohnendes "Jagd"verhalten als extrem hochwertige Belohnung nutzen.


    Was mir wichtig ist ist, dass er nach dem Abbruch auch wieder weiter buddeln darf. Er also lernt: Manchmal darf ich nach dem Abbruch noch buddeln, manchmal eben nicht.

  • genau das ist eigentlich auch unser Ansatz, wir wollten einen zuverlässigen Rückruf, den wir seit Anfang an üben und der auch klappt, aber eben nicht wenn Monsieur Hasen sichtet, da kriegt er gar nix mehr mit, außer das hoppelnde Tierchen vor ihm

    Weiter üben.
    Bei Crazy hat sich da auch nicht einfach ein Schalter umlegen lassen.
    Ist schon länger her, aber ich denke, es waren so 2 Jahre mit immer wieder rufen, immer wieder belohnen, bis das sicher klappte.
    Und den Rest machte das Alter und die Vernunft. ;)


    Was das Katzen-Scheuchen angeht, da hat Katze Miezi aus der Nachbarschaft ganze Arbeit geleistet. Sie war so unverfroren, immer mit uns mitzugehen, wenn sie uns sah.
    Die Katze war resistenter als ein Terrier! :D


  • ich frag mal, wie lange standst du da? Wir stehen da 30min, irgendwann sind die Damen ruhig, kaum mache ich den 1. Schritt zum weitergehen (in die Richtung in die das Wild verschwunden ist) dann geht das Gekreische wieder los.

    Also das konnte dann schonmal so um die 30 Minuten dauern. :D Mal länger, mal kürzer. Kam immer drauf an, wie lange der Reiz sichtbar war (Madame ist Sichtjägerin). Rosie schreit aber auch nicht, muss ich dazu sagen. Die erstarrt zur Salzsäule und wartet auf den richtigen Moment zum zuschlagen. Sie jagt nicht um die Beute zu hetzen, sondern um sie auch wirklich zu fangen und dann sicher auch um sie zu verspeisen.


    Die Intervalle zwischen "Brainfreeze!" und "Oh hey Frauchen!" wurden anfangs nur unmerklich kürzer und dann plötzlich spürbar. "Oh, Hase!" *denk* "Ach, da war ja was bei Frauchen!" Jetzt kommt es vor das sie etwas sieht und sofort zu mir kommt. Oder auch, was mich persönlich sehr freut, komplette Ignoranz nach einem kurzen "Huch?"


    Wie gesagt: Meine Methode ist nun beileibe kein Patentrezept, da jeder Hund anders ist und jeder Hund mit einem so alles ausschaltenden Reiz natürlich auch anders umgeht. Die einen frieren ein (wie meine) die anderen machen einen riesen Buhei und beruhigen sich erst, wenn sie sich persönlich davon überzeugen können, dass die Beute schon längst über alle Berge ist.


    Da muss man ein wenig rumprobieren. Wichtig ist halt, dass der jagende Hund keine Jagderfolge hat. Und darunter fällt auch schon der 20 Meter Sprint hinter einem fliehenden Reh. Jagd ist verdammt selbstbestätigend und man kommt da zum Teil fast gar nicht mehr mit unseren popligen Methoden an. :ka:


    Edit: Und man sollte nie vergessen: Einmal ein Jäger, immer ein Jäger. Ein jagender Hund kann niemals so komplett locker aus den Augen gelassen werden, wie ein Hund der an Jagd nicht interessiert ist. Ersthund ist so ein uninteressierter, weswegen ich bei Rosie erstmal völlig überfordert war.


    Und unsere ganze Überei hat mehr als ein Jahr intensiv gedauert und ist bis heute natürlich nicht ganz vollendet. Ich denke auch, dass es niemals komplett fertig ist.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!