Unsicherheit oder Aggressivität?

  • Hallo ihr Lieben!


    Ich bin gerade am Überlegen, worin der Unterschied zwischen Unsicherheit des Hundes und Aggressivität liegt. Und zwar komme ich darauf, weil ich mir bei meinem Dicken nie sicher bin, ob er bei Männern laut wird, weil er (appitypisch ;) - scherz) aggressiv ist oder einfach nur, weil er unsicher ist.


    Wenn er bellt oder nach vorne möchte, hat er seinen Nacken aufgestellt, macht sich aber nicht steif. Ich kann ihn auch gut unter Kontrolle halten - mit einem Lass geht er eigentlich weiter, schaut sich zwar immer mal wieder um, ist dann aber auch wieder schnell am schnüffeln.


    Er reagiert bei:
    - Männer, mit Bart und/oder Hut und/oder vermummt
    - bei Pferden
    - bei großen Langhaarhunden oder faltige Hunde, die keine eindeutigen Mimiken haben (können).


    Bei Menschenkontakt (es gibt ja leider immer mal wieder distanzlose Menschen, die einfach denken Carlos anpatschen zu wollen), reagiert er oft beschwichtigend und versucht Mundwinkel zu lecken. Oder er zieht sich hinter mir zurück.


    Ist Carlos also eher aggressiv, wenn er bellt oder einfach nur verdammt unsicher? :???:

  • Aggression ist ein Verhalten, das aus Unsicherheit heraus entstehen kann. Da wäre dann Unsicherheit die Ursache für Aggression. Ob Aggression oder Flucht oder andere Verhaltensweisen daraus entstehen, hängt vom Hundetyp, der Situation und der gemachten Lebenserfahrung ab.

  • Aggressivität ist die Verhaltensweise, die Angst das auslösende Gefühl dahinter.


    Ein Hund hat bei Angst vier Optionen zu reagieren - sich zu verhalten (genetisch bedingt) - die berühmten vier Fs:


    -fight
    -flight
    -flirt
    -freeze


    Also: Angriff, Flucht, Übersprung oder Erstarren.


    Dein Hund hat sich (vermutlich nachdem Flucht nicht möglich war) für Angriff entschieden.


    Mit reinem Verbot wirst Du übrigens an der Gefühlslage - der Angst - nichts ändern.


    Viele Grüße
    Corinna

  • Wie kann ich ihm denn die Unsicherheit/Angst nehmen?


    Wenn ich diverse Männer oder andere Unsicherheitsfaktoren sehe, gestatte ich Carlos, dass er einen Bogen läuft und ausweichen darf. Auf Landstraßen kann man da ja prima die Straßenseite wechseln.

  • Eine bestimmte Distanz wahren zu können ist schon mal gut. zB danach umdrehen und hinterher gehen wäre dann auch eine Möglichkeit. Denn wenn ihn nichts anguckt und nicht auf ihn zu bewegt ist es weniger Furchteinflößend und er kann seine Nase benutzen und realisieren, es ist nicht schlimm.


    Es gibt unwahrscheinlich viele Möglichkeiten gegen Unsicherheit zu arbeiten.

  • Es gibt zwei Ansätze: Den Angstauslöser so weit entfernt halten, dass er wahrnehmbar ist, aber keine Angst auslöst und den Hund mit etwas so schönem "zuschütten", dass der Hund sich irgendwann "freut", dass da der Auslöser kommt. Dann trainiert man ein Alternativverhalten, das über Belohnung aufgebaut sein muss (erstmal jenseits dieser Situation), damit der Hund die positive Stimmung mit in die Situation überträgt.


    Oder aber man bringt den Hund in eine leichte Angstsituation, aber nur leicht, so dass er auf absehbare Zeit vom Angstlevel runterkommt und die Belohnung ist dann das weggehen.


    Im Alltag dürfte für Dich eher Ersteres umsetzbar sein.


    Viele Grüße
    Corinna

  • Für mich sind Angst und Unsicherheit noch ein großer Unterschied. Bzw gibt es dann noch Unterschiede zwischen Angst, Furcht und Phobie (lt Feddersen Petersen und Gansloßer zumindest). Je nach Intensität ist das für mich gezeigte Verhalten (soweit ich überhaupt in der Lage bin, das zu beurteilen), entweder eine Unsicherheit und daraus entstanden ein Reaktionsschema, was sich einfach ausgebaut hat in bestimmten Situationen, oder Furcht.

  • Such mal hier im Dogforum nach "Zeigen und Benennen". Das ist eine Methode, wie man mit solcher Unsicherheit umgehen kann und wird ganz genau erklärt.


    Bei meiner Unsicherheitsmotte klappt's damit prima und wir machen große Fortschritte.


    LG Lily und Happy

  • Oft (nicht immer) kannst Du an der Körpersprache erkennen, ob die Aggression eine Strategie der Angstbewältigung ist, die erlernt wurde, weil die eigentlich zur Angst gehörende Verhaltensweise (Flucht) nicht möglich war, oder ob der Aggression die andere Motivation (vertreiben wollen, z.B. aufgrund von Ressourcenverteidigung) zugrunde liegt.
    Stell Dir den Hundekörper von der Seite betrachtet wie ein Rechteck vor: verschiebt sich das Rechteck nach Vorne/Oben, dann ist es vermutlich mehr Aggression (wenn dazu auch noch Ohren, Schwanz, etc nach vorne/oben gehen). Wirkt es alles "Tiefergelegt, Körperschwerpunkt nach hinten/unten, Ohren hinten, schwanz tiefer (als normal für diesen Hund), dann ist es vermutlich ehr Angst/Unsicherheit.


    GANZ oft, hast Du eine Mischung aus beidem.


    Ist ganz nützlich für das Training zu wissen, was was. Denn wenn man das weiß, weiß man auch, was der funktionale Bestärker ist (Bei Angst: Hund darf sich entfernen. Bei Aggression, der andere Hund (oder was auch immer der Auslöser ist) entfernt sich).

  • Dankeschön für eure Antworten!


    Ich habe Hundi gestern Abend mal beobachtet. Er scheint bei Menschen folgende Vorgehensweisen zu kennen:


    1. Ignorieren, weiterschnuppern und weiterlaufen.
    2. Nackenhaare aufstellen aber neben mir weiterlaufen
    3. Nackenhaare aufstellen, sich zwischen mir und dem Menschen zu stellen, Heulbellen und ggf. nach vorne wollen.


    Soll ich ihn bei der 1. und 2.Variante bestärken? Und ihn in der dritten abseits absitzen lassen, damit ich ihn - wenn er ruhig schaut- bestärken kann? :???:


    Er war von klein auf ein Wuffel, der immer nach vorne ging. Angst? Selten. Er hatte nie Angst gezeigt und wenn er vor etwas Respekt hatte, hat er die Ruhe gehabt, es sich anzuschauen und auszuprobieren (Hindernisse, neue Gegebenheiten, etc.)

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