Ich will mich jetzt nicht mehr mit Laborwerten aufhalten, was zählt ist nur noch die Gewissensfrage. Unsere Flocke ist eine 14 jährige Perserin. Wir haben sie mit 6 Jahren aus dem Tierheim geholt. Sie war tätowiert, aber die registrierte Besitzerin hat sie verleugnet. Sie wurde ausgesetzt aufgefunden und war halb verhungert, völlig verfilzt und ihr Schwanz war abgerissen (nicht frisch sondern vermutlich auf einen älteren Unfall zurück zu führen). Ihre Körperhaltung war sehr gebeugt, vermutlich auch eine Unfallfolge. Noch bevor das Tierheim zum Scheren kam, haben wir sie rausgeholt. Nach einigen Wochen wurde uns klar, sie ist taub. Nicht selten bei weißen Perserkatzen - aber niemanden war es bislang aufgefallen. Sie war dankbar, dass wir es gemerkt haben und unsere Kommunikation mit ihr darauf eingestellt haben. Verdauungsprobleme, Blasenprobleme und reichlich andere vermutete oder erwiesene Diagnosen haben uns jetzt acht Jahre begleitet. Im Winter 2012 dann Nierenprobleme und Zahnentzündung. Extremer Gewichtsverlust (Vor lauter Fell merkt man das bei einer eigenwilligen Perserin leider viel zu spät). Nach Zahn-Op leichte Besserung doch das Schieben der Pfote zu Hals und Maul blieb. Wir waren knapp am bösen Ende vorbeigerutscht. Seitdem teilweise Fütterung mit Nierenfutter (soweit akzeptiert) und akzeptabler Zustand. Gewicht wieder stabil und Fressverhalten normal. Vor 6 Wochen wieder Gewichtsverlust, Fressunlust und Pfotenschieben zum Maul wider stärker. Erneut schlechtere Nierenwerte. Herzprobleme. Prillium fürs Herz und Infusion für Niere halfen kurzfristig. Ernährung fast nur noch Reconvalses-Tonikum. Dann Praxiswechsel weil irgnedwie Vertrauen fehlte. Katzen-Praxis in Oberursel besucht. Cortison gegen die Symptome aber Hinweis dass keine Heilung möglich.
Jetzt wieder TA-Wechsel. Hausbesuche. Homöopathische Infusionen. Erste Infusion bringt wenigstens wieder Futteraufnahme. Nur für Stunden, zweite Infusion zeigt keine Wirkung mehr. Das einzige was Flocke noch zu sich nimmt ist hin und wieder ein Eigelb. Eigentlich habe ich mit der TA vereinbart, dass wenn die zweite Infusion keine deutlichere Wirkung zeigt, wir sie erlösen. Doch jetzt habe ich Zweifel. Habe sie heute Morgen mitsamt ihrem Korb mit ins Bett genommen. Sie hat es genossen - ohne Zweifel. Sie zeigt in kurzen Momenten Aufmerksamkeit für ihre Umwelt, dann liegt sie wieder zusammengekauert im Korb. Sie torkelt heraus zum pinkeln. Eben hat sie sich übergeben. Nur Flüssigkeit mit etwas weißem Schaum. Dabei kann sie sich nicht auf den Beinen halten, ich muss sie stützen.
Flocke war immer stur. Voller Vertrauen in ihre Menschen aber stur wie ein Esel. Wenn ich nun heute die Entscheidung treffe, wen erlöse ich. Erlöse ich Flocke oder mich? Wenn diese kleine Wesen trotz nur noch 2 kg so tapfer weiterkämpft, darf ich dem dann ein Ende bereiten? So sicher ich bei meiner Hündin war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, so unsicher bin ich jetzt bei Flocke.
Ihr Korb steht jetzt im Garten und gerade ist ein Vogel daran vorbei geflogen. Ihr Kopf ging hoch und sie folgte ihm mit Blicken. Ich war noch nie so ratlos. Ich will keine Ratschläge hören. Niemand kann auf die Distanz und ohne das Tier zu kennen einen Rat geben. Sollte sie jetzt von selber sterben, würde ich mich auch schon fragen ob ich zu lange gezögert habe. Egal welchen Weg ich gehe, ich werde mir so oder so Vorwürfe machen.
Wenn Medikamente sie zur Futteraufnahme bringen, dann ist doch noch ein Lebenswille da. Dürfen wir unser kurioses menschliches Denken auf das Tier übertragen?