Das schwierige Pferd - eine Gewissensfrage

  • Wie wird die Stute denn gehalten? Wie lange kommt sie raus und wieviel Kontakt hat sie dabei mit Artgenossen? Wir haben einen Offenstall mit 50 Pferde, natürlich viele kleinere Gruppen , und da waren schon einige Kandidaten dabei die als unreitbare "Ärsche" galten. Meistens waren dies Pferde, die den reiterlichen Druck einfach nicht ausgehalten haben und durch Boxenhaltung und drei Stunde Auslauf ihren Stress einfach nicht abbauen konnten.


    Diese Kandidaten durften drei Monate erstmal nur entspannen und wurden dann neu angearbeitet. Häufig wurden diese Pferde nämlich auch gerne mit viel zu viel Druck geritten. Mit Reitlehrern ist für mich übrigens genauso wie mit Hundetrainer. Es ist einfach nicht alles Gold, was glänzt. Auch viele "erfolgreiche" Bereiter reiten mit unheimlich viel Druck und Kraft und sind mit Pferden, die dies körperlich oder psychisch nicht wegstecken können, überfordert. Raus kommen dabei oft feste, gestresste Pferde, die nie gelernt haben richtig nachzugeben und damit permanent einen Weg weg vom Reiter suchen.


    Auch gilt bei einigen leistungsbetont gezogenen Pferde einfach: das Genie ist nicht weit entfernt vom Wahnsinn....da braucht es einfach einen wirklich fähigen Reiter. So ein Pferd braucht Zeit.


    Was die Vermittlung angeht; es gibt definitiv Leute, die Lust auf soetwas haben. Bei der Suche muss man halt Zeit haben und es sollte "Platz vor Preis " gelten.


    Ich wünsche euch, dass ihr eine gute Lösung für euch und die Stute findet :streichel:

  • Es wird unterschätzt, wieviel letztendlich die Stute mitgibt.
    @Zucchini Das ist schön, dass du Glück gehabt hast! Ich finde, ein Pferd, was die Anforderungen, für die es gezüchtet wurde, wirklich gar nicht erfüllt (hier psychisch), gehört nicht in die Zucht. Klar, vielleicht ist bei dieser Stute jetzt auch alles unglücklich schief gelaufen, aber das klingt ja nun nicht so.

    :bindafür: Das sehe ich ganz genauso. Zur Zucht eignen sich nicht die Pferde, die zu nichts anderem zu gebrauchen sind sondern züchten sollte man mit den sowohl gesundheitlich als auch charakterlich herausragenden Pferden.


    Selbst wenn das Verhalten der Stute nicht genetisch verankert ist sondern durch unsachgemäße Behandlung oder was auch immer verursacht wurde, wird die Stute ihr Fohlen eben gerade auch durch Erziehung prägen. Das Ziel von Zucht kann doch nicht sein, mal so gerade eben handelbare Pferde zu produzieren. Der Charakter von Pferden ist für mich, neben Gesundheit und korrektem Exterieur, eines der wichtigsten Merkmale.


    Dass ein mal gerade fünfjähriges Pferd, das noch nicht mal durch den Zahnwechsel ist, nun wegen solcher Probleme beim Händler gelandet ist, finde ich mehr als traurig. Für mich wäre es auch sinnvoller, die Stute für ein Jahr auf die Weide zu stellen und in Ruhe zu lassen. Darüber hinaus habe ich die Erfahrung gemacht, dass solche massiven Probleme eher in nicht passender Ausrüstung oder anderen körperlichen Problemen liegen als in purer, unbegründeter Widersetzlichkeit. Und nein, dass ein Sattler behauptet, der Sattel passe, hat leider nicht immer etwas zu sagen und dass man in drückenden Schuhen als Mensch z.B. auch nicht kooperativ 15 km joggen würde, ist sicher unstrittig.

  • Hm, man sollte sich da wirklich klar werden, was man will.
    Mein Pferd war auch ein Problempferd. Ließ sich nicht reiten, war kaum zu Händeln usw usw.
    Ich habe es letztlich mit ihm zusammen hinbekommen. Aber das hat viel Zeit, Nerven und jede Menge Kraft gekostet. Und auch nur mit einem professionellen Trainer.
    Und er ist bis heute mit Vorsicht zu geniessen. Man muss ihn schon gut kennen, um ihn reiten zu können.


    Wenn man das nicht will, sollte man beim Verkauf mit offenen Karten spielen und auch gleich sagen, wieso das Pferd Weg soll. Alles andere ist auch dem Pferd gegenüber unfair.


    Als Problem sehe ich aber eben auch: wer kauft so ein Pferd? Da muss man schon genau hinschauen.

  • Ganz ehrlich, anders als bei Hunden gibt es für mich bei Pferden eine Schmerzgrenze.


    Wenn ich mich mal für einen Hund entschieden habe, dann bleibt der bei mi bis zum Ende. Aus. Wenn es Probleme gibt, dann arbeiten wir uns da durch und managen, was das Training nicht schafft.


    Bei einem Pferd wäre das für mich nicht so. Ich bin Freizeitreiter mit ein bisschen Tunierambitionen. Mit dem Pferd arbeiten soll mir Spass machen und entspannend sein. Klar kann man nicht bei jedem Problem gleich aufgeben, aber wenn ich wirklich das Gefühl hätte, dass ich auch nach allen (gesundheitlichen) Abklärungen und mit professioneller Hilfe nicht weiterkomme, dann würde ich das Pferd auch nicht behalten. Dafür sind Pferde einfach zu gefährlich und ganze ehrlich auch zu teuer.


    Ein vierjähriges Pferd dauerhaft auf die Weide zu stellen käme für mich nicht in Frage. Was soll das? Mal abgesehen davon, dass das für mich total unbefriedigend wäre, ist das auch oft fürs Pferd eine ganz miese Lösung. Ich kenne ein paar solcher Tiere, die zehn+ Jahre auf der Weide vergammelt mit wirklich minimalem Aufwand des Halters (zwei bis drei Mal im Jahr kam der Schmied). Der Besitzer zieht weg oder hat keine Lust mehr, versucht dann meistens, die Pferde noch als "Projekt" zu verkaufen oder zu verschenken und letztendlich landen die allermeisten (manchmal nach ein paar Zwischenstationen) doch beim Schlachter.


    Genausowenig wäre es für mich eine Option, mit der Stute zu züchten. Beim Züchten sollte es immer ein Zuchtziel und einen Markt für das Fohlen geben, und die Eltern sollten danach ausgewählt sein. Eine vierjährige Stute, die sich in nichts bewiesen hat und so schwierig ist, dass sie von einem relativ erfahrenen Reiter nicht mal auf dem Boden zu händeln ist, ist für mich kein Zuchtmaterial. Auch nicht, wenn sie gute Linien hat. Wieso soll man aus einem Pferd, das keiner will, noch ein Pferd erzeugen, das vielleicht einer will und vielleicht nicht? Vielleicht kann man mal drüber reden, falls sie irgendwann mal trotz A******** Charakter mit einem professionellen Reiter Leistung zeigt.


    Ein schwieriges Pferd zu verkaufen ist immer extrem schwierig. Man muss eine ganze Menge Interessenten aussieben - die selbsternannten Trainer, die sich selbst und ihre Reitkünste masslos überschätzen; die, die einfach nur ein billiges Pferd wollen; die Unerfahrenen, die sich "verlieben" etc.


    Ich war zum Glück nie in dieser Situation, aber ich denke, es würde vielleicht Sinn machen, wenn Deine Schwester sich mal in einer ruhigen Minute, wenn die Gefühle ein bisschen abgeklungen sind, hinsetzt und sich überlegt, wieviel sie wirklich in dieses Pferd investieren will, dann einen Plan machen und das so durchzieht.
    Das kann so aussehen, dass sie dem Pferd noch ein Jahr Ruhe gibt, oder es kann so aussehen, dass sie noch den Betrag von x € in professionelles Training investiert, oder dass sie jetzt endgültig genug hat und für x Monate / Jahre intensiv einen Käufer sucht.
    Aber ich würde mir ein ganz klares Limit setzen, und danach muss es entweder besser geworden sein oder es ist Schluss.


    Ich würde ganz ehrlich auch das Töten des Pferdes in Erwägung ziehen. Grade bei Pferden wäre das meiner Meinung nach in manchen Fällen die humanere Lösung als dass sie eine Odysee durchmachen, wo jeder Cowboy sich mal draufsetzt und am Ende werden sie doch als unreitbar zum Schlachter geschickt.

  • Ich stelle mir vor: Ein sportlich gezogenes Pferd, das körperlich schon sehr "weit" zu sein scheint, psychisch aber lange noch nicht reif war, wurde "konventionell" angeritten. (ich sehe bei mir am Stall jede Menge Reiter, die mit viel Kraft und wenig Gefühl reiten.)


    Evtl Tunierambitionen, also viel Wert auf Lektionen, auf Funktionieren gelegt - wenig auf Lockerheit und Freude am gemeinsamen Tun.


    Dazu eine zwar erfahrene Reiterin, die aber noch kein Pferd ausgebildet hat, zu schnell das Pferd behandelt hat wie ein fertiges Pferd, zu viel erwartet, das Pferd überfordert.


    Ergebnis: ein körperlich verspanntes, psychisch angespanntes Pferd. Es beginnt sich zu wehren - der Reiter versucht es mit "Duchsetzen", es entsteht ein Machtkampf. Jetzt ist eigentlich schon der Punkt erreicht, an dem die Abwärtsspirale beginnt. Kampf ist immer falsch.


    Nun hat die Reiterin auch noch Angst, und dem ganzen einfach nicht gewachsen. das Pferd lernt, dass es sich entziehen kann, den Kampf gewinnen kann - und dann ist man da, wo ihr jetzt seid.


    Ich sehe sowas leider jeden Tag... hier am Reitstall. Es ist so traurig.


    Ich würde auch sagen:
    Auszeit geben, Ostheo dran lassen, Sattel checken, Haltung überdenken (hat sie viel Auslauf, sozialkontakte?) und von vorne anfangen. Und zwar komplett von vorne. Bodenarbeit, Vertrauen aufbauen, dann mit guter Longenarbeit körperlich aufbauen und erst wenn das alles Früchte trägt, wieder ans Reiten denken - in einem Jahr oder so.


    Ich würde mich mal mit Natural Horsemanship beschäftigen. Da gibt es auch für den ganz normalen Reiter ne Menge gute Denkansätze. Bevor man nicht versteht, was in dem Tier vorgeht, seine Reaktionen einschätzen kann, mit ihm kommunizieren kann, kann man auch keinen Zugang zum Pferd finden.


    Grundsätzlich aber: Ich finde es nicht verwerflich das Pferd zu verkaufen. Aber ich würde es nicht in einen Händlerstall stellen, sondern jemanden suchen, der sich der Aufgabe wirklich stellen kann und möchte, und nicht mit Hau Ruck weitermacht.

  • Ich stelle mir vor sie wird ein Wanderpokal, der letzten Endes zum Metzger geht.

    Dem ist von Seiten Deiner Schwester ja nun ganz leicht entgegen z wirken: Im Arzeneimittelanhang des Equidenpasses eintragen, dass das Pferd NICHT zur Lebensmittelgewinnung dient und es KANN nicht irgendwann über den Schlachter entsorgt werden!

    Ja natürlich. Habe ich vergessen zu schreiben. Das war auch unser erster Gedanke. Sie hatte mal Verspannungen im Rücken und die üblichen Probleme beim Zahnwechsel. Da hat meine Schwester sehr darauf geachtet.

    Woher kamen diese Verspannungen?
    Was genau wurde denn gesundheitlich abgecheckt und wie?


    Naja, ich finde (nur von deiner Beschreibung her) da läuft grundsätzlich einiges falsch. Ein Pferd was ich schon vom Boden aus nicht beherrsche und das sich dort schon unmöglich benimmt, da setzt man sich nicht drauf.

    Ich denke, dass (sollte das Pferd wirklich nicht aufgrund von Schmerzen so reagiert), das Verhalten eine Folge von Ausbilungsfehlern ist.
    Ob wegstellen da die beste Methode ist, wage ich zu bezweifeln, ich würde konsequent und ohne Druck vom Boden aus arbeiten, (Natural Horsemanship, Doppellonge.....) und wenn das Pferd am Boden dem Reiter "zuhört" dann wieder das Reiten beginnen. IMMER in Dehnungshaltung und entspannt.


    Ein Verkauf eines solchen Pferdes kann sich als sehr schwierig und folgenreich erweisen. So kann es z.B. sein, dass das Pferd 6 Moate nach glücklich abgeschlossenen Verkauf wegen Unrittigkeit zurückgeht.....

  • Von Wegstellen habe ich nie etwas geschrieben. Ich halte von wegstellen nämlich nichts. Vielleicht war mein Text zu lang ;) Ich schrieb ebenfalls von Bodenarbeit.

  • Die Tipps in Bezug auf das Wegstellen beziehen sich, glaub ich, auch darauf, das jetzt erstmal zu machen- quasi als Deeskalationsmaßnahme- anstatt das Pferd beim Händler zu lassen.

  • Entschuldige, da hätte ein größerer Absatz hingehört, das mit dem Wegstellen meinte ich NICHT mehr in Bezug auf Deinen Post!


    Mein Fehler! |)

  • Achso, sorry, klang irgendwie so als würdest du dich auf mich beziehen :D


    Ich finde halt das Pferde beim Wegstellen vielleicht runterkommen, aber so richtig lernen mhm.... Es geht ja viel um Vertrauen aufzubauen. Und natürlich auch Regeln auf nettem Weg neu lernen.

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